Jerusalem/Gaza - Nach neuen Schießereien und
Steinwürfen ist Israels Polizeiapparat wenige Tage vor Beginn der
jüdischen Pessah-Festwoche am Dienstag in hohe Alarmbereitschaft
versetzt worden. Ein führender Vertreter der radikal-islamischen
Hamas-Organisation wiederholte kaum verhohlene Anschlagsdrohungen.
Andere Hamas-Vertreter bekräftigten ihre Drohungen gegen Juden überall
in der Welt. In Flugblättern wurde zu Attentaten auf israelische Bürger
und Anschläge gegen jüdische Einrichtungen in aller Welt aufgerufen.
Die Verlautbarungen der Terrorgruppe wurden am
Mittwoch (08-04-98) im Gazastreifen, im Westjordanland sowie an
israelische Medien verteilt. Die Hamas will sich noch immer für die
Ermordung ihres Chef-Bombenbauers Muhi A Din Al Scharif rächen, obwohl
Ermittlungen der palästinensischen Behörden bereits ergaben, dass Al
Sharif von Leuten aus den eigenen Reihen beseitigt worden war.
In Jerusalem wurde ab Dienstag mit neuen
Zusammenstößen gerechnet, nachdem die Polizei in der Nacht zuvor einen
25jährigen Palästinenser erschossen hatte, der mit seinem
Kleinlieferwagen Halteaufforderungen mißachtet und Polizeisperren
durchbrochen hatte.
In mehreren arabischen Stadtteilen Jerusalems kam es
noch in der Nacht zu Zusammenstößen zwischen israelischen
Grenzpolizisten und Palästinensern, nachdem der Tod des Palästinensers
bekanntgeworden war.
Am Damaskus-Tor der Altstadt bewarfen Palästinenser
Busse der staatlichen Egged-Linien mit Steinen. In der Nähe des
Kalandia-Flüchtlingslagers im Norden Jerusalems - ganz in der Nähe war
der Palästinenser erschossen worden - flogen ebenfalls Steine auf
israelische Busse und Polizeifahrzeuge.
Nach israelischer Darstellung brach der
Palästinenser mit seinem Fahrzeug durch zwei Polizeisperren und rammte
Polizeifahrzeuge während der Flucht. Ihn verfolgende Beamte hätten zwar
auf die Reifen gezielt, dann aber doch den Fahrer tödlich getroffen,
sagte Jerusalems Polizieichef Jair Jitzhaki im israelischen Rundfunk.
Ein Beifahrer sei zu Fuß entkommen. Es werde
untersucht, ob die beiden in die Vorbereitung von Terrorakten verwickelt
seien, teilte die Polizei später mit. Untersucht werde aber auch, ob der
Palästinenser vielleicht deshalb geflüchtet sei, weil er keinen
Führerschein besaß.
Zu Fragen Anlaß gab auch die
Ermordung eines 50 Jahre alten Palästinensers in der Nähe der
palästinensischen Polizeistation in Ramallah. Der Mann, den
Palästinenserpolizei verdächtigte, verbotenerweise Land an Israelis
verkauft zu haben, wurde mit mehreren Kopfschüssen aufgefunden.
Nach mehreren Tagen Haft und Vernehmung durch die
Palästinenserpolizei hatte er nach Darstellung der Zeitung «Al Kuds» am
Montag noch seinen Bruder angerufen und seine Rückkehr angekündigt. Er
kam aber nie zu Hause an.
Im vergangenen Jahr hatte die Palästinenserbehörde
einen aggressiven Feldzug gegen Personen begonnen, die des Landverkaufs
an Israelis verdächtigt wurden. Obwohl mehrere Immobilienhändler
ermordet aufgefunden wurden, dementierte die Palästinenserpolizei stets,
irgendetwas mit diesen Morden zu tun zu haben.
Unter massive Kritik gerieten die
Palästinenserpolizei und die palästinensische Autonomiebehörde am
Dienstag durch die radikal-islamische Hamas-Organisation. Hamas-Sprecher
Abdel Asis Rantisi warf der von Jassir Arafat geleiteten Behörde massive
Verfolgung vor. In einer Rede vor demonstrierenden Hamas-Anhängern sagte
Rantisi in Gaza, 250 Hamas-Leute seien in den vergangenen Tagen von
Palästinenserpolizei festgenommen worden.
Rantisi wies erneut die Feststellungen der
Palästinenserpolizei vom Vortag zurück, nach denen der Tod des
Hamas-Chefbombenbauers Muhi A Din Al Scharif vor einer Woche auf interne
Hamas-Rivalitäten zurückzuführen sei. «Die von der Autonomiegebörde
aufgetischte Geschichte ist nicht zu akzeptieren. Sie hat lauter
Löcher», sagte Rantisi.
Wenig später sagte Rantisi zu Reportern, die
Palästinenserpolizei habe Folter gegen die festgenommenen Hamas-Leute
aus der Umgebung des Bombenbauers angewandt. Irgendwelche Geständnisse
seien Folgen dieser Folter und daher nicht ernstzunehmen. Die
Organisation gehe nach wie vor davon aus, daß Israel in die Ermordung
Scharifs verwickelt sei, sagte Rantisi. Er wiederholte, seine
Organisation werde sich an Israel rächen für die Ermordung des
Bombenbauers.
Quellen: dpa / ap / haArez