Zum ungarisches Wahlergebnis:
Besorgnis in Budapest
Erstmals zieht eine rechtsextreme, offen
antisemitische Partei ins Parlament ein
Budapest –Zum ersten Mal seit Ende des Zweiten
Weltkrieges ist eine Partei mit nationalistischem und antisemitischem
Ansichten im ungarischen Parlament vertreten: Die Ungarische Partei für
Wahrheit und Leben (MIEP) zieht mit voraussichtlich 14 von 386 Abgeordneten
in die Volksvertretung ein.
Mit antisemitischen Parolen und Massenaufmärschen
beunruhigt die MIEP nicht nur die ca. 100.000 Juden in Ungarn und die
etwa 500.000 Sinti und Roma, sondern auch liberale Ungarn. Die liberale
Partei SZDS, die viele frühere Dissidenten mitgetragen hatten, fiel in
die Bedeutungslosigkeit. Die Beteiligung an der Regierung mit den
Exkommunisten schwächte die Partei.
Der Chef der "MIEP" Istvan Csurka, ein früherer
Entertainer, vermutet überall Verschwörungen "gegen die wahren
ungarischen Interessen" und macht diese in New York ebenso aus wie in
Tel Aviv, bei der Weltbank wie beim Internationalen Währungsfonds. Sein
Stellvertreter Lukacs Szabo zieht eine Parallele zwischen der Bindung an
die Sowjetunion vor 1989 und der angestrebten Anbindung an Nato und
Europäischer Union.
Der bekannte Osteuropaexperte Paul Lendvai, der 1956
Ungarn verließ und heute Radio Österreich International vorsteht, sieht
die Verlierer des harten kapitalistischen Kurses der letzten Jahre als
Wähler der Rechtsextremen. Die "Kleinlandwirte" sind auch nicht weit von
der "MIEP" entfernt.
Der 64 jährige Csurka findet seine Anhänger bei allen,
die sich bei der Umgestaltung der Gesellschaft nach dem Umbruch zu kurz
gekommen fühlen. Das sind die sozial schwächsten, aber auch viele
bürgerliche Teile des Mittelstandes mit nostalgischen Träumen von einem
postimperialen Ungarn, das Teile von Rumänien, des ehemaligen
Jugoslawien (Subotica) der heutigen Slowakei und der Ukraine umfassen
soll. Hier gilt die Losung: "Ungarn ist, wo Ungarn wohnen".
Die Wahlsieger vom Sonntag, die rechtsliberalen Jungen
Demokraten (Fidesz), haben klare Distanz zur MIEP erkennnen lassen.
Csurka jedoch hat angekündigt, er wolle ein Bündnis der Rechten
unterstützen.
Der Sieger dieser Wahl,
Orban von Fidesz, der heute
rechtskonservative, ehemals pfiffige Newcomer bei den Jungdemokraten,
wird als der vermutlich nächster Premier Ungarns gehandelt. Seine Losung
"Ungarn zuerst".
haGalil onLine - Juni 1998 |