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Grotesken voller Hindernisse

Erstmals auf CD:
Hans Krásas 'Verlobung im Traum' und Pavel Haas’ 'Šarlatán'

„Hätt’ ich sie nicht bewahrt in meinen toten Akten, sie wäre nie gewesen“, seufzt der graue Archivar im Finale der Oper. In der Tat ist es dem Werk ergangen wie seiner Protagonistin: Jahrelang verstaubt in den Archiven der Wiener Universal-Edition, konnte Hans Krásas „Verlobung im Traum“ erst 1994, über sechzig Jahre nach der Uraufführung, durch eine Premiere an der Prager Staatsoper wieder jene Beachtung finden, die diese Oper verdient. Der Riß in der Rezeption war rein historisch bedingt: Auch Krása traf der Bannstrahl der „Entartung“, mit dem die nationalsozialistischen Barbaren alle fortschrittliche Kunst auszugrenzen pflegten.

TerezinSeiner jüdischen Abstammung wegen war der 1899 in Prag geborene Komponist 1942 nach Theresienstadt deportiert worden, wo die Nazis seine Fähigkeiten auf perfide Weise zu nutzen begannen: Zur „Freizeitgestaltung“ im Konzentrationslager mußte Krása kulturelle Veranstaltungen organisieren, um ausländischen Beobachtern dessen wahre Funktion zu verschleiern. Kurz nach der Aufführung seiner durchaus hintersinnigen Kinderoper „Brundibár“ wurde Krása im Oktober 1944 nach Auschwitz verfrachtet – das Todesurteil.

terezin.gif (13512 Byte)Ein ganz ähnliches Schicksal erlitt der aus Brno stammende Pavel Haas, der schon 1941 in Theresienstadt interniert worden war, wo sich um Viktor Ullmann eine Gruppe von hochtalentierten Musikern gebildet hatte. Aus einer jüdisch-tschechischen Familie stammend, bewies der im selben Jahr wie Krása geborene Janácek-Schüler Haas sehr früh schon sein Talent als Opernkomponist. Als er 1934 mit der Vertonung seines „Šarlatán“ begann, einer selbstverfaßten Geschichte um den historischen Quacksalber Dr. Johann Andreas Eisenbart, deren wichtigste Anregungen aus einem Roman von Josef Winckler stammen, hatte er neben zahlreichen Kammermusikwerken bereits eine Vielzahl von Film- und Bühnenmusiken geschaffen. Und so läßt die burleske Oper um den vorgeblichen Wunderheiler Pustrpalk (Vladimír Chmelo), durch dessen dilettantische Behandlung der Mönch Jochimus (Jiri Kubík) zu Tode kommt, bereits eine erstaunliche formale und musikalische Reife erkennen.

Überraschend an diesen beiden, in der etwas verunglückt betitelten Decca-Serie „Entartete Musik“ nun auf CD erschienenen Opern ist die unbändige Lebensfreude, die sie trotz der bedrohlichen Lebensumstände ihrer Schöpfer ausstrahlen. Auch Krásas „Verlobung im Traum“, auf eine Novelle Dostojewskijs entstanden, kehrt in Umkehrung der realen Geschichte das kompositorische Talent für musikalischen Humor hervor. Rasch wechselnde Stimmungen, eine komplexe rhythmische Motorik und ein Feingefühl für flirrende Klangfarben, die gleichermaßen an Mahler wie an Schreker erinnern, bestimmen die Partitur, die immer wieder den Ernst hinter der Groteske verspüren läßt.

Denn die Geschichte ist keinesfalls nur lustig: Marja Alexandrowna (Jane Henschel) verschachert ihre Tochter Sina (Juanita Lascarro) an einen vertrottelten Fürsten (Albert Dohmen). Zermürbt vom männlichen Über-Ich gibt Sina ihr Leben auf: An irgendeinen reichen Gouverneur, erzählt der Archivar (Michael Kraus) im Epilog, mußte sie schließlich ihre Seele verkaufen.

Krása erzählt diese turbulente Geschichte wie ein erfahrener Theaterpraktiker, was wohl auf seine solide Ausbildung bei Alexander von Zemlinsky zurückzuführen ist, von dem er auch lernte, musikalisch präzise Charaktere zu zeichnen. Rhythmisch verdankt die höchst eigenständige Musik wohl Strawinsky einiges, was die beigefügte, polyrhythmische Symphonie (1923) unterstreicht. Spritzige Ensembleszenen in geradezu Rossinischem Parlando - wie das motorische Rache-Duett im Finale des ersten Akts - wechseln einander ab mit psychologisch feinfühligen Passagen, in denen die innere Beziehungslosigkeit der Menschen oft schmerzhaft aufblitzt - wie in dem Quintett, in dem Sinas „Casta diva“-Zitat von den Stimmen der anderen gnadenlos übertönt wird.

Federndes Brio bestimmt auch Haas’ stärker in der Tradition verankerten „Šarlatán“, dessen Rückgriffe auf die tschechische Volkstradition sogar an Smetanas „Verkaufte Braut“ erinnern. Die jähen Stimmungswechsel, der harmonische Reichtum und die bewußte Wiederholung prägnanter rhythmischer Motive lassen jedoch auch den Einfluß Janáceks erkennen. Beeindruckend an dieser Partitur ist der Einsatz der Stilmittel, die die einzelnen Szenen scharf voneinander abtrennen und dadurch – ganz ähnlich wie bei Krása – spielerisch die tragische Komponente hinter der vermeintlichen Komödie spüren lassen.

Israel Yinon, der auch die Prager Wiederaufführung der „Verlobten im Traum“ dirigiert hatte, findet instinktsicher den für „Šarlatán“ nötigen eloquenten Tonfall. Lothar Zagrosek hingegen, der die „Verlobung im Traum“ mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin aufgenommen hat, trägt manchmal etwas zu dick auf, so daß Krásas Musik oft nicht zu ihrer Leichtigkeit finden kann. Auch die – meist viel zu schweren – Stimmen der weiblichen Protagonisten sind nicht gerade ideal für den leichten Konversationston der Oper. An hörbare musikalische Grenzen stößt ebenso das engagierte Ensemble der Prager Staatsoper bei „Šarlatán“. Diese beiden Opern aus den Archiven wieder zum Leben erweckt zu haben – dennoch ein unbestreitbares Verdienst. („Verlobung im Traum“: Decca 455 587, 2 CDs; „Šarlatán“: Decca 460 042, 2 CDs)

REINHARD KAGER - SZ vom 05.08.1998

haGalil onLine - Samstag, 14. Dezember 2013

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