Am Pfingstsonntag starb Lotti Huber überraschend an
Herzversagen in Berlin. Ein Tod wie ihr Leben «aus den vollen und von
allen geliebt», wie einer ihrer engsten Wegbegleiter, der Filmemacher
Rosa von Praunheim sagte.
Er machte die Tänzerin, Schauspielerin und Sängerin
mit Produktionen wie «Unsere Leichen leben noch» (1980) und «Affengeil»
(1990) berühmt. Doch auch auf Kabarettbühnen und in zahllosen Talkshows
fühlte sich Lotti bis zuletzt zu Hause. «Solange meine grauen Zellen
mitmachen, toure ich durch die Lande", versprach sie noch im vergangenen
Herbst.
Schon
zehn Jahre zuvor hatte Lotti Huber im bereits betagten Alter von 75
Jahren verkündet, daß nun «die kreativen Jahre» begännen. Tatsächlich
sang und erzählte sie seitdem mit so viel Überzeugung wie nie zuvor
Geschichten aus ihrem aufregenden Leben.
Bis kurz vor ihrem Tod schrieb die agile alte Dame
an einem neuen Buch. Dieses zweite autobiographische Werk wurde vor
einem Monat fertig und soll unter dem Titel «Drei Schritte vor und kein
Zurück» erscheinen. «Da gebe ich noch einmal meinen Senf ab», hatte die
Schauspielerein mit dem losen Mundwerk angekündigt. Ihre erste
Autobiographie «Diese Zitrone hat noch viel Saft» war bereits 1990
erschienen und zum Verkaufsschlager geworden.
Als Erfolgsrezept für ihre nicht versiegende Energie
zitierte Lotti Huber gern eine Textzeile aus einem ihrer Chansons:
«Bleib nicht an der Vergangenheit kleben, beginne immer ein neues
Leben.» Dennoch erzählte sie gern von ihrer turbulenten Vergangenheit.
Als Lotti Goldmann wuchs sie in einer
großbürgerlich-jüdischen Familie in Kiel auf. Berühmte Tänzerinnen der
20er Jahre wie Isadora Duncan und Mary Wigman waren ihre Vorbilder.
Sie zog nach Berlin und lebte dort mit ihrer
Jugendliebe, einem nach Nazi-Definition «arischen» Mann, zusammen. Wegen
«Rassenschande» wurde Lotti von den Nationalsozialisten in ein
Konzentrationslager deportiert. Ihr Geliebter wurde erschossen. Von
einer amerikanischen Organisation freigekauft, emigrierte sie 1938 über
die Schweiz nach Palästina. In Haifa studierte sie Tanz und Pantomime.
Es folgten Stationen in Ägypten, London und Zypern,
wo Lotti mit ihrem ersten Mann, einem britischen Offizier, ein Hotel
führte und als Nachtklubtänzerin arbeitete. Nach der Scheidung lernte
sie den britischen Colonel Norman Huber kennen und schloß mit ihm eine
zweite Ehe. Mit ihm kehrte sie schließlich nach Berlin zurück.
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Lotti Huber im Mainzer Unterhaus
Ich bring es auf den Punkt / Schräg-schrilles Entertainment
"Wir sind vital und wild und klug / und schön und sexy, voller Glut. /
Wir rasseln mit den Knochen bis zum Schluß. / Das Leben heißt für uns
- Genuß.
Unsere Leichen leben noch..."
Aber hallo! Mit diesem Rosa-von-Praunheim-Film startete die
disziplinierte Wilde Lotti Huber mit Karacho ihre "späte" Karriere. Denn
"Jede Zeit ist meine Zeit." Vor allem: "Diese Zitrone hat noch viel
Saft!"
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Lotti Huber im Star Archiv
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Lotti Hubers Filmographie
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Lotti Huber im Senftöpfchen Theater: "Wo bleibt die Würde
des Alters?!"
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Lotti Huber und der Saft der Zitrone
In einer Welt voller Dummköpfe haben es die klügeren Menschen
schwieriger. Kluge Frauen haben es erst recht schwerer als banale
Männer. Eine kluge Frau hat eine Menge geborener Feinde: alle dummen
Männer und alle eifersüchtigen Frauen. Doch hätten wir mehr Lotti
Hubers, wäre unsere Welt eine bessere Welt...