Siegen, 30. August 2008:
Protestkundgebung gegen das iranische Mullahregime
Grusswort von Stephan J. Kramer, Generalsekretär des
Zentralrats der Juden K.d.ö.R.
"Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde,
zunächst möchte ich mich bedanken, dass Sie alle heute sich so zahlreich zu
dieser Protestkundgebung hier versammelt haben. Ich bedauere sehr, dass ich
aus terminlichen Gründen daran gehindert bin selbst einige Grußworte im
Namen des Zentralrats, aber auch ganz persönlich zu Ihnen zu sprechen.
Es ist wahrlich nicht selbstverständlich, dass sich Bürgerinnen und Bürger
in unserem Land gegen eine menschenrechtsverachtende Diktatur im Iran und
die Kollaborateure in Wirtschaft und Politik hierzulande, zu einer
Protestaktion zusammen finden. Das macht Mut und dafür danke ich Ihnen.
Wir sollten uns nichts vormachen: die islamische Republik des Iran hat mit
dem Mullah- und Ajatollah-Regime eine fundamentalistische Diktatur
verfestigt, die seit ihrer Gründung im April 1979 bis heute unter
Staatspräsident Mahmoud Ahmadinedschad, brutal die Menschenrechte des
Iranischen Volkes unterdrückt. Dasselbe Regime fördert seit Jahrzehnten den
internationalen islamistischen Terror und versucht die islamische Revolution
zu globalisieren, um damit nicht zu letzt das selbstinszenierte
Propagandagespenst einer vermeintlichen politischen und kulturellen
Bedrohung durch den Westen abzuwehren. Das Mullah-Regime kennt keine
Skrupel, politische Gegner massenweise und systematisch zu unterdrücken, zu
foltern und hinzurichten. Dazu gehören u.a. Journalisten, Lehrer, Juristen,
Professoren ebenso wie Studenten, aber auch Christen, Konvertiten und
besonders die Baha‘i.
Selbst Minderjährige sind von der Todesstrafe bedroht, Ehebrecherinnen
werden gesteinigt. Im laufenden Jahr hat der Iran mindestens 227 Personen
hingerichtet, darunter sechs minderjährige Straftäter. Damit ist der Iran,
soweit bekannt, das einzige Land weltweit, das 2008 minderjährige
StraftäterInnen hingerichtet hat.
Das Parlament der „Islamischen Republik“ lässt keine Vielfalt in der
Willensbildung erkennen, denn zugelassen sind nur solche Parteien, die sich
rückhaltlos zum schiitischen G‘ttesstaat bekennen. Eine solche Anordnung
erinnert fatal an die Parteiengesetzte in kommunistischen Ostblockstaaten.
Nach wie vor werden Frauen im Iran als Bürger zweiter Klasse behandelt.
Frauen, so berichtet Amnesty International, können weder Richterinnen werden
noch für das Präsidentschaftsamt kandidieren. Bei Heirat, Scheidung,
Erbschaften und Sorgerecht haben sie nicht die gleichen Rechte wie Männer;
vor Gericht ist die Aussage einer Frau nur halb so viel wert wie die eines
Mannes. Wer sich gegen die rechtliche und alltägliche Diskriminierung von
Frauen in der iranischen Gesellschaft engagiert, muss mit Haft,
Misshandlungen und Schikanen rechnen.
Der iranische Staatspräsident und mit ihm führende Vertreter des
Mullah-Regimes, leugnen seit Jahren immer wieder die systematische
Entrechtung, Deportation und fabrikmäßige Vernichtung von Millionen
europäischer Juden. Dies nicht nur durch Propaganda im Iran, sondern auch
auf internationalen Konferenzen und Symposien beispielsweise in Deutschland
und bei den Vereinten Nationen. Mit Hilfe der Inszenierung einer
internationalen Konferenz von Holocaust-Leugnern versucht er seinen Lügen
einen pseudowissenschaftlichen Anschein zu geben. Schließlich fordert er
regelmäßig und mit Nachdruck die Vernichtung des UN-Mitgliedsstaates Israel.
