Zwiespältige Politik:
Israel erlaubt neue Siedlung im Jordantal
Trotz der Vereinbarung von Annapolis plant Israel den Neubau
einer jüdischen Siedlung im besetzten Westjordanland - der palästinensische
Chefunterhändler ist empört.
Von Thorsten Schmitz
Nur wenige Stunden nach der Abreise des demokratischen
US-Präsidentschaftsbewerbers Barack Obama aus Israel wurden am Donnerstag
Pläne für den Neubau einer jüdischen Siedlung im Westjordanland bekannt.
Nach Angaben des israelischen Rundfunks hat der nationale Planungsausschuss
den Bau der Siedlung Maskiot im nördlichen Jordantal genehmigt. Nun müsse
nur noch Verteidigungsminister Ehud Barak dem Bau zustimmen. In israelischen
Medien hieß es am Donnerstag, Barak habe bereits sein Einverständnis
signalisiert.
Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat reagierte am Donnerstag
empört auf die Nachricht. Dies zerstöre den Friedensprozess und den Versuch,
eine Zwei-Staaten-Lösung zu erzielen.
Barack Obama äußerte im Interview mit der Tageszeitung Jerusalem Post
vorsichtige Kritik am Ausbau jüdischer Siedlungen im Westjordanland. Israel
und die Palästinenser hätten in jüngster Zeit Vereinbarungen getroffen, an
die sich beide Seiten halten müssten. Der forcierte Ausbau der Siedlungen
verstoße seiner Meinung nach gegen die Vereinbarungen.
Zwar müsse Israels Sicherheit garantiert werden, doch jüdische Siedlungen
trügen nicht unbedingt dazu bei. In dem Interview mit Obama, das an diesem
Freitag veröffentlicht werden soll, fügte Obama hinzu, dass jüdische
Siedlungen auf lange Sicht Israels Sicherheit unterminierten: "Je mehr
jüdische Siedlungen entstehen, desto mehr muss Israel in ihren Schutz
investieren und desto größer werden die Spannungen zwischen Israel und den
Palästinensern."
Die Ankündigung, dass Israel eine neue Siedlung bauen lässt, kommt
überraschend. Zwar nimmt die Zahl der jüdischen Siedler zu. Zurzeit leben
275000 jüdische Siedler in 121 Siedlungen in jenem Gebiet, das Israel 1967
im Sechs-Tage-Krieg erobert hatte und das die Palästinenser für ihren
künftigen Staat reklamieren.
Doch der Zuwachs ist auf den Ausbau bestehender jüdischer Siedlungen
zurückzuführen. Israels Regierungschef Ehud Olmert hatte in jüngster Zeit
stets erklärt, Israel werde keine neuen Siedlungen errichten, durchaus aber
bestehende ausbauen. Gemäß dem Nahost-Friedensfahrplan des Nahost-Quartetts
muss Israel den Ausbau jüdischer Siedlungen stoppen.
Ein Grund für den Neubau der jüdischen Siedlung Maskiot liegt in der
Unzufriedenheit jüdischer Siedler aus dem Gaza-Streifen, die im August 2005
ihre Siedlungen aufgeben mussten. Ein Teil der rund 8000 ehemaligen
Gaza-Siedler hat bis heute keinen festen Wohnort, sondern lebt in
kurzfristig angemieteten Wohnungen oder in provisorischen Siedlungen, die in
Windeseile von der Regierung errichtet wurden.
In Maskiot sollen nun zwanzig Wohnhäuser für 20 Familien errichtet werden,
die früher im Gaza-Streifen gewohnt hatten. Die israelische Regierung,
erklärte ein Sprecher der israelischen Friedensbewegung "Peace now", habe
den Bau der Wohnhäuser genehmigt, weil Dutzende Siedler in den vergangenen
Wochen vier illegale Siedlungsaußenposten geräumt hatten.
"Peace now" kritisiert, dass Israel seine auf der Annapolis-Konferenz
getroffene Zusage gebrochen habe. Nach Angaben von "Peace now" haben die
Siedlungen und ihr Schutz von 1967 bis heute etwa 50 Milliarden US-Dollar
gekostet. |