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Igal Avidan ist ein Insider mit dem klaren Blick des Außenseiters: Pointiert und prägnant beschreibt der in Deutschland lebende israelische Journalist Igal Avidan die mentale Infrastruktur seines Heimatlandes. Der Bericht - eine Mischung aus Reportage und politischer Analyse - offenbart, welche Gräben säkulare Juden von Arabern und ultraorthodoxen Juder heute trennen.
Er zeigt anhand von über sechzig Interviews und eigenen Hintergrundrecherchen, wie Israel mit seiner Definition als jüdischer und demokratischer Staat ringt. Die einen errichten Mauern und Zäune zu den Nachbarn, die anderen bauen Brücken zu ihnen. Besonderes Augenmerk gilt jenen mutigen Israelis denen es um eine gerechtere Gesellschaft und um den Schutz der Minderheiten im Land geht.
Sein Gespür für Entwicklungen und Chancen zeigte sich auch in der Auswahl seiner Partner: So sprach er auch mit Tzvia Greenfield, die inzwischen erste ultra-orthodoxe Jüdin ist, die als Abgeordnete ins israelische Parlament einzog.

Die Jerusalemer Politologin Tzvia Greenfield:
Eine Orthodoxe mit Schattierungen

Igal Avidan
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Der Morgen des 8. November 1995 hat das Leben der orthodoxen Jerusalemer Politologin Tzvia Greenfield verändert. In der Nacht zuvor, gegen 22 Uhr, ging sie mit ihrem Mann und einigen ihrer fünf Kinder zum israelischen Parlament, um dem zwei Tage zuvor ermordeten Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin am Sarg die letzte Ehre zu erweisen.

"Ich dachte, dass wir in zwei Stunden wieder zu Hause sein würden, aber am nächsten Morgen standen wir immer noch dort, zusammen mit Tausenden Israelis. In ihrem Buch Sie haben Angst beschreibt sie die Szene:

"An jenem Montag ließen immer mehr Menschen ihr Tun sein und gingen zum Ram-Hügel in Jerusalem, um dem Ermordeten ihre Trauer und ihr Beileid auszudrücken, ihren Schock, Schmerz und Horror über das Verbrechen. Zehntausende aus ganz Israel blockierten den Weg ins Parlamentsgebäude. Auf dem Hügelgipfel gingen sie eilig an dem mit der israelischen Fahne umhüllten Sarg vorbei. Die riesige Menschenmenge bildete schweigend eine Schlange entlang des Hügelrands. Mit dem faden Licht des Morgengrauens kamen die ersten Schaulustigen, die meisten Ultraorthodoxe aus den benachbarten Stadtteilen. Sie gingen eilig vorbei und schauten die stillen Massen erstaunt und aus einer Distanz an, vor allem die wenigen Betenden mit Kippa und Tefillin. Sie bemühten sich zu begreifen, was diese Religiösen mit der großen Masse der Säkularen gemeinsam haben könnten.

Plötzlich nähert sich einer Gruppe von Betenden ein etwa 30-jähriger Ultraorthodoxer mit einem langen schwarzen Mantel und rundem Hut, und spricht sie an. Es schien, als ob er ihnen eine Moralpredigt hält und sie zu überreden versucht. Ein Betender macht eine scharfe Handbewegung aus Wut. Der Ultraorthodoxe zuckt zurück und wird still. Das Gebet wird fortgesetzt. Dann macht der Mann zwei Schritte zu ihnen, beugt sich nach vorne, erhebt sein blasses Gesicht zu der Betergruppe und ruft zu ihnen laut in glühendem Zorn: "Rabin ist ein Mörder! Rabin ist ein Mörder!"

An jenem Morgen beschloss Greenfield, in die Politik zu gehen, um als streng orthodoxe Jüdin für liberale Werte und Demokratie zu kämpfen. Sie schrieb ein kritisches Buch, in dem sie den Antizionismus der Ultraorthodoxen anprangerte. Der Erfolg ihrer schonungslosen Abrechnung war umso größer, weil von einem Insider geschrieben. Aber als eine linke Orthodoxe, die ihre Thesen gegen die eigene Gruppe intelligent und mutig in aller Öffentlichkeit darstellt, wurde sie zu einem Hassobjekt bei vielen Religiösen und Orthodoxen, zu einer Verräterin, die es daher zu diskreditieren galt.

Tzvia Greenfield sei gar keine Orthodoxe, hieß es, denn sie habe zu Hause einen Hund. Greenfield seufzt: "Es ist sehr schwer, einer soziologischen Gruppe anzugehören, die keine Haustiere hält. Hunde gelten als unreine Tiere und dürfen daher nicht in die Synagoge. Aber das Haus ist keine Synagoge." 17 Jahre lebte Greenfield zusammen mit der Hündin Laddy, die vor drei Jahren starb, was Greenfield wieder die Rückkehr ins orthodoxe Judentum hätte ermöglichen können. Aber die Familie nahm stattdessen Bellow auf, die Hündin des Sohnes, der in den kommenden drei Jahren in Oxford studiert. Die Briten lehnen ausländische Hunde fast so streng ab wie orthodoxe Juden. Der unkoschere Hund mit dem literarischen Namen Bellow kommt mit der charismatischen Straßenkatze Boban sehr gut zurecht. Greenfield ist eben ein politischer Mensch mit einem Herz für Tiere. Sie ist auch Vorsitzende des von ihr gegründeten Vereines "Für den Lebenden" [Lemaan Hachai], der für abgelehnte Haustiere ein Zuhause vermittelt. Woher kommen so viele ausgesetzte Tiere in einem orthodoxen Stadtteil Jerusalems? "Von Juden, die gerade orthodox wurden."

Auch die fünfjährige Paulette liebte ihren kleinen Hund. Bei einem deutschen Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg verlor das französische Mädchen ihre beiden Eltern und das Hundchen. Während sie den toten Welpen streichelte, kam der zehnjährige Michel und die beiden befreundeten sich. Er nahm sie mit auf den Bauernhof, wo er seine Eltern überredete, das Waisenkind aufzunehmen. Michel hat Paulette geholfen, mit ihrer Trauer fertig zu werden, indem er ihr half, den toten Hund zu begraben. Die beiden Kinder sammelten andere tote Tiere und begannen einen Tierfriedhof anzulegen, wobei sie die Kreuze aus dem lokalen Kirchhof stahlen.

Das Jerusalemer Filmtheater Edison war eine prachtvolle Kulturstätte mit bemerkenswerten Kronleuchtern und einem riesigen Samtvorhang. Nur hier konnten sich 1957 Paulette und Tzvia begegnen - für Greenfield eine prägende Erfahrung. Denn das Kino gehörte ihrem Onkel und die beiden Kassiererinnen waren ihre Tanten. "So konnte ich jede Woche hier umsonst einen neuen Film sehen, manchmal sogar dreimal. Im Edison verbrachte ich einen Großteil meiner Kindheit." An einer Szene aus Rene Clements Klassiker Verbotene Spiele erinnert sie sich auch heute noch: "Gleich nach der Ermordung ihrer Eltern spricht das Mädchen ein Gebet aus dem Buch der Psalmen. Diese Szene hatte mich sehr aufgewühlt und schockiert, weil das Mädchen mit einem Kreuz spielte und daher erkennbar keine Jüdin war. Plötzlich stellte ich fest, dass uns beide der Glaube an Gott verbindet, denn diesen Psalm sangen wir in unserer Familie jeden Shabbat Nachmittag während der dritten Mahlzeit, und er war Teil meiner persönlichsten religiösen Erfahrung." Dass ein orthodoxes Mädchen ins Kino geht, war schon damals absolut ungewöhnlich. Greenfields Eltern waren nicht begeistert, "aber die beiden Tanten wollten, dass wir ungewöhnliche Kinder werden. Ich als Jüngstes von fünf Kindern habe auch die meisten Filme gesehen - französische und amerikanische - und so eine ganz neue Welt entdeckt." Greenfield ist bis heute ein Filmfreak und plant sogar, ein Buch übers Kino zu schreiben, "obwohl ich ziemlich orthodox bin".

Nach der jüdischen Gesetzgebung waren die "Kinospiele" nicht verboten. "Die Rabbiner waren dagegen, weil dies ein fremdes Phänomen ist, uns schlecht beeinflussen könnte und in ihren Augen Zeitverschwendung." Aber nicht nur die Grenzen der Orthodoxie verschieben sich in Jerusalem, das immer frommer wird. Auch die physischen Grenzen zwischen orthodoxen und nicht-orthodoxen Juden verändern sich. Der Stadtteil Zichron Moshe, an dessen Hauptstraße Jesha'ayahu (Jesaja) sich das Kino befand, wurde 1905 von religiösen und säkularen Zionisten gegründet, die hier friedlich nebeneinander lebten. Im Haus gegenüber, der Lämel-Schule, besiegten 1914 die jungen zionistischen Lehrer die älteren im "Sprachenkrieg" und setzten das Hebräische als Unterrichtssprache an Stelle des Deutschen. Heute residiert dort eine Religionsschule, in der man nur Jiddisch spricht.

1932 wurde direkt gegenüber Edison, die größte und modernste Kulturstätte Jerusalems eröffnet, die einzige mit einer Klimaanlage. Kurz davor vereinbarten alle drei Filmhäuser, den Shabbat nicht zu entweihen. Aber durch die große Nachfrage wurden die Kassen bereits vor dem Ende des Ruhetags eröffnet. Die Veranstaltungen selber - auch klassische Konzerte, Theateraufführungen, Shows und Lesungen - fanden in der Regel nach dem jüdischen Ruhetag statt. Jeden Samstagmorgen wurde dort in den 50er-Jahren ein Vortrag gehalten, und da die Redner im großen Saal oft nicht klar zu hören waren, entweihte die Leitung den Shabbat heimlich. In der Blumenvase auf dem Tisch versteckte man ein kleines Mikrofon, von dem die meisten nichts wussten. Denn das Einschalten eines elektrischen Geräts gilt als Arbeit und die ist am Shabbat verboten. Eines Tages kam ein Referent aus Tel Aviv, der in dieses Geheimnis nicht eingeweiht worden war. Er redete und lief gleichzeitig auf der Bühne hin und her. Ein Zuhörer beschwerte sich: "Lauter! Man hört nicht!" Der Redner war verlegen, aber gleich darauf rief ihm ein orthodoxer Zuhörer zu: "Sprich in die Blumen!" Die Besucher der unmittelbar angrenzenden Synagogen protestierten und wurden dabei von radikalen anti-zionistischen Ultraorthodoxen unterstützt. Sie forderten, dass die Kassen am Shabbat geschlossen blieben und keine Plakate unkeuscher Damen gezeigt würden. Massendemonstrationen und Steinwürfe gegen die Entweihung des Shabbat wurden mit polizeilicher Gewalt durchbrochen. Diese wöchentlichen Straßenschlachten einigten alle Orthodoxen in Jerusalem gegen das Kino. Den Sieg über die säkulare Vergnügungsstätte werden sie aber auf andere Weise erringen.

Die hohe Geburtenrate der Orthodoxen und die allmähliche Abwanderung der Säkularen veränderten den Stadtteil. Zwei Brandanschläge (1965 und 1975) und die Schließung des benachbarten Platzes am Shabbat durch den Bürgermeister Teddy Kollek (1965) leiteten den Niedergang des Hauses ein. Nach der Eröffnung modernerer Kulturhäuser wie das Jerusalem-Theater 1971 beschränkte sich Edison ohnehin auf Filme. Kurz nach der Einführung des ersten privaten Fernsehkanals ging bei Edison 1995 das Licht aus. 2006 wurde die Immobilie verkauft - ausgerechnet an Satmar Chassidim. Diese radikale ultraorthodoxe Gruppe lehnt den Zionismus und den Staat Israel ab, boykottiert die Wahlen und nimmt nicht einmal israelische Personalausweise an. Die "Eroberung" des zionistischen Symbols feierte eine ultraorthodoxe Zeitung mit der Schlagzeile: "Edison ist in unseren Händen". Im Juni 2006 wurde das Gebäude abgerissen und an seiner Stelle entsteht ein großer Wohnkomplex ausschließlich für die Satmar. Im August 2007 feierten 20.000 Chassidim zusammen mit dem aus New York angereisten Rabbiner Aharon Teitelbaum bei der Grundsteinlegung den "Sieg über die unreine israelische Regierung im Kampf um die Heiligkeit Jerusalems". Vom historischen Gebäude bleibt nur die denkmalgeschützte Fassade mit der historischen Uhr, die die Zeit mit hebräischen Buchstaben anzeigt. Diese Uhr steht seit Langem und erinnert auf diese Weise an ein vergangenes Jerusalem.

