Moers läßt in einer absurden Geschichte
Hitler nach Jahrzehnten wieder aus der Versenkung auftauchen. An dem
Buch scheiden sich die Geister: witzige Aufarbeitung der Vergangenheit
oder flache Verharmlosung Hitlers? «Eine Fehlleistung, stellenweise
geschmacklos», urteilt Michel Friedman vom Zentralrat der Juden in
Deutschland.
Die Verantwortlichen bei Eichborn waren
offenbar selbst nicht hundertprozentig von ihrem eigenen Werbespruch
überzeugt: Die erste Auflage sei mit einer für Walter Moers
«bescheidenen Erstauflage von 10 000 Exemplaren» ins Rennen gegangen,
sagte Eichborn-Programmchef Wolfgang Ferchl. «Wir haben schon erwartet,
daß sich einige fragen: Darf man das?» Andererseits habe er «nicht
gezweifelt, es zu machen». Er sei «sofort beeindruckt gewesen von der
Qualität» des Comics. Als dann die erste Auflage innerhalb einer Woche
verkauft war, fühlte er sich anscheinend von dem kommerziellen Erfolg
bestätigt. Zur Zeit ist bereits die vierte Auflage im Druck.
Moers läßt in simplen Strichen und
Gossen-Jargon kein Tabu unangetastet. Hitler verprügelt den
vermeintlichen Juden Alfred Biolek und läßt sein Tamagotchi verhungern,
als er feststellt, daß es aus Japan stammt. Er trifft auf den
wiederbelebten, per Geschlechtsumwandlung zur Domina gewordenen
«Hermine» Göring, zerstört Hiroshima und verdingt sich in Paris als
Chauffeur von Diana und Dodi. Schließlich wird Hitler von Außerirdischen
entführt, die ihn mit Mutter Teresa verkuppeln wollen.
Zwar steht Hitler selbst als lächerliche
Figur da, doch vergeht einem oft das Lachen angesichts der nur scheinbar
harmlosen Respektlosigkeit, mit der sich Moers über Hitlers Bösartigkeit
lustig macht.
«Die Verflachung bei Moers wirkt gegen seinen
eigenen Anspruch. Wo einem das Lächeln im Hals gefrieren sollte,
gefriert es nicht genug. Es müßte den Leser schaudern, daß er gelächelt
hat», sagt Michel Friedman. Dabei habe er durchaus nichts gegen Satire,
die sich mit Hitler beschäftige, wie etwa Art Spiegelmanns
Holocaust-Comic «Maus», betont Friedman. Nur müsse eben die Qualität
stimmen. «Moers hat einen Versuch gestartet, eine gute Satire in
Comicform über Hitler zu machen, aber der Versuch ist mißlungen.»
Das sieht Ferchl natürlich anders. «Dieses
Lächerlichmachen hat auch etwas Aufklärerisches», glaubt er. «Wir waren
uns klar, daß das Produkt gut und richtig ist.» Moers zerschlage Symbole
und Ikonen «auf eine sehr bösartige Weise». Der Comic sei keine
Vergangenheits- Bewältigung, aber auch nicht nur ein Gag. Außerdem
könnten die Deutschen «einen kräftigen Schuß Humor verkraften».
Bezeichnenderweise vergeht anscheinend eher
Anhängern der rechten Szene das Grinsen: Per e-mail ließen sie den
Verlag wissen, daß er mit dem Comic das Andenken Hitlers in den Schmutz
ziehe. «Walter Moers müßte man von der Straße fegen», drohten sie. Autor
und Verlag sind daher nach Angaben Ferchls «sensibilisiert», wenn
besonders dicke Briefumschläge per Post ins Haus kommen.
Inzwischen habe sogar Hollywood Interesse
signalisiert. Der Verlag verhandele über eine internationale
Ko-Produktion. Etwa 60 Jahre nach dem Krieg und nach Charlie Chaplins
Hitler-Parodie in «Der Große Diktator» könnte Adolf Hitler im Jahr 2000
erneut auf der Kinoleinwand zu sehen sein.
Darf man sich über Nazis lustig
machen?
Nein. Man muß!
Der neue Moers. "Adolf"