Das iranische Nuklearprogramm wurde bereits im Jahre 1985 begonnen und an
seinen Zielen bestand trotz Beteuerungen einer friedlichen Nutzungen zu
keinem Zeitpunkt ein ernsthafter Zweifel. Das Ziel hochangereichertes Uran
zu produzieren und die konsequente Entwicklung von Mittel- und
Langstreckenraketen als Träger von Nuklearwaffen sind dabei nur einige, aber
wesentliche Fakten. Wer außerdem glaubt, das Bedrohungspotential des
Mullah-Regimes richte sich nur gegen die unmittelbare Region des Nahen- und
Mittleren-Ostens, oder den Staat Israel und man könne sich in Deutschland
bequem zurücklehnen, der irrt sich gewaltig.
Während die iranische Diktatur die eigenen Absichten nicht einmal kaschiert
und die systematischen Menschenrechtsverletzungen seit Jahrzehnten bekannt
sind, reagiert die Weltgemeinschaft nur träge. Vor allem die fortgesetzte
Appeasement-Politik der europäischen Regierungen ermutigt das Mullah-Regime
die Staatengemeinschaft gegeneinander auszuspielen.
Deutschland spielt dabei als wichtigster westlicher Handelspartner und
Technologierlieferant eine ganz besonders herausragende Rolle. Bis Ende Juli
2008 lagen dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle fast 2000
Iran-Geschäfte zur Prüfung vor, dass sind 63 Prozent mehr als in den ersten
sechs Monaten des Jahres 2007. Zu diesen vermeintlichen Exporterfolgen
gehört auch der Vertrag über den Bau der drei Anlagen zur Gasverflüssigung
durch die Firma Steiner. Als gebürtiger Siegener bin ich mir sehr wohl
bewusst, welchen Stellenwert das 100 Millionen Euro Geschäft für die
Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplätzen in dieser strukturschwachen
Region hat. Aber mir ist auch bewusst, was dieser Technologietransfer für
den Machterhalt der Diktatur im Iran, das fortgesetzte Leiden der Menschen
dort und dessen Bedrohung für uns alle bedeutet.
Wer dem Iran modernste Technik liefert, der garantiert den Machterhalt und
wird zum Mittäter, ja der macht sich zum Kollaborateur des dortigen Regimes!
Es war Bundeskanzlerin Merkel, die dankenswerter Weise und wohl registriert
bei ihrem Besuch in Israel dem israelischen Volk versichert hatte: „Die
Bedrohungen, die sie sehen, sind auch unsere.“ Folgerichtig hatte die
Kanzlerin weitere Sanktionen gegen den Iran zugesagt. Sie betont stets ihre
konsequente und harte Haltung im Kampf gegen das Mullah-Regime und dessen
Menschenrechtsverletzungen. Nicht weniger deutlich wurde auch
Bundestagspräsident Norbert Lammert bei seinem Besuch in Israel im Februar
2008: „Israels Sicherheit hat die höchste Priorität für die deutsche
Politik, sogar vor unseren wirtschaftlichen Interessen in der Region“. Auch
Außenminister Steinmeier und mit ihm fast alle zum Thema befragten Politiker
sind stets bemüht das Terror-Regime im Iran zu verurteilen und dem Staat
Israel die Solidarität zu bekunden.
Angesichts der Rekordumsätze der deutschen Wirtschaft und der sonstigen seit
Jahrzehnten bestehenden wirtschaftlichen, kulturellen und politischen
Beziehungen zum Mullah-Regime muss man sich allerdings fragen, wie ernst die
Reden und Zusicherungen der Bundeskanzlerin, des Bundestagspräsidenten und
des Bundesaußenministers zu nehmen sind.
Wenn dann auch noch der Parlamentarische Staatssekretär im
Bundeswirtschaftsministerium Hartmut Schauerte (CDU) den Deal der Firma
Steiner offensiv und maßgeblich beim Bundesamt für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle forciert, sich auch noch damit brüstet, wie „unangenehm er
bei der Genehmigungsbehörde aufgetreten ist, um das Geschäft schließlich zu
befördern“, dann verspielt die Bundesregierung jede Glaubwürdigkeit. Dies
ist eine schallende Ohrfeige für all diejenigen, die sich in Politik,
Kirchen, Justiz, Kultur und Gesellschaft für die Menschenrechte im Iran
einsetzen. Die einzig wirksame Konsequenz, um sich vom Vorwurf der Heuchelei
und Doppelzüngigkeit zu befreien wäre die unverzügliche Entlassung des
Staatssekretärs, Hartmut Schauerte.
Meine Damen und Herren, nicht das iranische Volk ist unser Feind. Wohl aber
das Terror-Regime im Iran. Die persische Kultur hat eine 2500jährige
Geschichte von großer Bedeutung für die kulturelle, wissenschaftliche und
wirtschaftliche Entwicklung der gesamten zivilisierten Welt. Was ist aus
dieser weltoffenen und schöpferischen Kultur geworden? Viele Studenten,
Frauen- und Journalistenverbände kämpfen mutig für eine Demokratisierung des
Iran.
In einer derart brisanten politischen Situation wie wir sie heute angesichts
der iranischen Bedrohung vorfinden, sind Zweideutigkeiten und politische
Unentschlossenheit ein fatales Signal der Schwäche und damit der erste
Schritt zum Untergang. Wenn die Bundesregierung durch zweigleisige Politik
und juristische Taschenspielertricks versucht, deutsche Unternehmen aus der
Schusslinie zu manöverieren, um hinter einer Fassade der politischen
Entrüstung und Lippenbekenntnissen doch fleißig Geschäfte mit dem
Mullah-Regime zu ermöglichen, dann ist eine kritische Öffentlichkeit
aufgefordert, einer solch scheinheiligen Politik öffentlichkeitswirksam
entgegenzutreten.
Nehmen wir sie beim Wort, liebe Freunde! Lassen wir nicht zu, dass die
Menschenrechte des iranischen Volkes weiterhin mit Füßen getreten werden,
iranische Männer, Frauen und Kinder für ihre Überzeugung oder ihren Glauben
unterdrückt, gefoltert und ermordet werden, ein diktatorisches Regime mit
seinem Atomprogramm zukünftig zur unkontrollierbaren Gefahr für den
Weltfrieden wird.
Wir fordern umfassende d.h. politische und ökonomische Sanktionen gegen das
iranische Regime. Hermesbürgschaften sollten nicht nur gesenkt, sondern
komplett gestrichen werden. Wir fordern einen Dialog mit der Opposition im
Iran, statt eines Hoffierens der Mullahs und Paktierens mit vermeintlich
gemäßigten Vertretern des Regimes. Stärken wir diejenigen, die seit
Jahrzehnten für eine demokratisch-rechtsstaatlichen Republik Iran kämpfen
und machen wir uns nicht länger zu Steigbügelhaltern der Mullahs und ihres
Präsidenten Ahmadinedschad, der seine eigene Bevölkerung seit Jahrzehnten
unterdrückt und terrorisiert und auf dessen Agenda die Vernichtung des
Staates Israel steht. Europa muss mit einer Stimme sprechen und
Geschlossenheit demonstrieren, um endlich ernst genommen zu werden. Lassen
wir uns nicht länger von Ahmadinedschad und seinem Terrorregime vorführen!!
Es ist höchste Zeit den Worten endlich auch Taten folgen zu lassen!! Vielen
Dank für Ihre Aufmerksamkeit."
Weitere Redebeiträge:
Sacha Stawski, Honestly Concerned e.V. (pdf)
Roger Bückert,
Initiative "neveragain"
Simone Dinah Hartmann, Stop the Bomb
Grußwort von B'nai B'rith Europe (pdf)
Kundgebung in Siegen:
Stoppt den
Steiner-Deal mit dem Iran!
Die Siegener Firma Steiner hat vor einigen Monaten einen 100 Mio. Euro
Vertrag über den Bau von drei neuen Anlagen zur Gasverflüssigung im Iran
abgeschlossen. Staatssekretär Hartmut Schauerte, MdB CDU, hat sich für die
Beschleunigung des Geschäftes eingesetzt...
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