Unermüdlicher Mahner an den Holocaust:
Elie Wiesel ist 80NEW YORK (inn)
- Der Friedensnobelpreisträger und Auschwitz-Überlebende Elie Wiesel
vollendete am Neujahrstag 5769 sein 80. Lebensjahr. Seitdem er elf Jahre
nach dem Zweiten Weltkrieg sein Schweigen brach, wird er nicht müde,
schriftstellerisch zum Gedenken an den Holocaust beizutragen.
Wiesel wurde am 30. September 1928 als Sohn frommer jüdischer Eltern in
Sighet in den rumänischen Karpaten geboren. Da er auf Wunsch seiner Mutter
Rabbiner werden sollte, besuchte er eine jüdische Schule. Als er 15 Jahre
alt war, im Frühjahr 1944, wurde seine Familie jedoch von den Nazis
deportiert. Er und sein Vater überlebten das Vernichtungslager Auschwitz.
Der Vater starb etwa zwei Monate vor der Befreiung im KZ Buchenwald.
Auseinandersetzung mit dem Glauben
Nach den furchtbaren Erfahrungen der Nazizeit musste sich
Elie Wiesel erneut mit der Frage nach Gott auseinander setzen. "Das
Überlebenstrauma wurde für ihn, den es in der Nachkriegszeit nach Frankreich
verschlagen hatte, zu einem geistigen Überlebenskampf", schreibt die
"Frankfurter Allgemeine Zeitung" in ihrer aktuellen Ausgabe. "Während Paul
Celan oder Primo Levi letztlich zerbrachen und in den Freitod gingen, hielt
Wiesel eine Offensivtaktik am Leben: Er legte sich mit Gott an und stritt
mit ihm; auch deshalb wird er mit Hiob in Verbindung gebracht."
Zunächst konnte und wollte er seine Erlebnisse nicht in Worte fassen. Doch
1956 schrieb er sie erstmals nieder - auf Jiddisch unter dem Titel "Un di
Welt hot geschwign". Dieser autobiographische Roman erschien zwei Jahre
später auf Französisch, die Überschrift lautete nun: "Die Nacht". Besonders
prägnant und bekannt sind die Sätze: "Nie werde ich diese Nacht vergessen.
Nie werde ich die Flammen vergessen, die meinen Glauben für immer
verzehrten. Nie werde ich das vergessen, und wenn ich dazu verurteilt wäre,
so lange wie Gott zu leben. Nie."
In der Wochenzeitung "Jüdische Allgemeine" heißt es über den
Holocaust-Überlebenden: "Im Laufe seines Lebens hat Wiesel 40 Bücher
verfasst. Sie kreisen um die Vernichtung der Juden und dabei immer wieder um
ein Thema: Wo war Gott? Warum schwieg er? Wiesels Glaube wurde durch
Auschwitz radikal verändert. In einem Gespräch mit dem spanischen
Widerstandskämpfer und Buchenwald-Überlebenden Jorge Semprún berichtete
Wiesel, dass er sich bis 1944 allein von Gott habe leiten lassen. Nach dem
Holocaust stellte er Gott infrage. Er verstehe den Holocaust 'weder mit noch
ohne Gott', sagte Wiesel."
Neuer Anfang in den USA
Im Jahr 1956 wanderte er in die USA aus. Er arbeitete in New
York als UN-Korrespondent der israelischen Zeitung "Jediot Aharonot". 1963
wurde er US-Bürger. Er heiratete 1969 Marion Erster Rose. Sie haben einen
Sohn. Seine Ehefrau ist heute die Hauptübersetzerin seines Werkes. Später
wandte sich Wiesel auch anderen Themen zu. So schrieb er 1966 eine
Buchreportage über das Leben der Juden in der Sowjetunion und den dortigen
Antisemitismus. Weitere Themen waren der Eichmann-Prozess in Israel und die
Stimmung im jüdischen Staat während des Sechs-Tages-Krieges.
Wiesel erhielt 1986 den Friedensnobelpreis für sein Lebenswerk. Dies hatte
er nicht zuletzt seiner Tätigkeit in der Präsidentenkommission zum
Holocaust, die Jimmy Carter 1978 berufen hatte, sowie seinem Engagement in
Menschenrechtsfragen zu verdanken. Im Jahr 2003 wurde er zum Vorsitzenden
der Internationalen Kommission zur Erforschung des Holocaust in Rumänien
berufen, die als "Wiesel-Kommission" bezeichnet wird.
Einsatz für Menschenrechte geht weiter
Elie Wiesel setzt sich weiterhin für Menschenrechte und gegen
Antisemitismus ein. So nahm er am 23. September 2008 in New York an einer
Demonstration gegen den Auftritt des iranischen Präsidenten Mahmud
Ahmadinedschad vor der UN-Vollversammlung teil. Und mit seiner Stiftung
hilft er unter anderen sudanesischen Flüchtlingskindern, die den Völkermord
in ihrem Land überlebt haben. Er hat auch Einrichtungen in den israelischen
Städten Kirijat Mal´achi und Aschkelon gestiftet, an denen sich äthiopische
Einwanderer weiterbilden können. |