Lauterbach als marokkanischer Jude:
"Fast ganz normal"
In Tel Aviv und Jerusalem entsteht für das ZDF der erste
israelisch-deutsche Fernsehkrimi.
Von Thorsten Schmitz
Heiner Lauterbach und Maria Schrader laufen auf der
Strandpromenade von Tel Aviv entlang, und ihre ernsten Gesichter wollen
nicht zum Bilderbuchtag passen.
Der Himmel ist blau, das Mittelmeer türkis, doch Lauterbach und Schrader
streiten sich. So heftig, dass Schrader die Wut packt und nach ein paar
Wortwechseln Lauterbach in der frühen Morgensonne stehen lässt. Die Szene
wiederholt sich noch ein paar Mal. Immer wieder laufen Schrader und
Lauterbach mit versteinerten Gesichtern die Promenade entlang, die gerade
erst renoviert wurde, weil Tel Aviv im kommenden Jahr seinen 100. Geburtstag
feiert. Morgens herrscht am Strand von Tel Aviv Hochbetrieb, aber keiner der
Jogger und Schwimmer bleibt stehen und interessiert sich für die
Dreharbeiten. Schrader und Lauterbach passen so gut ins Szenenbild, als
hätten sie nie etwas anderes gemacht, als in Israel vor der Kamera zu
stehen.
Seit Anfang November dreht das ZDF in Jerusalem und Tel Aviv einen Krimi,
der auf einem der vielen auch ins Deutsche übersetzten Romane der
israelischen Schriftstellerin Batya Gur basiert. Der blumige deutsche
Buchtitel "Denn die Seele ist in deiner Hand" (im hebräischen Original heißt
es unprätentiös "Mord an der Bethlehemer Straße") könnte dabei in die Irre
führen. Schrader und Lauterbach sind nicht die Stars in einem Horrorfilm,
sondern Protagonisten in einer deutschen Produktion, in der durch den Mord
an einer Anwaltsassistentin die Zerrissenheit in der israelischen
Gesellschaft thematisiert wird.
Lauterbach spielt die Hauptrolle, den in sich gekehrten Chefermittler der
Jerusalemer Mordkommission Michael Ochajon. Im Buch verwendet die früh
verstorbene Gur das Mordmotiv, um die gesellschaftliche Kluft zwischen
osteuropäischen (aschkenasischen) und aus dem Orient stammenden Juden (Sepharden)
in Israel zu beschreiben. Die getötete Anwaltsgehilfin war eine Jemenitin,
die eine Liebesaffäre mit einem osteuropäischen Juden unterhalten hatte.
Lauterbach sagt, dass ihn das Thema des Krimis, der Streit zwischen den
europäischen Aschkenasen und den orientalischen Sepharden in Israel, sehr
interessiert habe. Im ZDF-Krimi würden nicht nur touristisch schöne Plätze
abfotografiert wie in anderen im Ausland spielenden Krimis, sondern
israelische Alltagsszenen gezeigt, die vielen Deutschen gar nicht bekannt
seien.
Nach fast vier Wochen ist Lauterbach so braungebrannt im Gesicht, dass er
"als marokkanischer Jude durchgehen kann", wie die israelischen
Maskenbildnerinnen anerkennend anmerken.
Regisseur Peter Keglevic ist begeistert von Lauterbachs Spiel in Israel. In
einer der vielen Drehpausen an der Küste von Tel Aviv schwärmt er: "Heiner
zeigt uns eine völlig neue Seite, die man in Deutschland von ihm kaum kennt.
Er ist warmherzig, melancholisch, aufmerksam. Er geht einem anrührend zu
Herzen." Dass ausgerechnet ein deutsches Filmteam in Israel einen Roman
einer der populärsten israelischen Schriftstellerinnen dreht, findet
Keglevic 41 Jahre nach Beginn der deutsch-israelischen Beziehungen "fast
ganz normal". Die jüngere Geschichte sei natürlich präsent, aber sie sei
kein Hindernis beim Krimidrehen in Jerusalem und Tel Aviv.
Dabei behilflich ist sicherlich auch Maria Schrader, die sich so sicher in
Israel bewegt, als sei Tel Aviv nur ein Stadtteil von Berlin, wo sie lebt.
Schrader ist oft in Israel, hat hier selbst vor zwei Jahren ihren ersten
Spielfilm gedreht, Liebesleben nach einem Roman der israelischen
Schriftstellerin Zeruya Shalev, mit der sie eine enge Freundschaft
verbindet. Wenn man mit Schrader in der Pause spricht, könnte man sie
genauso gut für einen israelischen Location Scout halten, der passende
Drehorte sucht: "Schade, dass wir heute hier in diesem Lokal drehen. Ich
dachte, wir drehen im (angesagten, d. Red.) Manta Ray, da kann man so toll
sitzen." Im israelischen Team, sagt Regisseur Keglevic, seien viele sicher
gewesen, dass Schrader jüdisch sei. Für Schrader ist der Auftritt im
ZDF-Krimi aus Israel vor allem auch eine "Entspannung", weil sie diesmal vor
der Kamera steht und nicht wie bei Liebesleben unter Hochdruck hinter der
Kamera. Heiner Lauterbach sagt, er finde seine Rolle reizvoll, auch weil Gur
als Sprachrohr der Linken nicht unumstritten gewesen sei.
In den freien Stunden hat Lauterbach seine Israel-Eindrücke aufgefrischt von
einer ersten Reise in den achtziger Jahren. Dabei sind ihm die
Menschenmassen aufgefallen. Bei einem Besuch in der Grabeskirche in der
Altstadt von Jerusalem hat er sich über den Lärm und das Gedränge dort
geärgert. Aber das sei eben der Unterschied zwischen Europa und Orient.
Keglevic sagt, es wäre natürlich einfach gewesen, den Krimi ausschließlich
im pittoresken Jerusalem und Tel Aviv spielen zu lassen, in dem man die
Grabeskirche, die goldene Kuppel des Felsendoms oder die Skyline von Tel
Aviv zeigt. Aber der Krimi spiele schließlich nicht in Venedig. So sei man
sich im ZDF einig gewesen darüber, dass man nicht nur das Postkarten-Israel
zeigen wolle, sondern auch das alltägliche, politische.
In einer Szene fährt Kommissar Lauterbach in seinem Auto auf eine Tankstelle
zu, und im Hintergrund sieht man eine der deutlichsten Narben des
Nahost-Konflikts: Die acht Meter hohe Betonmauer, mit der Israel sich vor
palästinensischen Terroristen schützt und durch die Palästinenser sich
eingesperrt fühlen. |