«Deshalb ist es mir so wichtig zu sagen, daß wir uns
über wachsende und blühende jüdische Gemeinden in Deutschland freuen,
deren Mitglieder sich nicht im Transit fühlen, die nicht auf gepackten
Koffern sitzen, sondern Deutschland als ihre Heimat betrachten -
geographisch, politisch und kulturell», sagte Herzog.
Der polnische Staatspräsident Aleksander Kwasniewski
erinnerte in seiner Laudatio an den Besuch Herzogs zum 50.Jahrestag des
Aufstandes im Warschauer Ghetto. Damals habe der deutsche Präsident die
polnischen Opfer des Krieges um Vergebung für das gebeten, was «ihnen
von Deutschen angetan worden ist». «Von diesem Zeitpunkt an war in Polen
tatsächlich das letzte Eis gebrochen.» Wenn Ost- und Mitteleuropa heute
in die Normalität zurückkehre, müsse man sich dabei im klaren sein, daß
«ein Prüfstein für diese Normalität die Renaissance der jüdischen
Gemeinden in Mitteleuropa» sei, sagte Kwasniewski. Das
jüdisch-deutsch-polnische Dreieck, das voller schmerzlicher Traumata
sei, bedürfe «eines sehr einfühlsamen Dialogs über die Vergangenheit,
aber auch über die Zukunft».
Herzog sagte, er nehme die Ehrung mit großer
Dankbarkeit und Bewegung entgegen. Der Mord an Millionen Juden durch
Deutsche werde noch sehr lange verhindern, «daß es ein normales, ein
unbelastetes Verhältnis geben kann». Dies sei keine Frage persönlicher
Schuld der Nachkriegsgeneration, «sondern eine für uns Deutsche
schmerzliche, aber eben doch unausweichliche Konsequenz des
Geschehenen». Er hoffe auch, Israel noch einmal als Präsident zu
besuchen.
Herzog fügt hinzu, so wie in der Vergangenheit
verschiedene Religionen und Einflüsse in der Kultur wirksam geworden
seien, so könne und sollte es auch künftig sein. Wörtlich sagte er:
«Nicht die Abwehr alles vermeintlich Fremden oder Unbekannten sollte
unser Denken und Handeln bestimmen, sondern Offenheit für die
Zukunftschancen, die sich aus solchen Symbiosen ergeben können.»
Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in
Deutschland, Ignatz Bubis, sagte, Herzogs Lebenswerk sei von
humanistischer Gesinnung und Glaubwürdigkeit geprägt. Mit dem Preis
würden seine Verdienste gewürdigt um das Versöhnungswerk zwischen
Christen und Juden, zwischen der jüdischen Gemeinschaft der Welt und
Deutschland sowie zwischen Deutschland und Israel. Der Leo-Baeck-Preis
erinnert an Berlins letzten Rabbiner während der Zeit der
Nationalsozialisten.