antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info
haGalil onLine - http://www.hagalil.com

  

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
Jüdische Weisheit
 
Archivierte Meldungen aus den Jahren 1995 - 1999
haGalil onLine Mit der Hilfe des Himmels

Nachrichten

haGalil onLine

Gedanken zum 9. November 1998:
'Je entfernter, desto näher...'

Bei allem Respekt vor ritualisiertem Gedenken: Es langt vorne und hinten nicht hin.
Was nicht von Herzen kommt, wird auch nicht ins Herz hineingehen.

Es fehlt weder an geistiger Brillanz noch an historischer Rationalität im Für und Wider der nicht enden wollenden öffentlichen Debatte um den Bau oder Nichtbau einer nationalen Shoah-Schädelstätte in Berlin. Es fehlt auch nicht an feuilletonistischer Schärfe und rhetorischem Glanz im kürzlich entbrannten Streit um die Korrektheit der öffentlich gemachten Ansichten des Buchhandel-Friedenspreis-Trägers Martin Walser. Auf allen Seiten hat niemand 'auch nur das Geringste' gegen 'die Juden', die - und das ist nicht nur ihrer entsetzlichen Dezimierung durch deutsches Planen und Morden geschuldet - es letztlich noch immer ebensowenig gibt wie 'die Deutschen'.

An Verstand und politischer Korrektheit fehlt es erkennbar nicht. Allenfalls an einem sich eigenverantwortlich ins Geschehen einbringenden Verständnis. Während wir Christen immer wieder - höchst ungebeten - die Frage nach dem Judentum und der jüdischen Identität nach Auschwitz thematisieren und theologisch zu beantworten suchen, pocht eine andere, unchristlich ordinäre Frage immer dreister an unsere eigene Tür: Was ist denn nun eigentlich mit meinem und deinem Selbstverständnis nach Auschwitz? Wie wissen du und ich mit dieser Hypothek zu leben? Persönlich und national genommen? Wie herzlich unfrei oder beherzt rebellisch unsere Antwort auch ausfällt: Unsere historisch unbehebbare Verschuldung am Judentum war und ist nicht das Problem der Juden, sondern allein unser Problem. Auf eine sehr gegenwärtige Weise. Es will und muß dringend erörtert werden. Und jeder Versuch, sich dabei des Einvernehmens, Beistands oder Beifalls von 'jüdischer Seite' zu versichern oder ihn zu erpressen, ist widerlich und obszön.

Unterhalb aller ethischen Debatten und Überlegungen tobt der Alltag, treiben beispielsweise 'Unbekannte' am Mittwoch, dem 28. Oktober 1998, am hellen Nachmittag ein Ferkel über den Berliner Alexanderplatz. Bemalt mit dem Davidstern und dem Namen des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland. Die Unbekannten bleiben unerkannt, nur das Schwein wird ergriffen und die Polizei, die es unverzüglich ins Tierheim bringt, ermittelt - so melden die Agenturen - inzwischen 'wegen Beleidigung und Tierquälerei'. Im thüringischen Jena gehört seit anderthalb Monaten die Jagd auf Glieder der 'Jungen Gemeinde', die sich in einer antirassistischen Arbeitsgemeinschaft engagieren, mittlerweile zum täglichen Volkssportprogramm von Jugendlichen, die 'national befreite Zonen' durch physischen Terror schaffen und errichten...

Sechzig Jahre nach der Pogromnacht am 9. November 1938 stehen die nachdenklichen Gemüter im vereinten Deutschland letztlich ratloser da als je zuvor. Wie getroffen von der Wahrheitswucht eines Satzes, den Grete Weil vor mehr als dreieinhalb Jahrzehnten niederschrieb: 'Je weiter Auschwitz entfernt ist, desto näher kommt es.' Amen.

Jürgen Rennert
Gastkommentar aus der Pommerschen Kirchenzeitung

Der Autor ist Lyriker und Schriftsteller und lebt in Berlin. Zusammen mit der Sängerin Jalda Rebling hat er 1987 die 'Tage der jüdischen Kultur' aus der Taufe gehoben. Er übersetzte Werke von Mark Rasumny und Israel Berkovic aus dem Jiddischen. Seit 1990 ist Jürgen Rennert stellvertretender Leiter des Kunstdienstes in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg.

Im Archiv: Weitere Meldungen

haGalil onLine - Montag 02-11-98

  • Wenn Sie Ihre Meinung äußern möchten:
    Bitte melden Sie sich im Offenen Forum zu Wort!

Israel & NahOst Meldungen aus Israel
Europa Meldungen aus den weiteren Ländern Europas
Bundesrepublik Meldungen aus der Bundesrepublik Deutschland
Österreich Meldungen aus der Republik Österreich
Schweiz Meldungen aus der Schweizer Eidgenossenschaft

Freie Rundschau Mitteleuropa


haGalil onLine

1998 © by haGalil onLine - Munich - Kirjath haJowel - All Rights Reserved

...íéø÷éä íéøáçäå ìâ ãåã ,êéìøà äåç

Die hier archivierten Artikel stammen aus den "Anfangsjahren" der breiten Nutzung des Internet. Damals waren die gestalterischen Möglichkeiten noch etwas ursprünglicher als heute. Wir haben die Artikel jedoch weiterhin archiviert, da die Informationen durchaus noch interessant sein können, u..a. auch zu Dokumentationszwecken.


Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!
Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!
haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved