Ausstellungstipp München:
Rachel Heller - "The WAVE" aus der Serie "Black & White"
Eine einmalige Ausstellung der "live
communications and arts" in Kooperation mit dem "Zentrum für zeitgenössische
israelische Kunst - ZZIK"
Die namhafte italo-israelische Malerin
Rachel Heller (Marcella Ascoli) ist seit Jahrzehnten mit zahlreichen
Ausstellungen in Israel, Italien, Deutschland, Österreich und den USA auf
der internationalen Kunstszene präsent. Seit einigen Jahren widmet sie sich
verstärkt der digitalen Kunstfotografie, wie ihre Einzelausstellungen "Black
& White" in der Stadtgalerie Salzburg und "The Wave" in der Artura Gallery
in Tel Aviv sowie in der Galleria Artlife for the World in Venedig
eindrucksvoll belegen.
Ausstellungseröffnung: Dienstag, 02.
September 2008, 19 Uhr
Ausstellungsdauer: 03. - 7. September 2008
Kunstpavillon
Alter Botanischer Garten am Stachus,
Sophienstrasse 7a
Di-Sa 10.00 bis 19.00, So 11-17.00
Das Meer allein
Eröffnungsrede von Dr. Anna
Zanco-Prestel
13 Zyklen umfasst die
Laufbahn der italo-israelischen Künstlerin Rachel Heller, deren Arbeit
ununterbrochen im Zeichen der Malerei, der Grafik und - in den letzten
Jahren im verstärkten Masse – des Digitalprints steht.
In ihrem ausgereiften Werk tauchen figurative wie auch abstrakte Elemente
auf, Stilrichtungen und Tendenzen unterschiedlicher Art, die einen
gemeinsamen Nenner zu haben scheinen: Kontinuität im Wechsel.
Quelle der Inspiration sind mal die großen biblischen Themen wie im Zyklus "The
Sacrifice of Isaac" ( 1995-98), mal das Tagesgeschehen wie beispielweise in
"The Innocents" (1991), wo im Mittelpunkt der Darstellung Kormorane stehen,
die einzigen mediatisch sichtbaren Opfer im Ersten Golfkrieg. Mal rücken
symbolisch-allegorische Elemente hervor, wie in der Reihe "The death of the
Rose"(1988) oder die "mirror-image-writing" der zwischen 1974 und 1984
entstandenen Serie "Calligraphy" mit ihrer schmerzerfüllten Botschaft, mal
die nur scheinbar impressionistisch anmutenden Landschaften vom Zyklus "In
Transit". Flüchtige Landschaften der Seele, gesehen wie aus einem schnell
vorbeifahrenden Zug in einem Wirbel von Farben großer chromatischer
Intensität. Dieser letzte, 1996 begonnene und immer noch nicht
abgeschlossene Zyklus ist vor einem Jahr im einer umfangreicher "Personale"
im Europäischen Patentamt in München präsentiert worden.
An Stelle von dem in ihrer Produktion wiederkehrenden Gebrauch der Farbe
tritt von Zeit zu Zeit das Schwarz-Weiß zum Vorschein. Dies geschieht in
Zeitabschnitten großer Instabilität, in denen die Angst, der "mal de vivre"
die Oberhand gewinnt. In einer dieser eher seltenen Phasen entstand der
bedeutende Zyklus "Echoes of War", dessen Schaffungsperiode zwischen 1972
und 1974 mit dem Ausbruch vom Jom Kippur-Krieg zusammenfällt, einer Zeit, in
der ihr Land Israel massiver Bedrohung ausgesetzt war. Das gleiche gilt für
den zwischen 2000 und 2001 gemalten Zyklus "Dark & Light": große
Acrylgemälde und Riesendigitaldrucke, wo bedrohliche dunkle Wirbel und
zusammen gewürfelte Haufen herabgestürzter Steine die Leinwand füllen.
Werke, die ausnahmslos während der sechs Monate vor dem 11. September
realisiert wurden.
In diesen rigoros abstrakten Arbeiten wird das Schwarze der kurvig weit
aufschweifenden und strudelförmigen Pinselstriche an den weißen Hintergrund
oder umgekehrt gestoßen. Dabei werden beinah kontrapunktisch unkontrollierte
Schübe und heraus brechende Spannungen erzeugt, die aus dem Zusammenprall
des Lichtes mit der Dunkelheit entstehen: eine Metapher für den ewigen Kampf
zwischen Gut und Böse.
Mit dem 2005 in Israel ausgestellten Zyklus "Wave" aus den Jahren 2002-2005
beginnt für Rachel Heller eine neue künstlerische Periode, in der sie ein
beinah naturalistisches Interesse für die Wirklichkeit entwickelt. Dabei
vollzieht sich auch der Übergang – was das künstlerische Medium betrifft -
zur digitalen Fotografie. Es ist nun der unaufhörliche, rhythmisch
wiederkehrende Ansturm der Wellen, ihr Kräuseln, ihr sich wechselseitiges
Überlappen und schließlich Zerschlagen, um in Schaum zu zerfließen, der ihre
Kreativität beflügelt.
