Kreuz in Auschwitz:
Streit verschärft sich - 51 neue Kreuze
Wie die polnische Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" am Montag berichtete,
brachten katholische Gläubige ohne Erlaubnis der Amtskirche am Wochenende
zusätzlich ein drei Meter großes und 50 kleine Kreuze an. Ein Vertreter der
jüdischen Gemeinde in Polen sprach von einer Provokation. Von dem Kreuz an
der Mauer zum früheren Konzentrationslager fühlen sich viele Juden beim
Gebet in Auschwitz gestört, das sie als größten jüdischen Friedhof der
Weltgeschichte betrachten. Seine Entfernung forderten unter anderen der
Friedens-Nobelpreisträger Elie Wiesel, der Vize-Vorsitzende des jüdischen
Weltkongresses, Kalman Sultanik, und der polnische Oberrabbiner Menachem
Pinchas Joskowicz.
Die neuen Kreuze brachten Anhängern des
umstrittenen national- katholischen Rundfunksenders `Radio Maryja" an.
`Wir wollten zeigen, daß wir in unserem Vaterland die Herren sind und
unsere Ehre verteidigen", begründete der Redemptoristen-Pater Jan
Sieminski die Aktion.
`Das ist eine Verschärfung des Konflikts mit
dem Ziel eine Kompromißlösung unmöglich zu machen", kritisierte der
Herausgeber der jüdischen Zeitschrift `Midrasz", Konstanty Gebert, am
Montag. `Es handelt sich um einen Kreuzkrieg gegen die katholische
Amtskirche, die wie wir kein Kreuz an diesem Ort will", sagte er der
Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Warschau.
Im Juni berichtete Gabriele Lesser in der taz:
HUNGERSTREIK VOR EHEMALIGEM KZ
Protest in Auschwitz soll Verbleiben eines Holzkreuzes erzwingen
Der Kampf um das illegal aufgestellte,
acht Meter hohe Kreuz vor den Toren des ehemaligen Konzentrationslagers
Auschwitz nimmt allmählich bizarre Formen an: Drei Mitglieder des
"Gesellschaftlichen Komitees zur Verteidigung des Kreuzes in Auschwitz" sind
jetzt in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Mit dieser Aktion soll
eine eindeutige Stellungnahme sowohl des Primas der katholischen Kirche
Polens als auch des polnischen Ministerpräsidenten erzwungen werden. Jerzy
Buzek und Kadinal Jozef Glemp sollen sich klar für den Verbleib des Kreuzes
aussprechen.
Der Streit vergiftet seit Monaten die
christlich-jüdischen Beziehungen in Polen. Zum einen steht das Holzkreuz
außerhalb der umzäunten Gedenkstätte in der sogenannten Kiesgrube. Hier
erschossen die Nazionalsozialisten 1941 zahlreiche polnische
Widerstandskämpfer. Insofern ist die Inanspruchnahme dieses Platzes als
"jüdischem Friedhof", auf dem christliche Symbole nichts zu suchen
haben, nicht gerechtfertigt. Das eigentliche Vernichtungslager
Auschwitz-Birkenau ist drei Kilometer vom Stammlager und der Kiesgrube
entfernt.
Andererseits ist das Kreuz in einer Nacht und
Nebel-Aktion aufgestellt worden, ohne die Genehmigung des Bürgermeisters
von Oswiecim oder des zuständigen Bischofs von Bielsko-Biala. Rechtlich
gesehen hätte es also längst entfernt werden können. Dem"Komitee zur
Verteidigung des Kreuzes in Auschwitz, dessen Gründung auf den
Antisemiten Kazimierz Switon zurückgeht, hat es aber geschafft, das
"Papstkreuz in Auschwitz" zu einer "nationalen Frage der Ehre" zu
machen. Es sei, so die Verteidiger des Kreuzes, besonders "heilig", da
der Papst auf seiner ersten Pilgerreise in die Heimat im Jahre 1979
davor eine Messe gehalten habe. Es könne nicht durch ein kleineres
ersetzt werden, das nicht mehr die Stacheldrahtzäune überragen würde.
Einer solchenLösung hatten jüdische Organisationen in Polen zugestimmt.
Gabriele Lesser / Warschau / taz
- 17.6.1998
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Samstag, 14. Dezember 2013 |