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Oberrabbiner P. EisenbergZU DEN HOHEN FEIERTAGEN:
Der Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde, Wien, Paul Chaim Eisenberg

Zum Neuen Jahr 5759:
Sind wir auf dem richtigen Weg?

Eine chassidische Geschichte erzählt von einem Milchmann (sein Name war nicht Tevye) der einmal vor Rosch Haschana zu seinem Rebben kam und ihm ein Geständnis machte. Er hatte seine Milch in den letzten Jahren mit ein wenig Wasser verdünnt und so einige Liter mehr verkauft und einige Kopeken mehr verdient. Jetzt hatte er ein schlechtes Gewissen und wollte - so etwas gab es früher einmal - eine freiwillige Buße auf sich nehmen.

Der Rebbe sagte ihm, daß er eine Woche darüber nachdenken wolle. Gleichzeitig befahl er aber seinem Chassid, sofort die Täuschung aufzugeben und seinen Kunden ab sofort ''Vollmilch" zu liefern. Nach einer Woche kam der Milchmann erschüttert zum Rebben und sagte: ''Rebbe, jetzt - wo ich den Leuten echte Milch bringe - wollen sie meine Milch nicht mehr trinken! Sie sagen, sie schmeckt nicht wie richtige Milch''.

Vor einiger Zeit habe ich zufällig eine interessante Radiosendung gehört, die auf den ersten Blick genau das Gegenteil erzählt.

Es ging da um moderne Lebensmittelchemie und mein Interesse war geweckt, weil ich hoffte, etwas neues über Kaschruth zu erfahren. Immerhin werden unsere gegen wärtigen Lebensmittel mit so vielen verschiedenen chemischen Konservierungsmitteln, Emulsifikatoren und dergleichen versetzt, daß ein Rabbiner, der einen Hechscher (ein Koscherzertifikat) für ein Produkt geben will, entweder selbst ein Chemiker sein oder einen anderen zu Rate ziehen müßte.

Doch es war etwas anderes, das mich bei dieser Sendung besonders beeindruckte. Ein Professor erklärte, dass man noch vor 20 Jahren eine naturbelassene Marmelade gut verkaufen konnte. Für den Gaumen eines Konsumenten an der Schwelle zum dritten Jahrtausend aber schmeckt die gleiche natürliche Marmelade fad. Wenn man aber einige Aromaverstärker hinzumischt, die nicht immer natürlich und gesund sind, dann findet diese Marmelade wieder reißenden Absatz. Nebenbei sei erwähnt, daß besonders junge Menschen lieber zu diesem Produkt greifen. Diese Aussage gab mir zu denken und mir fiel ein, daß sie nicht nur für unseren Geschmackssinn Geltung hat. Denken wir nur an die Lautstärke und den Rhythmus unserer Musik.
Und ich meine nicht nur die Musik der Discos, die ich gar nicht so gut kenne, sondern die Lautstärke der Bands (nicht mehr Kapellen) bei unseren Bar-Mizwes und Chassenes. In den letzten Jahren wird diese Musik immer schneller und lauter. Oft sind es nur die Jüngeren, die das verlangen und die Eltern (Älteren) halten sich die Ohren zu, aber es bleibt dabei.

Andere Beispiele:
Sicher ist es von Vorteil, wenn es schnellere Flugzeuge gibt und man heute über Internet schneller als je zuvor fast jede Information erhalten kann. Aber ist nicht unser ganzes Leben ein Wettrennen geworden? Die Werbung und auch die Nachrichten (nicht nur die Inhalte, sondern die Präsentation) werden immer drastischer, Filme immer brutaler, die Zeit wie lange unsere Kinder ausbleiben dürfen, immer später und das Alter, in dem sie reif genug für ''Parties" sind, immer jünger ... Hier höre ich mit einer detaillierten Beschreibung auf und überlasse es meinen Lesern, mit eigener Phantasie noch Beispiele hinzuzufügen, damit man nicht auch als Beispiel hinzufügt, daß die Artikel der Rabbiner immer ärger werden.
Doch leider ist die Geschichte gar nicht lustig. Wir leben in einer Zeit der Reizüberflutung. Kinder sitzen entweder beim Fernseher oder bei brutalen Videospielen und sind kaum für ein gutes Buch, einen Ausflug oder einen Besuch im Museum zu gewinnen.
Aber auch uns Erwachsene hat das Fieber gepackt. Wir schauen vielleicht nicht mehr Superman im Fernsehen an, aber wir wollen - und das ist schlimmer - Superman oder Superwoman in einer Superwelt sein.
Geschäfte müssen Supermärkten weichen. Waschmittel müssen Ultraweiß waschen. Manche von uns machen mehr Überstunden, als wir Arbeitsstunden haben, weil wir nur so den größeren Fernseher mit dem Hypersystem und dem Maxiformat kaufen können, oder weil wir einen teuereren Urlaub machen müssen als der Nachbar!

