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Michael Löwys Erlösung und Utopie:
Jüdischer Messianismus und anarchistisches Denken

von Stefanie Flamm

Daß eine "gewisse Affinität" zwischen jüdischem Denken und revolutionärer Utopie bestehe, hat man bisweilen gehört. Nicht nur von Antisemiten, die jeder Idee, die ihnen nicht paßt, eine "gewisse Affinität" zum Jüdischen andichten. Auch bürgerliche Rationalisten erklären die sozialrevolutionären Hoffnungen auf eine Welt ohne Ausbeutung und Krieg als säkularen und diesseitigen Ausdruck der freilich christlich-jüdischen Erlösungsdoktrin. Und da selbst ein zionistischer Historiker wie Gershom Scholem in seinem Buch über "Die Jüdische Mystik" deren "revolutionäres, umstürzlerisches Element" hervorhebt, ist Michael Löwy mit seinen Überlegungen zur "Wahlverwandtschaft" zwischen jüdischem Messianismus und anarchistischem Denken nicht unbedingt in schlechter Gesellschaft.

Anders als Scholem, auf dessen Studien zur Kabbala er sich beruft, bekundet der Autor allerdings wenig Interesse am jüdischen Messianismus als solchem. Kein Prophet, kein Text der apokryphen Mystik, nicht einmal die Schrift werden auch nur zitiert.

Seine 1988 in Paris veröffentlichte und nun unter dem Titel "Erlösung und Utopie" auf deutsch erhältliche Arbeit ist in erster Linie biographisch motiviert. Der 1938 in Brasilien als Sohn jüdischer Eltern aus Wien geborene Soziologe spürt darin dem verlorenen "geistigen Universum des mitteleuropäischen Judentums" nach. Weniger als religionsgeschichtliche oder vordergründig politische Fragen beschäftigen ihn die soziokulturellen Bedingungen, unter denen um 1900 eine spezifisch jüdische Intellektualität erst entstehen sollte.

Das angenommene wahlverwandtschaftliche Verhältnis zwischen Judentum und Anarchismus ist zunächst nicht mehr als ein Kunstgriff, um disparate Denker wie Scholem, Martin Buber, Gustav Landauer, Walter Benjamin, Ernst Bloch und Georg Lukács unter einen Hut zu bringen. Sämtlich um das Jahr 1880 geboren, sind sie die erste Generation assimilierter Juden, die sich wieder mit ihrer jüdischen Tradition auseinandersetzten. Den entscheidenden Anstoß dafür gaben die rückwärtsgewandte Zivilisations- und die neuromantische Kapitalismuskritik, wie sie um die Jahrhundertwende den Zeitgeist prägten.

Daß die jüdischen Denker, anders als ihre Zeitgenossen, sich nicht in ästhetischen Fundamentalismus oder totalitäre Ordnungsmodelle flüchten konnten, ergibt sich für Löwy aus dem Wesen der jüdischen Tradition, zu der sie zurückfanden. Diese, so folgert er aus Bubers Studien, besitze einen "anarchischen Aspekt" - zum einen, weil Talmud und Kabbala explizit die Mitwirkung des Menschen an der Erlösung fordern, zum anderen, weil die Ankunft des Messias dort als "die Aufhebung sämtlicher Einschränkungen und Verbote" verstanden werde. In Verbindung mit dem Diktum Scholems, daß die messianische Hoffnung auf Erlösung von allem Bösen ein "Grundpfeiler" jeder anarchistischen Utopie sei, glaubt er seine Hauptthese von der Affinität beider Denkrichtungen auch schon bewiesen.

Wie dünn das Eis ist, auf dem er sich bewegt, zeigt sich jedoch, sobald er konkret werden müßte. In den Forschungen der konservativen Traditionalisten Scholem und Buber, deren Interessen an der jüdischen Mystik nicht zuletzt philologischer Natur war, spürt er "eine anarchistische Tendenz als unterirdische Tendenz". Bei Landauer, Bloch und Lukács, die unbestritten im untersuchten Zeitraum der Jahre 1905 bis 1923 große Sympathien für den Anarchismus hegten, müssen einzelne aus dem Werkzusammenhang gerissene Zitate ihre geistige Verwurzelung im Judentum belegen. Dabei unterschlägt Löwy keineswegs, daß die jüdische Tradition nur eine Quelle ihrer Revolutionsmetaphysik war. Der einzige Denker, der unter den Prämissen von "Erlösung und Utopie" in seiner Komplexität gewürdigt werden kann, ist Walter Benjamin. In seinem widersprüchlichen Werk fließen die von Löwy nachgezeichneten Traditionsstränge zu einer Symbiose aus jüdischer Religion, Romantik, Antikapitalismus und Nihilismus zusammen. Jüdischer Messianismus und Anarchismus sind die Punkte, zwischen denen Benjamins Denken oszilliert.

BUCH UND JUDENTUM

Michael Löwy:
Erlösung und Utopie
Jüdischer Messianismus und libertäres Denken. Eine Wahlverwandtschaft.
Aus dem Französischen von Dieter Kurz und Heidrun Töpfer. Karin Kramer Verlag, Berlin 1997. 303 S., 45 Mark.

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