Wasserkrise:
Das gelobte Land trocknet aus
In der schlimmsten Wasserknappheit seiner Geschichte rufen
Israels Regierung und Behörden die Bewohner zum Sparen auf - dabei sind es
gar nicht sie, die es am schlimmsten trifft.
Von Thorsten Schmitz
Milch und Honig fließen in Israel zur Genüge. Aber das Wasser wird knapp.
"Israel vertrocknet" plakatiert die staatliche Wassergesellschaft seit
Oktober landesweit.
In dramatischen Videoclips, die jeden Abend auf allen Fernsehsendern des
Landes ausgestrahlt werden, appelliert die Behörde, man möge Wasser sparen -
und etwa den Brauch einstellen, sich morgens und abends zu duschen.
In einem Clip klärt ein bekanntes Fotomodell in ihrer Penthousewohnung auf,
wie viel Wasser sich sparen lässt, wenn Israelis ihre Gärten nur zehn
Minuten weniger bewässerten. Während sie redet, vertrocknet sie selbst. Ihre
Haut auf dem Bildschirm bekommt Risse und sieht am Ende aus wie der Boden
ausgetrockneter Seen.
Israels Infrastrukturminister Benjamin Ben-Elieser bezeichnet die Lage als
katastrophal. 2008 gilt bereits als das trockenste Jahr seit Aufzeichnung
des Wetters in Israel. Prognosen zufolge soll es auch in diesem Winter
weniger regnen als früher. Bereits im Winter 2007/2008 fielen nur 65 Prozent
der üblichen Regenmassen auf Israel, das nur sehr kurze Winter kennt und
lange, heiße, völlig regenlose Sommer.
Der Chef der israelischen Wasserbehörde, Professor Uri Schani, warnt, dass
Israel vom kommenden Jahr an die Bewässerung öffentlicher Grünflächen und
Parks einstellen müsse: "Wir werden dann ein braunes Israel sehen. Nichts
wird mehr blühen." Schani spricht von der schlimmsten Wasserkrise seit
Gründung Israels vor 60 Jahren. Die Meteorologen hätten in der Vergangenheit
einen dramatischen Wandel des Klimas registriert.
Der ohnehin kurze Winter sei nun nur noch auf die Monate Januar und Februar
beschränkt, zudem fielen die Regenfälle kürzer aus. Schuld am Wassermangel
seien einerseits die Dürre, andererseits aber auch die steigenden
Bevölkerungszahlen und die Landwirtschaft. Im kommenden Jahr müssen die
Bauern mit drastischen Wasserkürzungen rechnen.
Infrastrukturminister Ben-Elieser erklärte, es mache keinen Sinn, dass
Israel wasserintensive Früchte und Gemüse wie Bananen und Tomaten in alle
Welt exportiere und dabei in Kauf nehme, auszutrocknen. Tatsächlich machen
die Obst- und Gemüse-Exporte nur zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus,
verbrauchen aber 60 Prozent des jährlichen Frischwasserbedarfs in Israel von
insgesamt zwei Milliarden Kubikmeter. Die Wasserkürzungen, kritisieren
Vertreter der Landwirte, kämen einem "Todesstoß" für die Landwirtschaft
gleich.
Kritiker der Sparmaßnahmen werfen der Regierung vor, Maßnahmen gegen die
Wasserkrise von Jahr zu Jahr zu verschleppen. So habe es Israel versäumt,
rechtzeitig genügend Meerwasserentsalzungsanlagen zu errichten. Der
schleppende Bau dieser Anlagen hängt auch mit den komplizierten
Genehmigungsverfahren zusammen, die durch alle zwei bis drei Jahre
stattfindende Wahlen zusätzlich hinausgezögert werden.
Derzeit gibt es zwei Meerwasserentsalzungsanlagen in Israel, die rund 150
Millionen Kubikmeter Frischwasser liefern. Umweltgruppen in Israel
kritisieren allerdings die Verwendung von Meerwasserentsalzungsanlagen als
einzigen Ausweg aus der Wasserknappheit. Die Anlagen verbrauchen große
Mengen von Strom, der durch Kohlekraftwerke produziert wird, die das Klima
weiter erwärmen.
Seinen Durst stillt Israel vor allem durch sein Hauptwasserreservoir, den
See Genezareth, der vom Jordan gespeist wird. Der Wasserpegel sinkt
kontinuierlich. Die staatliche Wassergesellschaft "Mekorot" hat bereits im
Sommer die Menge reduzieren müssen, um zu verhindern, dass das ökologische
Gleichgewicht des Sees kippt.
Noch härter als die Israelis trifft die Dürre die Palästinenser. Sie sind
auf die Mengen von Wasser angewiesen, die ihnen Israel zur Verfügung stellt.
Und die sind, verglichen mit dem, was Israelis verbrauchen, äußerst gering.
Im Durchschnitt verfügt ein Israeli über bis zu 380 Liter Frischwasser am
Tag. Einem Palästinenser im Westjordanland stehen dagegen nur höchstens 70
Liter zur Verfügung.
Israel hat im Sechs-Tage-Krieg von 1967 mit dem Westjordanland auch die
unter ihm liegenden Grundwasserquellen erobert. Das Wasser aus den Tiefen
des Westjordanlandes versorgt die etwa 120 jüdischen Siedlungen, aber auch
die zwei Millionen Menschen in der Dan-Region im Großraum Tel Aviv. Wenn
Palästinenser einen Brunnen bohren wollen, müssen sie Israel um Genehmigung
bitten. Fast immer, so die israelische Menschenrechtsgruppe "Betselem" in
ihrem jüngsten Wasserreport, verweigere Israel die Bohrung. Mit dem
Ergebnis, dass viele Palästinenser Frischwasser von privaten
Wasserlieferanten kaufen müssten, das sechsmal teurer ist als Israels Wasser
von der staatlichen "Mekorot". In der Not werden wilde Brunnen gebohrt, die
jedoch oft die Reinheit des Grundwassers gefährden.
Das Grundwassers des Westjordanlandes ist aber schon bedroht durch die
Abwässer der Palästinenser und der jüdischen Siedler. Nur 40 Prozent der
palästinensischen Haushalte im Westjordanland und nur knapp 20 Prozent der
jüdischen Siedlungen sind an eine Kanalisation angeschlossen. Die meisten
Abwässer der zwei Millionen Palästinenser und der 270.000 jüdischen Siedler
im Westjordanland versickern ungeklärt. |