Nach monatelangem Drängen des Parlaments hatte
Arafat schließlich eingelenkt und versprochen, seine Autonomie-Regierung
zu reformieren und personell umzubesetzen. Monatelang hielt er die
Abgeordneten hin. Er vertröstete sie und entschuldigte sich mit den
schwierigen israelisch-palästinensischen Verhandlungen, die ihm keine
Zeit lasse zur Arbeit an Reformen und Revirements. Was er dann
schließlich am Mittwoch präsentierte, war kein neues Kabinett, sondern
das alte - ergänzt um einige seiner Kritiker.
Augenzeugen berichteten, das Parlament sei starr vor
Entsetzen gewesen, als Arafat den Abgeordneten die Liste vorlas und auch
noch ankündigte, diese «neuen» Minister stünden für «Berechenbarkeit und
Transparenz». Viele Abgeordnete fühlten sich hinters Licht geführt und
formulierten das auch. Die vom Parlament am schwersten belasteten und
der Korruption geziehenen Minister wie Planungsminister Nabil Schaath
bleiben im Amt. Bis auf einen sind alle zusätzlich ins Kabinett berufene
Minister und Staatssekretäre Mitglieder der Fatah, der von Arafat
geleiteten größten Palästinenserpartei. Der bisherige
Landwirtschaftsminister Jawad Saleh sagte, das palästinensische Volk
werde diese Kabinetts-Umbildung nicht akzeptieren. Saleh soll Minister
ohne Geschäftsbereich werden.
Die bisherige Ministerin für Höhere Bildung in
Ramallah, Hanan Aschrawi, verlässt das palästinensische Kabinett. Sie
teilte mit, Arafat habe zwar versucht, sie umzustimmen, sie bleibe
jedoch bei ihrem Entschluß. Die im Rahmen der Kabinettsumbildung
angebotene Position der Tourismusministerin lehne sie ab. Arafat habe es
bisher versäumt, energisch gegen Korruption und Mißwirtschaft in der
Autonomieregierung vorzugehen.
«Dies ist ein Komplott und ein Angriff auf die
Intelligenz des palästinensischen Volkes», schimpfte der Abgeordnete
Hassan Khreischeh. «Dies ist noch weniger als Kosmetik, dies ist
überhaupt keine Änderung», rief der Vorsitzende des politischen
Parlaments- Ausschusses, Siad Abu Amre.
Das palästinensische Parlament, das streng genommen
eine Übergangs-Einrichtung sein soll für die Zeit bis zur Errichtung
eines palästinensischen Staates, vertagte am Mittwoch die Generaldebatte
über das neue Kabinett auf diesen Samstag. Es verschob dazu den Beginn
der eigenen Parlamentsferien. Zwar wird erwartet, daß die Abgeordneten
am Samstag der Kabinettsliste murrend zustimmen werden, aber Arafat
konnte sich diese Zustimmung nur durch die Aufnahme ernstzunehmender
Kritiker in sein Kabinett erkaufen.
Die Vorwürfe der Korruption bleiben im Raum, denn
auch am Mittwoch forderten einige Parlamentarier, den verdächtigten
Ministern den Prozeß zu machen. Der Druck der Geberländer bleibt
bestehen, für Transparenz im Finanzgebaren der Autonomie-Regierung zu
sorgen. Auch aus dem Parlament schon früher ausgeschiedene
palästinensische Notablen wie Haider Abdel Schafi, ein demokratischer
Kritiker Arafats, und andere Oppositionelle werden Arafat immer weiter
drängen, kontrollierbare Reformen einzuführen.
Doch auch die schärfsten Arafat-Kritiker in den
Reihen der Parlamentarier weisen immer wieder auf eines hin: Die
Rahmenbedingungen des israelisch-palästinensischen Konflikts, unter
denen Arafat operiert, sind seiner Mutation zum Demokraten nicht gerade
förderlich. Zwar hat es der Ex-Guerillaführer inzwischen immerhin schon
zum Friedens-Nobelpreisträger gebracht, doch den Staat, in dem sich
Demokratie entfalten könnte, den verweigert ihm Israel immer noch. In
einer 45minütigen Rede verteidigte Arafat seine neu-alte Kabinettsliste.
Es habe eine «kontinuierliche Verbesserung der Arbeit aller Ministerien
und weniger Fehler gegeben». Arafat beschuldigte Israel, die
Palästinenser in eine extrem schwierige Lage versetzt zu haben. «Wir
begannen mit weniger als nichts», sagte Arafat.