Seit 1980 ist Jerusalem einschließlich der 1967 annektierten palästinensischen Stadteile laut Grundgesetz die ungeteilte Hauptstadt und das Regierungszentrum Israels. In Wirklichkeit ist die Stadt jedoch geografisch dreigeteilt - zwischen dem palästinensischen Osten und dem jüdischen Westen, aber auch zwischen dem orthodoxen Norden und dem säkularen und religiösen Süden. Die Grenzen zwischen Israelis und Palästinensern sind durch Mauer und Zaun festgelegt, und darüber verhandeln Politiker beider Seiten. Die Grenzen zwischen den jüdischen Bevölkerungsgruppen sind jedoch fließend und hängen von demografischen Faktoren ab. Diese Grenze verlagerte sich in den letzten Jahren nach Süden und verläuft entlang der Hauptstraße Derech Jaffa. Ob man diese Grenze überschreitet, merkt man an der Kleidung der Passanten und der Zahl der Antennen auf den Dächern. In nördlichen säkularen Enklaven kämpfen die Eltern um den Erhalt der weltlichen Schule. Der Architekt David Krojanker sagt: "Zuerst kommen die Religiösen, dann moderne Orthodoxe und bald ist ein Stadtteil komplett orthodox. In umgekehrter Richtung passiert so etwas jedoch nicht".

Als Greenfield und ihr Mann, ein orthodox gewordener Kinderarzt, 1985 in den bürgerlichen Jerusalemer Stadtteil Har Nof einzogen, lebten dort noch wenige Säkulare. Die Bewohner hielten eine Abstimmung über die Schließung der Hauptstraße am Shabbat. Greenfield, die am Shabbat nicht einmal den Fahrstuhl benutzt und sicherlich kein Auto, stimmte dagegen. Sie fand es unmenschlich den Säkularen gegenüber. "In einer demokratischen Gesellschaft kann ich nicht meine Präferenzen auf Kosten anderer erfüllen." Die überwiegende Mehrheit war anderer Meinung, die Straße wurde gesperrt und die Säkularen verließen allmählich den Stadtteil, in dem heute 30.000 Orthodoxe leben.

Die zionistischen Juden (Säkulare und Nationalreligiöse) sind bereits in der Minderheit in Jerusalem. Nach einer aktuellen Studie zählen sie nur knapp 44% der 746.000 Einwohner. Die 167.000 Orthodoxen zusammen mit den 252.000 Arabern stellen die Mehrheit dar. Seit 2003 ist mit Uri Lupolianski der erste ultraorthodoxe Bürgermeister im Amt. In den vergangenen Jahren verließen Jerusalem jährlich 6.000 Menschen mehr als hinzogen. Wenn sich die jetzige Tendenz fortsetzt, wird Jerusalem immer religiöser. Die Ultraorthodoxen stellen fast ein Viertel der Jerusalemer Bevölkerung dar, aber 39 % der Kinder sind ultraorthodox. Im letzten Jahrzehnt ging die Zahl der zionistischen Schüler um 10% zurück, die der Ultraorthodoxen nahm um ein Drittel zu.

Auch Tzvia Greenfields fünf Kinder studierten anfangs in ultraorthodoxen Schulen. Aber die "Ultraorthodoxe mit Schattierungen" trifft persönliche Entscheidungen selbstständig, eine Seltenheit in der immer konformeren ultraorthodoxen Welt. Sie studierte Philosophie und Geschichte und erwarb inzwischen einen Doktortitel in politischer Philosophie. Vor Jahren nahmen die Greenfields die beiden Söhne aus der ultraorthodoxen Religionsschule und schickten sie auf eine national-religiöse Institution. Unter anderem wollten sie, dass die Jungs Militärdienst leisten: "Die Armee ist ein Teil der israelischen Staatlichkeit, damit wir uns verteidigen können und nicht wie Lämmer zur Schlachtbank geführt werden. Das widerspricht nicht meinem Streben nach Frieden." Aber auch in der neuen Schule tauchten Probleme auf. Eines Tages hieß es, alle Schüler werden den Shabbat in einer Siedlung verbringen. Greenfield, eine Kritikerin der Siedlungspolitik, lehnte ab, wurde zur Schulleitung zitiert, wo sie klarmachte, dass sie "eine gute Jüdin" sei. Die Kinder blieben zu Hause. "Ich muss betonen, dass, obwohl die Schulleitung absolut für die israelische Kontrolle des Westjordanlandes ist, sie die Kinder keineswegs bestrafte. Und den Kindern sagte ich: ihr solltet lernen, Individualisten zu sein, denn ihr werdet immer in der Minderheit sein."

Tzvia Greenfield predigt eine humane, moralische und weltoffene jüdische Orthodoxie, ist Vorstandsmitglied der Menschenrechtsorganisation B'Tselem und eine der ersten Unterzeichnenden der Genfer Initiative eines symbolischen israelisch-palästinensischen Abkommens. Sie unterstützt gleichgeschlechtliche Eheschließungen, schaut Fernsehen und liest säkulare Zeitungen, verehrt Immanuel Kant und hört gern REM und Nirwana. Gleichzeitig ist sie Mitglied einer ultraorthodoxen Synagoge, hält strenge Koschergesetze, trägt eine Perücke und betont, dass sie ohne die Thora nicht leben könnte und sich in der frommen Welt zu Hause fühlt. Sie betont, dass die Kriminalität bei Ultraorthodoxen extrem niedrig ist und die gegenseitige Hilfsbereitschaft sehr groß, dass sie als Einzelne anständige, herzliche und rücksichtvolle Menschen sind. Das Problem sieht sie eher im ultraorthodoxen Kollektiv - dieses sei misstrauisch, rücksichtslos und auffordernd. "Sie verschließen sich aus Angst um ihre konservative Lebensart. Sie machen sich keine Illusionen, dass Ultraorthodoxe nach einer Öffnung zur säkularen Welt die Religion verlassen. Daher leben sie in einer enormen psychologischen Defensive. Im Ausland verlassen sie die Religionsschulen nach der Eheschließung, in Israel bleiben sie, um vom Militärdienst befreit zu werden."

Bereits vor dem Mordanschlag auf Rabin erlebte Greenfield den grenzenlosen Hass der Ultraorthodoxen gegen den Premier auch in der eigenen Familie. Die Ultraorthodoxen spielten zwar eine marginale Rolle in den gewalttatigen Aktionen gegen den Friedensprozess. Ihre Gewalt begrenzte sich auf Brandanschläge gegen Bushaltestellen mit unkeuschen Plakaten, benachbarten unkoscheren Restaurants und Autos, die am Shabbat fuhren. Die potenzielle politische Gewaltbereitschaft der Ultraorthodoxen ist dennoch so hoch wie ihre Ablehnung der demokratischen Werte. So unterstützten 70% der Ultraorthodoxen illegale Aktionen bis hin zur Gewaltanwendung gegen den Friedensprozess - im Vergleich waren 45% der Religiösen und 40% der Säkularen dieser Ansicht. Zwei Drittel der Ultraorthodoxen unterstützen eine Theokratie in Israel, nur 19% der Religiösen und keine der Säkularen waren dieser Meinung. Nur 39% der Ultraorthodoxen, aber eine knappe Mehrheit der Religiösen und drei Viertel der Säkularen würden eine Demokratie unterstützen, deren Politik sie ablehnen.

