SZ: Herr Blumenthal, am Wochenende soll auf
einer Tagung in Berlin über die Zukunft des Jüdischen Museums diskutiert
werden. Was erwarten Sie sich von diesem Kolloquium?
Blumenthal: Nachdem die gesetzlichen Grundlagen
geklärt sind, werden wir uns mit der Frage befassen, was das Museum
darstellen und was darin vermittelt werden soll. Was ist die Geschichte,
die man dem Besucher erzählen will, und woran soll das Museum erinnern?
Wenn das geklärt ist, wird man sich mit der Frage auseinandersetzen
müssen, wie man diese Geschichte erzählt, mit welchen Methoden sie
dargestellt werden soll. Die Konferenz wird eine von mehreren
Gelegenheiten sein, die wir wahrnehmen wollen, um jene, die an dem
Museum interessiert sind, an der Diskussion zu beteiligen. Es werden
weitere folgen.
In der letzten Woche haben Sie mit dem Senat
den langjährigen Streit um den Status der Museums beigelegt. Wie wird
die Autonomie garantiert?
Das Museum wird vollkommen autonom sein. Wir haben
genau definiert, wie sich das gestalten wird. Der außergewöhnliche
Libeskind-Bau, der zerbrochene Davidstern, wird als Jüdisches Museum
genutzt werden. Dessen Direktor wird der alleinige Hausherr sein und
frei über seinen eigenen Etat verfügen. Dabei wird ihm ein eigener
Stiftungsrat mit separatem Beirat zur Seite stehen. Die Rechtsform wird
zwar eine unselbständige Stiftung sein, aber das wird den Direktor nicht
einschränken in seiner absoluten Handlungsfreiheit, was
personalpolitische Entscheidungen betrifft. Diese Regelung soll
gesetzlich verankert und bis Ende Mai verabschiedet werden.
Wie wird das Verhältnis vom Jüdischen Museum
zum Stadtmuseum in Zukunft aussehen?
Es wird Gemeinsamkeiten geben, die schon durch den
Bau begründet sind, zum Beispiel durch den Eingang, die Garderobe und
das Restaurant. Es wird für das Jüdische Museum und das Stadtmuseum
einen Vorstand geben, der aus den beiden Direktoren besteht, und die
alle Fragen regeln werden, die beide betreffen. Wenn es dabei zu
Meinungsverschiedenheiten kommt, wird der Kultursenator entscheiden.
Aber ich glaube nicht, daß das nötig sein wird. Reiner Güntzer vom
Stadtmuseum und ich, wir verstehen uns sehr gut.
Ihr Vorgänger hatte all dies gefordert, aber
nicht durchsetzen können. Wie haben Sie es geschafft?
Eines meiner Hauptargumente im Gespräch mit den
Berliner Politikern läuft darauf hinaus, daß die Ideen für das Museum
aus den achtziger Jahren sinnvoll waren, aber daß die Welt sich seitdem
grundlegend gewandelt hat. Berlin hat sich verändert und wird demnächst
wieder Hauptstadt sein; insofern war es erforderlich, die Konzeption des
Museums zu überdenken.
Nun hat der Senat zwar 140 Millionen Mark für
den Bau des Museums ausgegeben, das im nächsten Jahr eröffnet werden
soll, aber eine Anschlußfinanzierung ist nicht vorgesehen.
Natürlich hat sich auch die finanzielle Situation
Ende der neunziger Jahre gewaltig verändert. Man muß einen separaten
Etat aufstellen, der mindestens dem entsprechen muß, was man mit diesem
aufregenden Bau zeigen will. Schon heute ist es so, daß dieser schöne
Bau erwähnt wird, wenn international von Berlin und Kunst die Rede ist.
Wir sind gerade dabei zu skizzieren, in welcher Größenordnung sich die
Finanzen bewegen werden.
Berlin ist aber heute viel ärmer als vor zehn
Jahren.
Die Kosten werden mit Sicherheit höher sein als
Berlin sich das je erträumt hat, und ich weiß, daß die Stadt kein Geld
mehr hat. Dies wird aber nicht nur das größte Jüdische Museum in
der Bundesrepublik, sondern auch in Europa sein. Berlin wird
seine Verantwortung schon wahrnehmen müssen, aber andere werden
mithelfen müssen, da denke ich an den Bund. Nicht zuletzt wird man sich
um private Sponsoren und Unternehmen bemühen müssen. Das Geld sollte aus
allen drei Quellen kommen, wobei Berlin aber den Hauptanteil übernehmen
muß.
Ein weiteres Problem ist, was denn in dem
Prachtbau ausgestellt werden soll.
Sobald wir wissen, was wir dem Besucher vermitteln
wollen, kann man die Objekte sammeln, die diese Geschichte erzählen
werden. So hat man das auch mit dem Holocaust-Museum in Washington
gemacht. Dazu kann man auch Repliken verwenden, man kann Filme zeigen.
Es muß eine Bibliothek und ein Archiv geben. Das Museum muß ein
pädagogisches Zentrum werden. Es soll späteren Generationen von
Deutschen die Geschichte der deutschen Juden erzählen. Es soll die
deutsch-jüdische Symbiose erhellen, aber auch die damit verbundenen
Mißverständnisse und ihr Scheitern. Es soll die Menschen nachdenklich
machen und nicht vor den Kopf stoßen. Es soll aber auch Grundsätzliches
ausdrücken zum Verhältnis von Mehrheiten und Minderheiten, was ein
wichtiges Thema im 21. Jahrhundert sein wird.