antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info
haGalil onLine - http://www.hagalil.com

  

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
Jüdische Weisheit
 
Archivierte Meldungen aus den Jahren 1995 - 1999
 
Batja Gurfinkel, Überlebende:
«Der Schmerz wird mit den Jahren nicht weniger, eher stärker»

Jerusalem - Auch mehr als ein halbes Jahrhundert nach Ende des Zweiten Weltkriegs sind die Erinnerungen der Holocaust- Überlebenden Batia Gurfinkel kaum verblaßt. «Die zum Leben Verurteilten sind die wahren Opfer des Holocaust. Die Toten sind schon zur Ruhe gekommen», sagt die rundliche, weißhaarige Frau mit den hellblauen Augen in ihrem Haus im Norden Jerusalems. «Der Schmerz wird mit den Jahren nicht weniger, eher stärker.»

Wiedergeboren im Staat der Juden, ging sie daran, ihr Leben neu aufzubauen und zu organisieren. 1955 heiratete sie, gebar drei Kinder. Heute hat sie vier Enkel. «Das ist meine Rache an den Nazis - daß ich überlebt habe und nun in einem eigenen Staat der Juden lebe», sagt sie.

Gurfinkel wurde 1928 als achtes von zehn Kindern einer streng religiösen jüdischen Familie in der Kleinstadt Bendzin im polnischen Teil des damaligen Oberschlesien geboren. Im Herbst 1939 marschierten die Deutschen in ihre Stadt ein. «Als erstes verbrannten die Deutschen die prächtige Synagoge der Stadt und ganze Häuserreihen in umliegenden Straßen», erzählt die lebhafte Frau.

Im Sommer 1942 hieß es dann, alle Familien müßten ihre besten Feiertagskleider anziehen und sich zu einem «Picknick» auf einem zentralen Sportplatz in der Stadt versammeln. «Als wir ankamen, sah ich, daß SS-Männer und Soldaten den ganzen Platz umstellt hatten - alle paar Meter stand einer von ihnen. An Ungehorsam war einfach nicht zu denken».

Dort begann die «Selektion»: «Ich war die einzige von meiner Familie, die nach links geschickt wurde.» Gurfinkel merkte, daß sie nur von Säuglingen und alten und gebrechlichen Menschem umgeben war. «Ich hatte schreckliche Angst und wußte, ich muß etwas tun.» Sie entdeckte eine kleine Lücke in der Reihe der Soldaten.

«Vor mir stand ein ganz junger. Ich sah ihm in die Augen und machte ihm ein Zeichen, er solle mich nicht verraten.» Dann schlüpfte sie durch die Lücke. «Er war so überrumpelt, daß er nicht gleich reagierte. Er schrie 'halt', aber da war ich schon auf und davon. Von allen links Angetretenen habe ich nie wieder etwas gesehen oder gehört.»

Die 14jährige versteckte sich in einem Heuschober und wurde dort Zeugin einer schrecklichen Szene: Einer der deutschen Soldaten drängte einen Mann und dessen kleine Tochter in den Schober. «Er verfluchte und schlug die beiden. Dann vergewaltigte er das Mädchen brutal. Anschließend tötete er sie, indem er sein Bajonett in ihre Schamgegend stieß.» Auch den Vater des Mädchens habe der Deutsche ermordet. «Ich werde nie die offenen schwarzen Augen der beiden vergessen», erzählt Gurfinkel, während sie schluchzend die Hände vor das Gesicht schlägt.

Etwa ein halbes Jahr später wurde Gurfinkel nachts von den Nazis gefangen und kam in verschiedene Zwangsarbeitslager, zuletzt nach Langenbielau in Niederschlesien. «Die Arbeit war sehr hart, zwölf Stunden täglich in einer Textilfabrik. Wir liefen bei Eiseskälte jeweils eine halbe Stunde zur Arbeit und zurück in das Lager.» Die Mädchen und Frauen umwickelten sich die nackten Füße in Holzschuhen mit Zeitungspapier, aber fast alle hatten Erfrierungen.

Eine der intensivsten Erinnerungen Gurfinkels aus der Zeit im Lager ist der Diebstahl ihrer blechernen Eßschüssel. «Das war lebensgefährlich. Ohne Schüssel gab es kein Essen.» Ihre Freundin Renja teilte die Schüssel mit ihr und rettete so ihr Leben. Nachdem sie eine neue Schüssel gefunden hatte, legte Gurfinkel nachts immer den Kopf darauf, damit sie nicht wieder gestohlen werden konnte. «Jahre nach dem Krieg konnte ich nur einschlafen, wenn ich meinen Kopf auf einen Stein legte, es war völlig verrückt», erzählt sie.

Im Januar 1945 wurde das Arbeitslager aufgelöst, die Frauen auf einen Todesmarsch geschickt. «Ein junger SS-Mann hörte mich mit meiner Freundin sprechen und merkte, daß wir wie er aus Oberschlesien kommen.» Der Mann riet den Mädchen, zu fliehen. «Er sagte mir: 'Ihr geht nirgendwo hin, ihr sollt Euch totlaufen'», erzählt Gurfinkel. Noch in derselben Nacht entkamen die beiden und wanderten mehrere Tage und Nächte in klirrender Kälte in ihren Holzpantoffeln durch die Berge des Sudetenlandes. In einem kleinen Ort fanden die beiden schließlich eine Anstellung als Magd. «In diesen Zeiten wurde nicht viel gefragt. Wir gaben uns als polnische Flüchtlinge aus. Die Deutsche, bei der ich arbeitete, war überzeugte Nationalsozialistin.» Die damals 16jährige Gurfinkel nannte sich «Barbara Roth» und verbarg ihre Identität.

Als die Ostfront schon zusammengebrochen war, hörte Gurfinkel ein Gespräch zwischen ihrer Arbeitgeberin und deren Bruder, einem SS- Mann, der in größter Erregung von den Greueln in den Konzentrationslagern erzählte. Der Mann sagte: «Wenn die Rache kommt, dann kommt sie doppelt.» Seine Schwester erwiderte: «Aber was willst du denn, es sind doch nur Juden.» In derselben Nacht erhängte sich der Bruder.

Es sind diese schlaglichtartigen Erinnerungen einer damals 16jährigen, die ihr heute noch den Schlaf rauben. Nach Kriegsende kehrte Gurfinkel in ihre Heimatstadt zurück und hörte, daß fast ihre gesamte Familie in Auschwitz ermordet worden war. Nur eine Schwester und ein Bruder hatten überlebt. Sie machte in Polen noch ihr Abitur, dann emigrierte sie nach Israel.

dpa-0398

Die hier archivierten Artikel stammen aus den "Anfangsjahren" der breiten Nutzung des Internet. Damals waren die gestalterischen Möglichkeiten noch etwas ursprünglicher als heute. Wir haben die Artikel jedoch weiterhin archiviert, da die Informationen durchaus noch interessant sein können, u..a. auch zu Dokumentationszwecken.


Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!
Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!
haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved