Inzwischen gibt's auch das Buch zum Mahnmal:
Bubis und Friedman stimmen Naumann zu
Seit zehn Jahren wird debattiert: Ausschreibungen und
Kanzlerworte, Wahlempfehlungen zugunsten eben jenes Kanzlers, Umkehr und
Einkehr, Pro und Kontra, Riesenrad und Judenplatz, Verärgerung und
Befremdung. Der amerikanische Historiker Michael Cullen hat inzwischen
die Mahnmaldebatte dokumentiert. "Das Holocaust-Mahnmal - Dokumentation
einer Debatte", erschienen im Pendo Verlag (Zürich), enthält
eine Chronik der Ereignisse sowie Aufsätze von Befürwortern und Gegnern,
von Initiatoren und Verhinderern.
Von den ersten Forderungen einer Bürgerinitiative um die Publizistin
Lea Rosh bis zum ersten Wettbewerb, bei dem eine riesige Grabplatte
favorisiert wurde, welche dann durch ein Machtwort des Kanzlers Kohl vom
Tisch gefegt wurde. Es folgten Gremien und Kolloquien, Stellungnahmen
von Michael Cullen, Salomon Korn, Walter Jens, György Konrad... Danach
ein zweiter Wettbewerb aus dem vier Entwürfe hervorgingen. Kohl meinte
ein "Feld der Erinnerung" könne evtl. passen, strich es aber im Umfang
auf ca. die Hälfte zusammen. Dieses "Betonstelen-Modell" der Amerikaner
Peter Eisenman und Richard Serra wurde aber vom Regierenden
Bürgermeister Eberhard Diepgen (Berlin/CDU) blockiert.
Nach sechzehn Jahren endete die Aera Kohl. Alles ausgesessen,
Steuerdebatten, Zwangsarbeiterentschädigungen,
Staatsangehörigkeitsrecht, Mahnmaldebatte ... Reformvorschläge,
Initiativen, dringender Handlungsbedarf - nichts ist geschehen. Alles
blockiert, alles erstickt.
Auch der Bundeskulturbeauftragte der neuen Regierung (SPD/Grüne),
Michael Naumann, lehnte den Eisenman-Entwurf ab. Über ein neues Modell
soll irgendwann der Bundestag entscheiden.
Naumanns Kombientwurf - weniger Betonstelen, mehr Museum - hat
'gewisse Chancen auf Umsetzung. Ignatz Bubis, hat zurückhaltende
Zustimmung angedeutet. Zugleich sprach er sich gegen Pläne aus, in der
neuen Gedenkstätte ein Leo-Baeck-Institut einzurichten. Dieses gehöre
ins Jüdische Museum, eine ebenfalls diskutierte große Bibliothek sollte
bei der Stiftung Topographie des Terrors untergebracht werden.
Er bezeichnete es als falsch, ein Mahnmal zu bauen, "weil das Ausland
das erwartet". Dann solle man es lieber bleiben lassen. Michael Naumann,
habe das Mahnmal nicht gewollt und die Idee verfolgt, dieses durch ein
Museum zu ersetzen. Jetzt habe er ein Mahnmal und ein Museum, so Bubis.
Der Leiter der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz in Berlin,
Norbert Kampe, sprach sich gegen eine zentrale Gedenkstätte aus: "Es
gibt in Deutschland historische Stätten dafür, und es ist unsinnig, die
Situation etwa in den USA auf das Land der Täter zu übertragen".
Auch Michel Friedman vom Zentralrat der Juden hält den ausgehandelten
Kompromiß für ein Holocaust Mahnmal für akzeptabel. Die von Minister
Naumann ausgehandelte Lösung für das geplante Holocaust-Mahnmal in
Berlin sei möglich und könne sogar begrüßenswert sein", so der
CDU-Politiker Michel Friedman in einem Interview mit dem Hamburger
Magazin STERN: "Es darf aber nicht der Wunsch von Kanzler Schröder
erfüllt werden, daß die Menschen gerne dorthin gehen", betonte Friedman.
Andererseits dürfe der Platz auch "nicht angstbesetzt sein".
Überlebende des Holocaust, so Friedman weiter zum STERN, empfänden
den Streit ums Gedenken als "verwirrend". Viele seien "verletzt" und
könnten nicht nachvollziehen, warum den Deutschen ein Mahnmal so schwer
falle. "Ein identitätsstarkes Deutschland würde es wollen, ein schwaches
hat Angst davor. Es sieht so aus, als müsse nun auch Eberhard Diepgen
dieses Mahnmal an zentraler Stelle mit der nötigen Dimension ertragen,
trotz seiner Versuche, es zu verhindern."
haGalil
onLine - Sonntag 24-01-99
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