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Warum deutsche Arbeitslose stillhalten

Viele sehen ihre Lage als individuelles Schicksal und scheuen öffentlichen Protest

Von Marc Hujer 

In Deutschland gibt es 5 Millionen registrierte Arbeitslose. Doch man sieht sie nicht. Das Massenphänomen ist nur wahrnehmbar in Sonntagsreden, Statistiken und an den steigenden Sozialabgaben auf den Lohnzetteln. Zwar gibt es in Deutschland inzwischen etwa 1500 Initiativen, die sich um Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger kümmern und deren Interessen artikulieren wollen, doch organisierte Proteste wie in Frankreich gibt es hierzulande praktisch nicht. Cora Molloy, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfe-Initiativen in Frankfurt ist schon stolz, wenn sie – wie vor drei Jahren in Bonn – einmal 3500 Arbeitslose zum Demonstrieren auf die Straße bekommt. Gemerkt hat das aber kaum jemand, geschweige denn, daß es jemanden interessiert hätte.

Der ehemalige Arbeitsminister Herbert Ehrenberg (SPD) sieht im technischen Fortschritt in den Arbeitsämtern mit einen Grund dafür, daß „das Millionenheer der Arbeitslosen heute nicht mehr in Erscheinung tritt“. In der Weimarer Republik, in der es ähnlich hohe Arbeitslosenzahlen gab wie heute, mußten die Betroffenen noch „stempeln“ gehen, um ihre knapp bemessene Arbeitslosenunterstützung bar ausgezahlt zu bekommen. Heute werde ihnen das Geld dagegen nach dem Ausfüllen eines Fragebogens aufs Konto überwiesen. Das sei zwar erfreulich, habe aber zur Isolation der Arbeitslosen beigetragen, meint Ehrenberg.

Für Cora Molloy ist dies jedoch nicht das eigentliche Problem. Auch wenn die Arbeitslosen seit dem 1. Januar gesetzlich verpflichtet sind, sich alle drei Monate auf dem Arbeitsamt zu melden, werde sich daraus eine stärkere Protestbereitschaft nicht entwickeln, glaubt sie. Entscheidender sei, daß die Betroffenen die Massenarbeitslosigkeit nicht als solche, sondern als individuelles Schicksal betrachteten. „Die Leute sagen: Ich bin arbeitslos, weil ich damals den Abschluß nicht gemacht habe, weil ich damals geheiratet habe und das und jenes nicht gemacht habe.“ Sie glaubten, daß es für sie ohnehin keine Lösung mehr gebe. „Diese Einstellung mobilisiert nicht gerade zum Widerstand, sondern führt zur Selbstzerfleischung“, sagt die Geschäftsführerin des Dachverbandes der insgesamt 92 Sozialhilfe-In-iniativen in Deutschland. Harald Rein von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Initiativen gegen Arbeitslosigkeit und Armut in Deutschland hält es vor diesem Hintergrund auch nicht für erstaunlich, daß bisher trotz der Fülle der Möglichkeiten sich nur ein Prozent der Arbeitslosen den unterschiedlichen Initiativen aktiv angeschlossen hat.

Auch bei spontanen Protestaktionen sieht es nicht anders aus. Sie scheitern oft schon am fehlenden Geld. Gerd Novatscheck von der „Arbeitslosen-Initiative 2000“ (Ai 2000) beklagt etwa, daß die Arbeitslosen häufig nicht einmal das Fahrgeld hätten, um an einer Demonstration teilzunehmen. Auch Uwe Kantelhardt von der Koordinationsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen klagt über mangelnde finanzielle Unterstützung und gibt dafür die Schuld den Gewerkschaften. „Wir sind mit den Gewerkschaften nicht zufrieden“, sagt Kantelhardt. Abgesehen von der finanziellen Unterstützung mangele es auch an ideellem Beistand. Die Gewerkschaften hätten sich auf die „tödliche Entwicklung“ eingelassen, sich in ihrer Arbeit auf die Beschäftigten in den Betrieben zu konzentrieren. Indem sie mit Politik und Wirtschaft immer wieder ein neues Bündnis einzugehen versuchten, würden sie ständig „deeskalieren“. Es reiche aber nicht mehr aus, den „Arbeitslosen weiter das Händchen zu halten und mit ihnen Lieder zu singen“, sagt Kantelhardt. In Frankreich hätten Gewerkschaften und Arbeitslose gemeinsam das Signal gegeben, daß es so nicht weitergehen könne.

Copyright © 1997, 1998 - Süddeutsche Zeitung.

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