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Süddeutsche Zeitung

Alles, was rechts ist

'Re-Intellektualisierung' des rechten Lagers:
Andreas Mölzer war Jörg Haiders Chefideologe und ist jetzt Chefredakteur eines intellektuellen Kampfblatts

Den ersten Ritterschlag bekam das neue Kampfblatt vor zwei Wochen vom österreichischen Presserat. Die journalistischen Anstandshüter rügten, die Wochenschrift 'Zur Zeit' habe den Moralkodex der Branche grob verletzt. „Auch das Blut gemordeter Christen, vergossen durch jüdische Hand, schreit zum Himmel“, hatte der Theologe Robert Prantner in einer längeren Suada über Ritualmord-Anschuldigungen geklagt. Dem Ethik-Professor einer römisch-katholischen Hochschule wurde daraufhin die Prüfungsvollmacht entzogen; der Gazette hingegen ward ehrender Tadel zuteil.

Solcher Adel verpflichtet. Wohl deshalb würdigte das Blatt in der jüngsten Ausgabe den Israel-Besuch des österreichischen Kanzlers mit einer einschlägig humorvollen Karikatur. Sie zeigt den Regierungschef an der Klagemauer in Jerusalem, wie er großzügig Banknotenbündel in die Ritzen zwischen die Steinquader stopft – üblicherweise deponieren hier fromme Juden auf kleinen Zetteln ihre Bitten und Anliegen an den Ewigen.

Mit Antisemitismus möchte Andreas Mölzer, der Chefredakteur der rechten Wochenzeitung, dennoch nicht in Verbindung gebracht werden. Wortreich weist er alle Verdachtsmomente weit von sich. Allerdings, so schränkt er ein, könne man schon „gräßlich unanständige Publikationen finden“, denen er im Laufe seiner bewegten Karriere die Kraft seiner Worte geliehen habe. 'Zur Zeit', verspricht Mölzer, werde sich jedoch nicht in diese Ahnenreihe eingliedern. Vielmehr will das Blatt mit moderner Anmutung zu einer „Re-Intellektualisierung“ des rechten Lagers beitragen.

Antiklerikal bis trotz-katholisch

Auf dem von hemmungslosen Boulvardezeitungen beherrschten Markt ist dem 46jährigen Publizisten mit seiner Grundsatzpostille ein kleines Medienmirakel gelungen: Seit Oktober vergangenen Jahres redigiert er ein Wochenblatt, dem es gelingt, in bunter Mischung alle Strömungen radikalkonservativer und rechtsrebellischer Polemik auf insgesamt 24 Seiten zu vereinen. Antiklerikale Nationale und trotz-katholische Moralapostel wettern da beispielsweise Seit’ an Seit’ gegen Gott und die Welt, vornehmlich jedoch gegen den Zeitgeist und die „Gesinnungsdiktatur der political correctness“. Die Themen sind pointiert gesetzt, der Ton der meisten Artikel ist überraschend unverkrampft und in der Regel frei von sektiererischen Untertönen und labyrinthischen Verschwörungstheorien. In der Regel prangern die Autoren nur ihre eigene Bedeutungslosigkeit an.

Bewußt, sagt Mölzer, sei seine Neugründung ein „Nischenmedium“, denn nur rechts von der Mitte finde sich noch eine journalistische Lücke: „Dort gibt es sonst nur Winkelblätter und Obskuranten.“ Er hofft, sein „reines A-Schicht-Publikum“ werde eines Tages den „Diskurs nach rechts erweitern“. Derzeit werde rund ein Viertel der 25 000 Exemplare der Druckauflage verkauft. Ziel ist es, 60 000 Leser zu finden, „die auch ein Hirn haben“.

Die Liste der Mitarbeiter – unter ihnen auch der langjährige Österreich-Korrespondent der FAZ, Andreas Graf Razumovsky, und der Osteuropa-Berichterstatter der Welt, Carl-Gustav Ströhm – füllt problemlos einige Seiten im jährlich aktualisierten Handbuch des Rechtsextremismus. Kein Wunder, daß dem Herausgeber dieses Nachschlagewerkes, dem „Dokumentationsarchiv des Österreichischen Wiederstandes“, in Zur Zeit nachgesagt wird, sein „Tugendterror ist ärger als Metternichs Zensur“. Allerdings gesteht selbst Chefredakteur Mölzer ein, der eine oder andere seiner Jungs habe „irgendwann mit 16 schon einmal ein Pickerl für den Rudolf Hess geklebt“.