Erinnern Sie sich noch an die erste Geschichte mit der Milch? Wenn nicht, lesen Sie sie noch einmal!
Sie scheint das Gegenteil unserer heutigen Fehler anzuprangern.
Heute ist alles überkondensiert und überdosiert (Overdose).
Das ist es, was der heutige Rebbe anprangert! Der frühere war gegen das Verwässern und wollte konzentrierte Milch!

Und dennoch wollen wir beide das Gleiche, nämlich die natürliche Mitte, oder - wie es ein gläubiger Mensch ausdrücken würde - zurück zur von G'tt gewollten Schöpfungsordnung!
Oder - sekulär ausgedrückt - ein Einsetzen der Vernunft an Stelle des sich Treiben lassen. Der Fehler unserer heutigen Zeit ist, daß wir das Wichtige verdünnen und uns auf Nebensachen konzentrieren!

Wir glauben vielleicht, daß wir unseren Familien etwas Gutes tun, wenn wir alle Zeit und Kraft in Arbeit und Konsum (auch für die Familie) stecken, und doch sind ein paar Abende, die ein Vater mit seinen Kindern, ein Ehemann mit seiner Frau verbringen kann, viel wertvoller als die materiellen Güter.

Doch ist man einmal in der Dynamik drinnen, kann man schwer zurück. Wir gewöhnen uns allzu schnell an Dinge, die uns zunächst verrückt erscheinen (Denken wir nur an die Mode) und die Spirale - größer, schneller, lauter, teurer - scheint sich unaufhaltbar weiterzudrehen. Die Bewohner des Schtettl hatten sich so lange an die verwässerte Milch gewöhnt, bis die echte ihnen nicht mehr schmeckte. Wir in unserer verrückten Zeit haben uns so sehr an Geschmacksverstärker (und -verwirrer) gewöhnt, bis das Natürliche uns nicht mehr reizt.

Das Judentum erkennt diese Gefahr und bietet uns auch ein Rezept gegen sie an!
Wir haben in jeder Woche einen Tag, an dem wir pausieren und diesen Circulus vitiosus durchbrechen können!
Warum wurde der Schabbat, der siebente Tag, von G'tt gesegnet, und nicht der erste Tag der Schöpfung?
''...denn an ihm ruhte der Ewige von seinem Werk, das er geschaffen hatte." Bereschit(2,3).

Der Ewige war sicher nicht so erschöpft von der Schöpfung, daß er ruhen mußte! Aber er wollte seinen Geschöpfen damit wohl sagen, daß auch wir, wie er, immer wieder eine Pause einlegen sollten, um nachzuprüfen, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind. Der Schabbat soll uns an die Schöpfung erinnern und gleichzeitig unseren Schaffensprozeß und Lebensrhythmus zwar nicht knebeln, in gemäßigte Bahnen lenken.

Wir sprechen in unseren Gebeten zu Rosch Haschana ''Hajom Harat Olam" - Heute ist der Geburtstag der Schöpfung! Genauer ist es der Tag, an dem der erste Mensch geschaffen wurde. Und so werden wir wieder an die Schöpfung erinnert und an die Rast des Ewigen am siebenten Tag!

So sollten diejenigen von uns, die noch nicht erkannt haben, daß der Schabbat, wenn auch tausende Jahre alt, die modernste Therapie für unsere Zeit ist, zumindest die Hohen Feiertag als Ruhetage und Tage der Reflektion feiern.

Nicht, weil wir G'tt damit einen Gefallen tun, sondern uns selbst!

Schana Tova! Ein gutes, gesundes und bedachtes Jahr!

Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg

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