Greenfield glaubt, dass diese Haltung aus Angst und Unkenntnis resultiert. Um orthodoxen und religiösen jüdischen Israelis die humanistischen und demokratischen Werte zu vermitteln, gründete sie 1993 das Mifne-lnstitut (hebräisch für Wende). "Einen Tag in der Woche kommen 100 intelligente, charismatische Jugendliche um die 20, um über Humanismus in der jüdischen Kultur und die Entwicklung der demokratischen Philosophie zu lernen." Nur Ultraorthodoxe bestürmen die Türen des Wendeinstituts nicht. "Auch wenn in jedem Programm ein oder zwei kamen, diskutierten sie endlos über historische Fakten, die sie einfach nicht wahrhaben wollten. Es scheint, als ob es in diesem Alter zu spät ist, das zu verbessern, was das ultraorthodoxe Bildungssystem zerstört hat."

Tzvia Greenfield wurde niemals angegriffen, erhielt aber mehrere Mordandrohungen, auch weil sie in einem Interview erzählte, dass das Institut auch von der Europäischen Union gefördert wird. "Eines der unangenehmsten Telefonate war von einem Deutschsprechenden. Er sagte, ich würde liquidiert, weil ich Arabern helfen würde, Juden zu ermorden, und damit Verrat beginge. In Synagogen hielt man Predigten gegen mich. Sie bat dennoch niemals um Polizeischutz und sagt, sie befürchtet keinen Mordanschlag: "Ich bin zu unwichtig, damit jemand eine lebenslange Haftstrafe meinetwegen riskieren würde." Die Webseite ihres Instituts wurde gelöscht, nachdem sie immer wieder mit Hassreaktionen überschüttet worden war. Mit der Zeit brachte der Erfolg der Demokratiekurse jedoch auch für Greenfield eine kleine Wende. Der Vater eines Absolventen, Vorsteher der großen Synagoge in Har Nof, lud sie ein, um am Shabbat im Bethaus einen Vortrag zu halten. "Ich freute mich über die ungewöhnliche Einladung, sagte jedoch, dass ich nur dann komme, wenn der Synagogenrat zustimmt." Der Termin fand nicht statt. Zu groß war die Wut gegen die selbstkritische Dame.

Bei den letzten Parlamentswahlen machte Greenfield erneut Geschichte als orthodoxe Frau in der linksliberalen Meretz-Partei. Sie gewann den sechsten Listenplatz, wurde von vielen Säkularen bejubelt, verfehlte aber im März 2006 knapp den Sprung in die Knesset. Zwölf Jahre nach dem Mordanschlag an Rabin lässt sie der Vorfall an seinem Sarg nicht los. Was könnte ein Jude zu diesem konzentrierten grenzlosen Hass führen? Warum konnte er keinerlei Mitleid mit dem Ermordeten fühlen? "Es ging bei ihm nicht speziell um Rabin, sondern um einen bemerkenswerten säkularen Staatsmann", sagt sie. "Dass ausgerechnet die Zionisten durch die Staatsgründung die säkulare Lösung für das jüdische Volk fanden, ist für die Ultraorthodoxen ein historisches und theologisches Problem."

Der ultraorthodoxe Rabin-Hasser ist kein Einzelfall. Obwohl Umfragen unter Ultraorthodoxen selten sind, weil die Forscher auf wenig Kooperation stoßen, zeigt eine Studie des Tami Steinmetz Center for Peace Studies einen direkten Zusammenhang zwischen der Religiosität der Israelis und ihrer Unterstützung des Oslo-Prozesses. Während 54% der Säkularen die Versöhnung mit den Palästinensern unterstützten, waren es nur 18% der Religiösen und nur 9% der Ultraorthodoxen. Zwei Drittel der säkularen Israelis sagten, das palästinensische Volk wolle Frieden, aber nur ein Drittel der Religiösen und knapp 5% der Ultraorthodoxen teilten diese Ansichten. Während sich 59% der Säkularen als Linke definierten, taten dies nur 10% der Religiösen - und kein einziger Ultraorthodoxer. Immer zum Jahrestag der Ermordung Rabins macht sich Tzvia Greenfield Sorgen um den jüdischen Fundamentalismus, dessen Macht sie durch Aufklärung einschränken will.

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Die Gesellschaft neu organisieren:
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Überraschender Abschied:
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haGalil.com 19-11-2008

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