Buchvorstellung:
4. Jahrbuch des Nürnberger Instituts für NS-Forschung und
jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts
Dienstag, 28. Oktober 2008, 19.30 Uhr
Fürth, Jüdisches Museum Franken, Königstraße 89
Herausgeber und Autoren des Institutsjahrbuchs nurinst 2008 stellen Ihre
Aufsätze zum Schwerpunktthema "Entrechtung und Enteignung" vor.
Erneut verspricht das –
mittlerweile vierte – Jahrbuch des Nürnberger Instituts für NS-Forschung und
jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts brisante Enthüllungen auf lokaler
und überregionaler Ebene.
So wird nach erstmaliger systematischer Auswertung der Spruchkammer- und
Entschädigungsakten nicht nur nachgewiesen, dass "Quelle"-Gründer Gustav
Schickedanz sein Firmenimperium maßgeblich auf arisiertem jüdischem Eigentum
aufbaute, sondern für dessen günstigen Erwerb sich auch regelmäßig der
NS-Gauleitung bediente. "Die Einweisung in ein KZ wurde jüdischen
Unternehmern wiederholt angedroht, falls sie einen Verkauf ihrer Fabriken an
Schickedanz verweigern sollten", stellt Peter Zinke fest.
Über ein halbes Jahrhundert musste vergehen, bis die Skrupellosigkeit der
fränkischen NS-Finanzbürokratie öffentlich bekannt wurde und die bayerische
Archivverwaltung die brisanten Dokumente, die das schwärzeste Kapitel der
Steuerbehörden belegen, zur Einsicht freigaben. Wie Jim G. Tobias
herausgefunden hat, beschlagnahmten und versteigerten auch die Nürnberger
Finanzbeamten die letzten Besitztümer der in die Todeslager deportierten
Juden: Möbel, Wäsche, Bücher, Schmuck oder Hausrat, alles kam unter den
Hammer. Die totale Verwertung des jüdischen Eigentums spülte Millionen in
die öffentlichen Kassen.
Andrea Livnat berichtet über den Umgang des israelischen Staates mit
Überlebenden des Holocausts. Speziell Menschen ohne Opferrenten müssen seit
Jahrzehnten bei minimaler Unterstützung in bitterer Armut leben. Auch
Vermögenswerte vieler NS-Verfolgter befinden sich immer noch auf den Konten
israelischer Banken, wie die Chefredakteurin von Hagalil, dem größten
jüdischen Online-Dienst in Europa, herausfand.
Ruth Weiss, eine geborene Fürtherin, die Anfang der 1930er Jahre nach
Südafrika emigrierte, befasst sich mit dem Verhältnis der südafrikanischen
Juden zum ehemaligen Apartheidsystem. Hierbei kommt die renommierte
Schriftstellerin zu dem paradox anmutenden Ergebnis, dass jüdische
Aktivisten einerseits bei den weißen radikalen Apartheidgegnern
überproportional vertreten waren, andererseits aber die offiziellen
jüdischen Verbände so ziemlich die letzte Gruppe war, die sich öffentlich
kritisch zur so genannten Rassentrennung äußerte.
Auf einen weiteren jüdischen Emigranten aus Fürth geht der
Lateinamerika-Experte Josef Moe Hierlmeier ein: Henry Kissinger, der
es bis zum Sicherheitsberater des US-Präsidenten und amerikanischen
Außenminister brachte. Der "größte Sohn der Kleeblattstadt" wird speziell in
der hiesigen Region völlig unkritisch behandelt, ihm wird beinahe gehuldigt.
Dabei war er an Menschenrechtsverletzungen großen Ausmaßes in Vietnam,
Chile, Argentinien oder Ost-Timor beteiligt.
Mit den Ereignissen und Folgen der so genannten Reichskristallnacht von 1938
befassen sich die Aufsätze von Heike Tagsold, über das Ende der
jüdischen Landgemeinde Memmelsdorf und Aviv Livnat, der die
Gewalttaten jener Nacht im Spiegel der bildenden Kunst thematisiert.
Tatjana Knoll wirft ein Schlaglicht auf einige schwedische Kinderheime,
in der junge Überlebende des Holocaust eine vorübergehende Heimat fanden.
Christoph Kreutzmüller und Elisabeth Weber untersuchen die Rolle
des antisemitischen Hetzblattes Der Stürmer und seine Bedeutung bei der
Vernichtung jüdischer Firmen in Berlin. Lorenz Peiffer erinnert an
von den Nationalsozialisten ermordeten jüdischen Sportlern und insbesondere
an den Fußballspieler Julius Hirsch.
Schließlich stellt sich auch in diesem Jahrbuch wieder eine
wissenschaftliche Institution vor: Die Germania Judaica. Die langjährige
Leiterin Annette Haller beschreibt die Anfänge der 1958 auf den Weg
gebrachten Bibliothek und wagt eine hoffnungsvolle Prognose für die nächsten
50 Jahre.
nurinst 2008: Beiträge zur deutschen und jüdischen Geschichte
Schwerpunktthema: Entrechtung und Enteignung
Jahrbuch des Nürnberger Instituts für NS-Forschung und jüdische Geschichte
des 20. Jahrhunderts
Jim G. Tobias/Peter Zinke (Hg.)
ANTOGO Verlag Nürnberg
ISBN 978-3-938286-34-0, 184 S., 8 Abb. schw.-w., Preis Euro 12,80.
Erhältlich über den Buchhandel oder direkt beim Verlag per eMail:
bestellung(at)antogo-verlag.de oder per Fax: 0911/559241
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