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Koscher in Hamburg:
Auf der Suche nach Latkes und Kneidlach

Vor 1933 boten unzählige Läden in Hamburgs Grindelviertel koschere Lebensmittel
feil. Heute gibt es ein einziges Geschäft, das mit gefillte Fisch und Matze handelt.

Von Kay Dohnke

Einst waren sie ein vertrauter Anblick in Hamburgs Grindelviertel - Läden, die koschere Lebensmittel anboten. Die Einhaltung jüdischer Speisevorschriften war kein Problem: in mehreren Bäckereien gab es Matze und Challah-Brot, Delikatessengeschäfte boten Kneidlach, gefillte Fisch und Latkes an. Fleischer, Käse- und Geflügelhändler hielten nach koscheren Regeln produzierte Ware feil. Bis die Nationalsozialisten die Ladeninhaber vertrieben oder deportierten und die Geschäfte per "Arisierung" enteigneten.

mazza.jpg (8700 Byte)Heute sieht das Bild anders aus. Hamburgs einziges Geschäft für koschere Lebensmittel hat weder Schaufenster noch große Verkaufsräume, und kein Ladenschild lockt Kunden. Shlomo Almagor betreibt sein kleines Unternehmen im vierten Stock eines Bürohauses in der Schäferkampsallee. Und man muß schon von seiner Existenz wissen, um es auch zu finden.

Als Almagor von Tel Aviv nach Deutschland kam und 1991 in Hamburg ein Im- und Exportgeschäft gründete, wollte er auch hier koscher leben. Und stellte schnell fest, daß es viele dafür nötige Lebensmittel nicht einfach so zu kaufen gab. Frisches Fleisch und Geflügelprodukte ließ er sich aus Frankfurt oder München kommen, bestimmte Spezialitäten mußten eingeführt werden - aus Belgien und Holland, aus Paris und natürlich Israel. "Da hab ich gedacht, wenn es für mich eine Lösung gibt, kann das auch für andere Leute gelten. Ich habe eigentlich angefangen mit Autoteilen, aber wenn jemand im Im- und Exportgeschäft ist, sind die Regeln eigentlich gleich, nur die Produkte sind anders. So bin ich zu den Lebensmitteln gekommen. Unser Laden ist 1994 eröffnet worden."

Grundregel koscherer Ernährung ist die strikte Trennung milchiger Lebensmittel bzw. Zutaten von fleischigen. Das kann man in der eigenen Küche durchaus organisieren. Problematischer wird aber der Einkauf: in vielen Produkten sind tierische Bestandteile versteckt enthalten, die noch dazu nicht aus koscherer Tierhaltung und Schlachtung stammen - ein Tabu für toratreue Juden.

manishan.gif (36749 Byte)Almagors Geschäftsidee fiel in eine günstige Zeit, denn zu Beginn der neunziger Jahre fing Hamburgs jüdische Gemeinde wieder zu wachsen an. "Es hing natürlich auch von der Nachfrage ab. Natürlich ist es nicht wie vor dem Krieg, aber die Leute haben jetzt die Möglichkeit, überhaupt wieder koschere Lebensmittel zu bekommen. Unser kleines Lager ist der erste koschere Laden seit Ende des Krieges - das gab es vorher nicht."

Anfangs war der Verkauf koscherer Lebensmittel und israelischer Spezialitäten mehr ein Anhängsel von Almagors übrigen Unternehmungen. Neben dem Im- und Export betreibt er nämlich auch ein auf Israel spezialisiertes Reisebüro. Und wer später Wein oder Delikatessen aus dem Urlaubsland suchte, fand sie wiederum bei Almagor.

Almagor schaltet keine Anzeigen, und sein Geschäft tritt auch sonst nicht öffentlich in Erscheinung. "Klar, es gab zur Eröffnung einen Zeitungsartikel", erzählt der Inhaber, "und es stand im Rundbrief der jüdischen Gemeinde, aber eigentlich ist es Mundpropaganda. Oder die Leute rufen bei der jüdischen Gemeinde an und erfahren so von uns."

Seine Kunden nehmen oft lange Anfahrtswege in Kauf: das Einzugsgebiet reicht von Flensburg und Kiel bis Bremen und Hannover. Die nächsten Läden für koschere Lebensmittel finden sich erst wieder in Kopenhagen, Frankfurt oder Berlin. Doch Almagor hat nicht nur jüdische Kunden: "Wir liefern auch an die christliche Gemeinde, die brauchen zu Ostern Matze und Wein, und das beziehen sie von uns. Koschere Lebensmittel sind nicht nur für Juden; wir haben auch Moslems, die bei uns kaufen."

Ein kleines Zimmer neben Almagors Büro ist Lager und Verkaufsraum zugleich. Zwei Kühltruhen summen, auf einem Holzregal sind Dosen und Gläser aufgebaut, stehen Packungen und Flaschen. Schon der erste Blick verrät: hier gibt es eher ausgefallenere Dinge, und das auch nicht in großen Mengen.

"Ich habe bestimmte Ware immer da - Wade, Schulter, Gulasch, diverse Hähnchenprodukte, Ente. Und wenn die Leute etwas besonderes möchten, Lammkotelett oder Roastbeef, dann können wir es besorgen. Wein ist nicht selbstverständlich koscher, aber es gibt eben auch koscheren Wein und Sekt, und da herrscht große Nachfrage. Sonst führen wir eher Spezialitäten - israelische Produkte wie Salzgurken und Oliven; wir haben gefillte Fisch und natürlich Matze, Kneidlach und Latkes, das sind so Kartoffelpuffer."

Almagor ist sich eines Problems wohl bewußt: "Koscher ist leider nicht billig. Man muß immer den Transport bezahlen, und es sind oft nur kleine Mengen, die man umsetzen kann. Und das Rabbinat muß alles kontrollieren, das kostet auch etwas Geld. So kommt alles zusammen. Leider ist das so - wir sind hier nicht in Israel oder New York; da hat man alles billiger..."

Doch sein potentieller Kundenkreis wird größer. "Im Moment hat die jüdische Gemeinde in Hamburg mehr als 3.000 Mitglieder. Bis 91 oder 92 waren es nur ungefähr 800, aber durch die russische Einwanderung ist sie gewachsen. Nun, die Russen leben nicht streng koscher, sie kaufen vor Pessach Matze und Wein, aber sonst das ganze Jahr über nichts. Wie die Familien tatsächlich leben und was sie zuhause essen, weiß ich natürlich nicht. Wir haben nicht alle Produkte; man kann auch im Supermarkt andere Waren finden - man muß nur wissen, welche. Es gibt Listen vom Rabbinat, welche Dinge man kaufen kann."

Shlomo Almagor rechnet mit einer nur langsamen Entwicklung des Umsatzes. "Man sagt, diese Generation der Einwanderer ist nicht so wichtig - es ist die Frage, wie die neue Generation erzogen wird, ob sie koscher leben will. Aber man muß auch verstehen, daß die Einwanderer in Rußland nicht viel Geld hatten, und sie bekommen auch hier teilweise nur Sozialhilfe, was schon manchmal nicht reicht, um ganz normale Produkte zu kaufen. Wenn jemand drei, vier, fünf Kinder zuhause hat - das ist nicht wie mit Schuhen, die kauft man ein oder zweimal im Jahr. Lebensmittel braucht man immer, und die teuer einzukaufen, ist ganz klar ein Luxus. Das erlaubt man sich allenfalls für Feiertage."

In: Die Tageszeitung (Ausgabe Hamburg) 7.September 1998.
Nachdruck nur mit Genehmigung des Autors.

haGalil onLine - Mittwoch 04-11-98

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