Solchen Jugendsünden mißt der neue Paradepublizist der Rechten jedoch nur geringe Bedeutung bei. Sie sind ihm selbst nicht gänzlich fremd. Der Arbeitersohn aus der steirischen Industriestadt Leoben hatte in Graz Geschichte studiert und war über eine Korpsverbindung zum völkisch-nationalen Flügel der FPÖ gelangt, die gerade in der einstigen „Stadt der Volkserhebung“ (NS-Ehrentitel für Graz) zu einem kurzfristigen Höhenflug angesetzt hatte. Historiker Mölzer landete bei der deutschnationalen Studentenschrift Aula, einer Art Zentralorgan volkstreuer Gesinnung, und wanderte bald weiter zum Parteiblatt der Kärtner FPÖ, wo sich gerade ein weiteres freiheitliches Talent die ersten Sporen verdiente. Jörg Haider und Andreas Mölzer fungierten fortan als politisches Gespann. Auf dem Höhepunkt der Zusammenarbeit war der Provokateur aus Leidenschaft Leiter der Parteiakademie und Chefideologe der FPÖ und widmete seinem Parteiführer eine biographische Eloge unter dem Titel Der Eisbrecher. Berühmt wurde er in diesen Jahren mit seiner Warnung vor einer „Umvolkung“ der Heimat.

Allerdings wurde Mölzers fundamentalistisches Formulierungsgeschick immer mehr zur Hypothek für den um Respektabilität bemühten Populisten Haider. Bei einer der zyklischen Parteisäuberungen landete deshalb der Vordenker im Abseits. Heute erteilt seine Beraterfirma dem ehemaligen Freund lediglich gelegentlich strategische Ratschläge.

Der Rausschmiß erwies sich jedoch als unverhoffter Glücksfall, durch den es dem Gefolgsmann gelang, sich zu emanzipieren. Mölzers kritische Kommentare über den Verrat der alten Prinzipien fanden nun ein weit breiteres Echo, als es seiner freiheitliche Kampfpolemik je vergönnt gewesen war. Selbst von liberalen Medien wurde er eingeladen, gegen die opportunistische Stimmenfängerei seines alten Kumpanen vom Leder zu ziehen – und er tat es mit einer spöttischer Unverfrorenheit, die ihm niemand zugetraut hätte. Mölzer wilderte fortan als journalistischer Desperado durch den Blätterwald, instinktsicher stets darauf bedacht, irgend jemanden vor den Kopf zu stoßen.

„Spießertum wandert“

Der mißlungene Versuch, eine Österreich-Ausgabe der Berliner Jungen Freiheit in der Alpenrepublik zu verankern, führte schließlich zur Gründung der eigenen Wochenzeitung, an der das deutsche Mutterblatt noch zu zehn Prozent beteiligt ist (der Rest der Anteile wird hauptsächlich von rechtsorientierten Verlegern gehalten, dem Grazer Stocker-Verlag etwa). Mölzer möchte offen sein „für alles, was nicht links ist“, und versteht sein Journal als spiegelverkehrtes Pendent zu alternativen Publikationen wie beispielsweise der Wiener Stadtzeitung Falter. „Jeder bedient seine Sekte“, sagt er: „Das Spießertum wandert. Heute versammelt es sich um die Religionslehrer, die das Kirchenvolksbegehren unterschreiben.“

Das sind entschieden nicht die Leser, die er mobilisieren möchte. Mölzer ist angetreten, für ewige Werte zu streiten – und dazu zählt, merkwürdig genug für einen Mann des nationalen Lagers, auch das Glaubensdogma katholischer Traditionalisten. „Alles zerstören, was heilig ist“, zeterte unlängst eine Schlagzeile zur österreichischen Kirchenkrise. Daher drohe „neues Heidentum“. Ganz darf man Andreas Mölzer allerdings nicht trauen, daß er tatsächlich auch stets über den Augenblick hinaus meint, was er griffig zu formulieren weiß. Sein Anachronismus hat Methode. „Man muß sich gelegentlich den Luxus leisten“, schmunzelt er, „einen verlorenen Posten zu verteidigen.“

JOACHIM RIEDL

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haGalil onLine: Samstag, 14 Dezember 2013

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