Auf dem Damm steht ein Eisenbahnzug. Für viele war
hier die letzte Station. Hier wurden bis 1945 die Häftlinge ausgeladen:
Juden, Serben, Roma, kroatische Oppositionelle, Anhänger der KP...
Hier war die Welt des Dinko Sakic. Von Ende 1942 bis
Ende 1944 ist der heute 76jährige, aus Slavonski Brod stammende
Ustascha-Fanatiker hier Lagerkommandeur gewesen. Bei Kriegsende hatte
Sakic Verbindungen zur Kirche genützt, einem Hauptpfeiler der Diktatur,
um mit Hilfe des Vatikans nach Argentinien geschmuggelt, wo er später
von Evita und Juan Peron mit offfenen Armen empfangen wurde. Bis 1998
konnte der mutmaßliche Kriegsverbrecher unbehelligt in diesem Land
bleiben. Inzwischen wurde er von einem Fernsehteam aufgespürt.
Der inzwischen wiederum Untergetauchte leugnet
sämtliche ihm zur Last gelegte Verbrechen. Nach seinen Angaben könnte
der Eindruck entstehen, das Konzentrationslager sei quasi eine
Erholungsstätte gewesen. Sein Vorgänger Miroslav Filipovic-Majstorovic,
der erste Kommandant des Lagers und Franziskanermönch aus der
Herzegowina, wurde nach dem Krieg wegen seiner Verbrechen hingerichtet.
Innerhalb von nur vier Monaten soll dieser Verterter der Kirche Tausende
Gefangene liquidiert haben.
Sakic allein wird die Misshandlung von und der Mord
an mehr als 2.000 Gefangenen vorgeworfen. Es wird wohl einiges für immer
ungeklärt bleiben.
In einem Interview mit der in Split erscheinenden
Wochenzeitung Feral Tribune erklärte sich Sime Klaic bereit, in einem
künftigen Prozeß auszusagen. Als 16jähriger Junge zusammen mit Mutter
und Schwester am 21. November 1941 verhaftet, überlebte er Jasenovac und
andere kroatische KZ‘S . Seine ältere Schwester war als Mitglied des
kommunistischen Widerstands exekutiert worden. Sime Klaic kennt Dinko
Sakic persönlich. Noch im Januar 1942 wurde er von Jasenovac in ein
neues Lager, nach Stara Gradiska gebracht.
Sakic bezeichnete der Zeuge als blutgierig. Damals
war der junge Sakic stellvertretender Komandant in diesem Lager. Im
April 1942 habe Sakic Massenmorde befohlen, er ließ zum Beispiel 26
Menschen in einen Raum sperren. Die Gefangenen verhungerten dort, im Mai
seien es 36 Menschen gewesen, meist alte Kommunisten, die auf diese
Weise getötet wurden. Um im Krankenhaus Platz zu schaffen, habe Sakic
Kranke einfach töten lassen. Wer von dem Ustascha-Wachpersonal nicht
mitmachte, wurde ebenfalls liquidiert, wie Peter Nemeth, der sich den
Gefangenen gegenüber menschlich verhalten hatte.
Als im Sommer 1942 das Lager Djakovo geschlossen
wurde, kamen jüdische Familien mit Kindern nach Stara Gradiska. Sie
wurden in jenen Todesautos getötet, bei denen die Abgase in den Laderaum
geleitet wurden.
Hat der Präsident Kroatiens den
Kriegsverbrecher beim Staatsbesuch getroffen?
Sakic wurde von den argentinischen Behörden gedeckt.
Das Regime von Peron hatte regelrecht um Nazis geworben, viele Nazis
hatten in Argentinien Unterschlupf gefunden. Grund zum Protest der
Opposition in Kroatien wird die ganze Angelegenheit, weil Präsident
Tudjman 1994 während eines Besuches in Argentinein Sakic persönlich
empfangen hat. "17 Minuten lang", sagte Sakic stolz. Tudjman selbst
streitet dieses Treffen ab.
Vor acht Jahren war Sakic zu den
Gedenkfeierlichkeiten nach Bleiburg in in Österreich gekommen, wo im Mai
1945 - nach der Kapitulation des Deutschen Reiches – mehr als 40.000
fliehende kroatische Soldaten und Zivilisten von Partisanen ermordet
worden waren. Bleiburg ist ebenfalls eines der großen Verbrechen während
des Zweiten Weltkriegs auf dem Balkan. Sakic erklärte aber damals unter
dem Applaus der anwesenden Zuschauer dem Journalisten Victor Ivancic,
alles, was er tat, würde er nochmals tun, er habe stets als aufrechter
Christ gehandelt. "Ich schäme mich meines Namens nicht, ich bin sehr
stolz auf ihn", sagte Sakic wörtlich. "Alles, was wir im Krieg getan
haben, war im Interesse Kroatiens und der Christenheit. Ich bedauere,
daß wir nicht das getan haben, was sie uns vorwerfen, getan zu haben."
Die Entdeckung von Sakic hat die kroatische
Gesellschaft gezwungen, sich der Vergangenheit zu stellen. Kroatische
Printmedien veröffentlichten am vergangenen Samstag einen Brief des
Justizministers Miroslav Separovic an die argentinische Regierung, in
dem dieser die Auslieferung des Kriegsverbrechers verlangt wird. Die
Staatsanwaltschaft in Zagreb sei bereits angewiesen worden, ein
Verfahren gegen Sakic einzuleiten. Da aber auch die Bundesrepublik
Jugoslawien gerichtliche Schritte gegen Sakic eingeleitet hat und
ebenfalls die Auslieferung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers begehrt,
muß Kroatien die Triftigkeit und Entschlossenheit seines Antrages
nachweisen.
Die Forderung nach Auseinandersetzung mit der
Geschichte wird in Kroatien erhoben.
Das Mahnmal von Jasenovac darbt dahin. Von 1991 bis
1995 im serbisch kontrollierten Gebiet gelegen, ist Jasenovac seit der
Wiedereroberung wieder ein Teil Kroatiens. Es ist so als wäre die offene
Wunde wieder heimgeholt worden. Der öffentlich geführte Diskurs um den
Kriegsverbrecher Dinko Sakic könnte dazu beitragen, in Kroatien endlich
eine Auseinandersetzung über die Vergangenheit zu führen.
Kroatische Geistessgrößen wie Slavko Goldstein,
Nenad Popovic, Zarko Puhovski und einige Exponenten der
Oppositionsparteien fordern dies vehement. Tudjman wird aufgerufen den
Nachweis zu liefern, daß er das Versprechen ernst nimmt, das er
Vertretern jüdischer Gemeinden gegeben hat: Die Verbrecher der
Ustascha-Regierung, die mit den Deutschen kollaborierte, durch den
kroatischen Staat zun verfolgen und die Verbrechen zu sühnen.
Wäre es zuviel verlangt , fragt die Wochenzeitung
Feral Tribune, daß der kroatische Präsident einfach nach Jasenovac geht
und einen Kranz zum Gedenken an die Opfer der Ustascha- Diktatur
hinlegt?