In einer breiten Palette unterschiedlicher und eklektischer Variationen
versucht sie jene ephemeren, kurzlebigen Energiebündel zu deuten: in ihrem
ungeahnten Elan Vital, aber auch in jenem ungeheuerlichen
Zerstörungspotential, das uns unweigerlich an den Tsumani von 2006
zurückdenken lässt. Nicht selten ist bei hochsensiblen Künstlern die Gabe
vorhanden, Ereignisse ungewohnter Art vorauszuahnen.
Stark in diesen Werken ist– wie sonst immer bei Rachel Heller – ihre
emotionale Beteiligung. Gleichzeitig scheint sie aber speziell in diesem
Fall, die Haltung des Betrachters einzunehmen, der von Außen jenes
kontinuierliche Wechselspiel der Formen beobachtet, das zum Sinnbild vom
ewigen Werden aufsteigt oder der Materie, aus der Träume geschaffen sind…
Eine Lektüre begleitet sie in diesem Schaffungsprozess. Es sind die
komplizierten und dennoch nie eintönigen Selbstgespräche des Herrn Palomar,
der berühmten Gestalt aus der begnadeten Feder des italienischen
Schriftstellers Italo Calvino, in ihrem humoristischen und dennoch sehr
besonnenen Nonsense.
Herr Palomar, "ein nervöser Zeitgenosse, Bewohner einer hektischen und
überfüllten Welt", der "zur Beschränkung seiner Kontakte mit der Außenwelt
neigt", auch um "sich vor der allgemeinen Neurotik zu schützen", betrachtet
die Welt als ein ins Stocken geratenes Triebwerk. Mit dem gleichen
Forschergeist des Herrn Palomar – sein Name ist nicht zufällig der selbe der
großen Sternwarte von Mount Palomar in Kalifornien - stürzt sich nun Rachel
Heller in ihr neues Abenteuer, um die Wellen in ihrer schaumigen und
vielschichtigen Einzigartigkeit zu ergründen. Wellen, als Darstellung - in
ihren Maxikunstdrucken wie auch in den kleinen Ölgemälden – jenes
Mikrokosmos, worin sich das Ich spiegelt, als Fenster zur Welt. Wellen
festgehalten in ihrer Abartigkeit, als einzelne Individuen, denn eine Welle
– schreibt Calvino – ist "jedes Mal anders als eine andere; gleichwohl ist
freilich nicht zu bestreiten, dass jede Welle stets einer anderen gleicht,
wenn auch nur einer, die ihr nicht unmittelbar vorausläuft oder unmittelbar
folgt."
Wie Calvino ist sich Rachel Heller von der Unmöglichkeit wohl bewusst, eine
Welle "isoliert" betrachten zu können "ohne dabei die vielfältigen Aspekte
mit einzubeziehen, die zu ihrer Bildung zusammenwirken". Wellen wie Monaden
innerhalb eines komplexen philosophischen Gebäudes, das ins Chaos versinkt
und aus dem beide einen Ausweg suchen, um schließlich eine neue "Operation
in Angriff zu nehmen", die - wie sie bereits wissen - schon im Vorfeld zum
Scheitern verurteilt ist: nämlich die "Ausweitung dieser Erkenntnis auf das
ganze Universum."
Auf diese Weise setzt sich ihre ununterbrochene Suche nach dem tieferen Sinn
menschlicher Existenz fort. In ihr offenbart sich sowohl eine weltlich-
laizistische als auch eine beinahe religiöse Empfindung, die unvermeidlich
in ein metaphysisches Universelle mit unvorhersehbaren Folgen mündet. Noch
einmal folgt sie Calvino in seinen tiefen Gedankengängen, wenn er einfach
feststellt, dass "jeder Sturm den Frieden des Nachher" in sich trägt, um
sich schließlich zu fragen: "Vielleicht ist tot sein nur eintauchen in den
Ozean jener Wellen, die immer "Wellen bleiben, und es ist zwecklos zu
warten, bis das Meer sich beruhigt…"
"Das Meer gibt, das Meer nimmt": Auf einmal kommen die Worte Amos Oz in den
Sinn. Denkt er an das Meer von Tel Aviv, das Rachel Hellers Meer ist. Das
Meer ihrer eindrucksvollen Bilder.
"Jetzt ist alles völlig klar. Der Mond steht tief gebeugt über dem dunklen
Meer, holt weite Flächen großer Wasser zu sich hoch, tosende Wellen aus der
Tiefe und bedeckt sie mit Blei. Und das ganze Meer breitet den Mond ein Netz
aus Quecksilber. Das holt er ein und hievt es zu sich hoch."
Tauchen wir ohne jegliches Zögern in ihre Gewässer ein, in die ruhigen
Gewässer ihrer Digitalkompositionen mit ihren magischen Lichteffekten und
ihren unergründlichen Labyrinthen, Tintenflecken wie Psychogramme, die ein
rätselhaftes Idiom sprechen.
Springen wir in ihre Strudeln - so dunkel wie schwarze Löcher - ein und auch
in die helleren, die in der schimmernden Sonne erstrahlen und uns in ihrer
realistischen Geschlossenheit an Courbets Meisterwerke erinnern. Dort wölbt
die Woge straffe, in die Höhe treibende Buckel, an deren Oberfläche sich –
schon weißlich gestriemt - brausender Schaum bildet, der in einem Impetus,
in einem Freudensausbruch aufgeht, in einem – trotz aller Dramatik der
Existenz – Ja zum LEBEN!
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