Über die Relevanz von Arafats Besuchen sowie
der regen österreichisch-israelischen Kontakte auf den Friedensprozess
hat der Wiener Nahost-Experte John Bunzl (Österreichisches Institut für
internationale Politik) im Vorjahr einen englischsprachigen Sammelband
mit einem Vorwort von Uri Avnery veröffentlicht. Ausgehend von den
Initiativen Bruno Kreiskys (österreichischer Bundeskanzler 1970-1983) in
den 70ern, die zur offiziellen Einladung Arafats durch den
österreichischen Bundeskanzler am 7. Juli 1979 führten und bereits im
darauffolgenden März 1980 die offizielle österreichische Anerkennung der
PLO als Vertreter der Palästinenser zur Folge hatten, zeichnet der Autor
das von Kreisky dominierte österreichische Involvment im Nahen Osten bis
in die 90er Jahre nach. Bunzl skizziert das durchaus ambivalente
Verhältnis Kreiskys zu Israels Politik: als Sozialist verstand sich
Kreisky stets in Opposition zum Zionismus, obwohl sich Kreisky Israel
"viel mehr verpflichtet fühlte, als er zugab".
Folgt man der Aufzählung von Bruno Kreiskys
Nahost-Initiativen, so kommt man zum Schluss, der Friedensprozess hätte
ohne Kreiskys Visionen und Vorarbeiten gar nicht erst ins Stocken kommen
können, weil es ihn erst gar nicht gegeben hätte. In der umfassenden
Aufzählung seiner Aktivitäten findet sich Kreiskys Versuch in den 70ern,
über Israels Arbeiterpartei und deren Obmann Shimon Peres eine
Annäherung mit dem Ziel der Akzeptanz einer palästinensischen Vertretung
und von Rechten für das palästinensische Volk zu erreichen. Zugleich
überzeugte der österreichische Sozialdemokrat arabische Staaten von der
Notwendigkeit, die friedliche Ko-Existenz Israels anzuerkennen, während
er über die Sozialistische Internationale versuchte, in den westlichen
Staaten Bewusstsein für den Konfliktherd zu wecken.
Die Stärkung Arafats - so Kreiskys Strategie
- als gemässigteren PLO-Führer sollte internationale Anerkennung mit
sich bringen, und durch diese Anerkennung soll Arafat wiederum in seiner
gemässtigten Haltung be- und gestärkt werden. Kreisky verstand es mit
viel Geschick, arabischen Gesprächspartner mit Respekt zu begegnen (und
Geschäfte abzuschliessen, die angesichts von Erdölkrise und Bedrohung
durch arabischen Terror wesentliche innenpolitische Aspekte
beinhalteten), während er zugleich Österreich als Transferland für die
Alija von Juden aus der Sowjetunion bereitstellte (und die trotz der -
von Golda Meir heftig kritisierten - Schliessung des Zwischenlagers für
die Flüchtlinge in Schönau weiterging). Bis kurz vor seinem Tod 1990
setzte sich Kreisky auch wiederholt für Gefangenenaustausche ein.
Die Motivation für Kreiskys Engagement, das
von Palästinensern und Arabern mit weniger Widerstand betrachtet wurde
als von Israelis und Juden, so Bunzl in seinem Buch, basierte auf dessen
Sorge vor einer globalen nuklearen Katastrophe, sollten die
Friedensbemühungen scheitern.
Das Erbe Kreiskys als Vermittler in der
Nahost-Region fand erst drei Jahre nach seinem Tod mit der offiziellen
Wieder-Annäherung von Israel und Österreich nach Ablauf von Kurt
Waldheims Präsidentschaft 1992 und Vranitzkys Besuch und Eingeständnis
der kollektiven österreichischen Verantwortung für die Schoa in Israel
1993 seine Fortsetzung. Seither haben sich die offiziellen und
inoffiziellen Kontakte intensiviert, und der "Vermittlungskanal Wien"
stand als Alternative zum norwegischen Oslo bereit.
John Bunzl: Between Vienna and Jerusalem.
Reflections and Polemics on Austria, Israel and Palestine. Europäischer
Verlag der Wissenschaften Peter Lang.

Anton Legerer, Jr. -
anton.legerer@arche.or.at
Zu diesem Thema ist in der Jüdischen Rundschau Maccabi
am 30.7.1998, eine Kurzmeldung eerschienen.
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