Einige der größten deutschen Firmen hatten
unter der Herrschaft der Nazis Zwangsarbeiter beschäftigt, Konten von
NS-Opfern nach dem Zweiten Weltkrieg verschleiert- oder
Lebensversicherungen nicht ausgezahlt. Ihnen drohen nun Klagen in
ungeahnter Höhe. In Industriekreisen wurde betont, daß man den Opfern
und ihren Angehörigen keine unredlichen Motive unterstelle.
In den Abteilungen für Öffentlichkeitsarbeit
der Unternehmen rauchen die Köpfe. Global Players erwarten eine
Belastung ihres Ansehens und fürchten "zeitweise wenn nicht gar
nachhaltig" aus dem Markt gedrängt zu werden. Dies könne mutwillig
auch dadurch geschehen, daß man dem Unternehmen durch teure
Gerichtsprozesse hohen wirtschaftlichen Schaden zufüge. Aus den
Unternehmerkreisen ist zu hören daß Gerhard Schröder sich verpflichtet
habe, für ihre Interessen einzustehen. Schon als Ministerpräsident von
Niedersachsen regte der 20%-Aktionär Schröder eine Fondslösung für
Volkswagen an. VW-Chef Piech folgte.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in
Deutschland, Ignatz Bubis, hatte bereits in mehreren Stellungnahmen bei
Printmedien den Anwälten der Opfer der Shoah und den Betreibern von
Sammelklagen Bereicherung an den Geldern der NS-Opfer vorgeworfen. Der
Münchner Advokat Witti sagte, die einzig betroffenen Interessen seien
die der Opfer und der Überlebenden. Es habe nichts mit Vorteilen zu tun,
die US-Firmen gegenüber deutschen Unternehmen gewinnen wollten.
Die Umstellung der deutschen Unternehmen hat
inzwischen auch Befürchtungen über die Rolle der Grünen zerstreut. Vor
allem Volker Beck und Wini Nachtwei vom Junior-Kalitionspartner haben in
der Öffentlichkeit Druck für die Entschädigung osteuropäischer Opfer der
Shoah, die NIE einen Groschen erhielten, über Jahre beibehalten. Die im
Januar 1998 fixierte Fondslösung der früheren Regierung für wenige Jahre
wäre nachbessserungswürdig.
Eine Fondslösung wird es vermutlich auch für
die Opfer der Zwangsarbeit geben, denn für ein Fonds wird zum
Unterschied zur Stiftung keine gesetzliche Grundlage verlangt. Im Sinne
der Betroffenen strebe man eine schnelle Lösung an, heisst es vonseiten
der neuen Regierung. Die Bundesregierung will die Opferentschädigung in
einer Arbeitsgruppe mit Vertretern von Industrie, Banken und
Versicherungen unter dem Vorsitz des künftigen Kanzleramtsministers Bodo
Hombach (SPD) regeln. Hombach ist Kohls engster Berater aus
Niedersachsen und löst den früheren Verhandler Bohl, der Kohls
"Schatten" war.
An dem Gespräch mit Schröder nahmen unter
anderem der Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, Heinrich von Pierer,
der Vorstandssprecher der Deutsche Bank AG, Rolf Breuer, der Chef der
Degussa AG, Uwe-Ernst Bufe, der Chef der Allianz-Versicherung, Henning
Schulte-Noelle und BASF-Chef Jürgen Strübe teil. Beteiligt waren auch
Daimler- Benz, BMW , VW mit ihren Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp,
Bernd Pischetsrieder und Ferdinand Piech.
Schweizer Banken hatten sich erst vor wenigen
Monaten in New York mit Opfern der Shoah und jüdischen Organisationen
wie dem World Jewish Cngress auf eine Entschädigung in Höhe von (rund
zwei Milliarden Mark geeinigt, nachdem einige US-Staaten mit
wirtschaftlichen Repressionen gedroht hatten.
Es wäre endlich an der Zeit, einen Teil des
Geldes dazu zu verwenden, die Jugend in Deutschland, Mittel- und
Osteuropa gegen eine Wiederkehr der Nazi-Ideologie geistig zu
immunisieren.
SLW