"Schaden
für Israel begrenzen"
Scharons Konzept für den
Rückzug aus den Palästinensergebieten
Die überdimensionalen
Landkarten, die die Assistenten des israelischen Infrastrukturministers
Ariel Scharon zur Verdeutlichung von dessen Sicherheitskonzept hinter
ihm herschleppen und an strategischen Punkten des Westufers entrollen,
zeigen den aktuellen Flickenteppich der A-, B- und C-Zonen nach dem
Hebron-Abkommen vom Januar 1997.
Scharon ist seinen
Sicherheitsvisionen, trotz aller politischen Entwicklungen,
bemerkenswert treu geblieben. Die 150 jüdischen Siedlungen, die seit
Ende der 70er Jahre angelegt wurden, entsprechen genau den Vorhaben des
ehemaligen Verteidigungs- und Bauministers. Sein Plan steht im Zentrum
der Kabinettsberatungen über das Ausmaß eines weiteren Truppenrückzugs
und der Formulierung israelischer Sicherheitsbedürfnisse vor den
Verhandlungen über eine permanente Lösung mit den Palästinensern.
Zwei „lebenswichtige“
Sicherheitszonen sind auf den Landkarten des Westufers markiert: ein
sieben bis zehn Kilometer breiter, 300 Kilometer langer Streifen auf den
Höhen im Westen, entlang der israelisch-jordanischen
Waffenstillstandslinie von 1949, und ein 20 Kilometer breiter, 100
Kilometer langer Streifen parallel zum Jordan im Osten. Die Zonen sind
durch zwei Schnellstraßen verbunden.
Von der westlichen
Zone überblickt man an klaren Tagen die gesamte Küstenebene von Haifa
bis Aschkelon. Die Mittelmeerstädte Aschdod, Tel Aviv, Herzliya, Natanya
und Hedera, der Flughafen Ben-Gurion und drei Kraftwerke sind sichtbar.
Die breitere Zone im Osten umfaßt das gesamte Jordantal mit den
jüdischen Siedlungen und würde einen potentiellen Palästinenserstaat vom
Haschemitischen Königreich Jordanien trennen.
„Die Palästinenser
dürfen nie wieder am Jordanufer sitzen, denn von dort aus könnten sie
die jordanische Monarchie unterwandern und stürzen“, betont Scharon.
Freimütig gesteht er, sein Konzept „Jordanien ist Palästina“, das die
östlichen Nachbarn in den 80er Jahren so erboste, seit dem
Friedensvertrag mit Amman aufgegeben zu haben. Seine neue Erkenntnis:
„Israel und Jordanien haben gemeinsame strategische Interessen gegenüber
dem Irak, Iran und Saudi-Arabien.“ Israels Armee müsse totale Kontrolle
behalten. Die Palästinenserverwaltung würde für Erziehung, Gesundheit
und andere zivile Bedürfnisse der nichtjüdischen Bewohner sorgen,
während weitgehende Bewegungsfreiheit für die Palästinenser angestrebt
sei: durch ein Netz von Tunnels, das die palästinensischen Dörfer und
Städte im israelisch-kontrollierten Gebiet verbinden soll. Die
Sicherheitszonen würden der Armee helfen, mit dem palästinensischen
Staat in den dazwischenliegenden Gebieten fertigzuwerden, dessen
Gründung Scharon für „unvermeidlich“ hält: „Die Osloer Abkommen bedeuten
palästinensische Staatlichkeit, wenn wir das auch bedauern. Die
Palästinenserbehörde hat diplomatische Vertretungen in hundert Staaten,
Armee, Gerichte, Gefängnisse und Pässe, die weltweit anerkannt werden.
Wir müssen realistisch sein und den Schaden für Israel begrenzen.“
Palästinenser
reagierten generell positiv, wenn sie mit klaren Plänen und deutlichen
roten Linien konfrontiert würden; sie würden sich in der nächsten
Rückzugsphase sogar mit weniger begnügen, wenn sie verläßliche Zusagen
für die Endphase bekämen, versichert Scharon. „Im Gegensatz zu anderen
Ministern macht Scharon immensen Eindruck auf die Palästinenser“,
schwärmt sein Sprecher, „sie wissen eine eindeutige Position durchaus zu
schätzen.“
Anne Ponger, SZ vom 11.12.1997
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