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Weil man es nicht weiß:
Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg

Rezension von Rosa Fava

"Zwei nackte Männer wurden in einen Raum geführt, in dem es 40 bis 50 Grad unter null war, und es wurde gefilmt, wie sie starben. Sie litten solche Qualen, dass sie sich gegenseitig die Nägel ins Fleisch gruben." Wie sind solche Verbrechen möglich? "Es entspricht der japanischen Art, Vorgesetzten zu gehorchen. Die Versuchspersonen schrieen zwar unaufhörlich, weil sie keine Betäubungsmöglichkeiten bekommen hatten, aber wir betrachteten sie nicht als menschliche Wesen. Für uns waren sie nicht mehr als ein Klumpen Fleisch auf einer Schlachtbank." Diese Worte des Soldaten Uesono, Mitglied der "Sondereinheit 731", finden sich in den "Unterrichtsmaterialien zu einem vergessenen Kapitel der Geschichte", der Handreichung "Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg" (S. 116). Zusammengestellt und herausgegeben wurde der 224 Seiten starke Band mit zahlreichen Quellen, Fotografien, Zeitleisten, Grafiken und auch poetischen Texten vom Rheinischen JournalistInnenbüro als Weiterentwicklung ihres Sachbuchs "'Unsere Opfer zählen nicht' – die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg" für den Einsatz in der historisch-politischen Bildung mit Jugendlichen.

Als der Band 2005 erschien, wurde er fast durchgängig überaus positiv rezensiert, wobei im Mittelpunkt einfach die Tatsache stand, dass man es bisher nicht wusste.[1] "Es" meint die vielfältige Art der Beteiligung von Menschen auf allen Kontinenten und Archipelen an den verschiedenen Fronten des Krieges, die komplexen und zeitlich wechselnden Bündnisse sowie ideologischen Verbindungen zwischen den Großmächten und Machthabern in den Kolonialgebieten sowie nicht zuletzt die immensen Opfer, die eine Bevölkerung brachte, um die "Erste Welt" von Faschismus, Nationalsozialismus und Großmachtwahn zu befreien, die selbst unter Kolonisierung und Rassismus litt und noch lange leiden sollte. Die eingangs genannte Sondereinheit des japanischen Militärs, die im Zuge der Eroberung Chinas systematisch Menschenversuche durchführte, ist nur ein Beispiel für solche auch strukturellen Verbindungen, wie sie sich auf jeder Seite in mehr oder weniger überraschender Gestalt finden. Ein anderes sind die zwei schwarzen Soldaten, die auf dem Umschlag zu sehen sind, wie sie mit Maschinengewehren in vereister Landschaft hinter einer Befestigungsanlage ausharren. Sie wirken, als sollten sie den Buchtitel illustrieren: zwei Afrikaner auf einem europäischen Schlachtfeld. Vielleicht wurde das Bild auch gewählt, um gängige Klischees zu durchkreuzen: Man muss sie nicht als quasi deplazierte Bewohner des Südens, die dem Frost des Nordens ausgesetzt sind, betrachten. Vielleicht handelt es sich um Männer, die sich aus antifaschistischer Motivation dem Widerstand angeschlossen haben? Oder auch um welche, die für die Deutschen kämpften in der Hoffnung, durch den Sieg über den Feind die Freiheit von der Kolonialherrschaft zu erringen? Solche Bilder und Quellentexte, die die Menschen als handelnde Subjekte zeigen, werfen viele Fragen auf und lassen sich einsetzen, um zur Erarbeitung von komplexen, oft aber nur unbekannten Hintergründen zu motivieren.

Dabei, dies zeigen die Zeugnisse der japanischen Verbrechen, die sich nicht den Erfordernissen des Krieges unterordnen lassen, thematisieren die AutorInnen Ereignisse und Handlungen, die dem sehr nahe kommen, was als Spezifik des Nationalsozialismus gilt. So lautet denn auch eine Kritik an der Darstellung in "Unsere Opfer zählen nicht": "Als Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und als Voraussetzung für die 'Endlösung der Judenfrage' im Holocaust unterschied sich der im September 1939 von Deutschland begonnene Krieg wesentlich von allen vorherigen Kriegen, die in Europa, aber auch in den Kolonien geführt wurden. So richtig es daher ist, die Auseinandersetzung mit dem Zweiten Weltkrieg nicht auf die Zeit vom 1. September 1939 bis zum 8. Mai 1945 zu reduzieren, so notwendig ist es dennoch, die Besonderheit der deutschen Kriegspolitik gegenüber den kolonialpolitischen Überlegungen der Alliierten im Zweiten Weltkrieg herauszustellen. Gerade die nationalsozialistische Politik war es schließlich, die die Bewohner der Kolonien vor die Wahl stellte: Kollaboration mit den Achsenmächten oder Unterstützung der Alliierten."[2]

Die Kritik des Islamwissenschaftlers Goetz Nordbruch wird zutreffen für die von ihm angesprochenen Alliierten und deren Kolonialgebiete, sie trifft jedoch den Kern der Argumentation des Rheinischen JournalistInnenbüros nicht: Diese lassen den Zweiten Weltkrieg mit dem Überfall Italiens auf Äthiopien am 3. Oktober 1935 beginnen und stellen dar, wie der Verlauf des Krieges in Afrika auf Grund des internationalen Bündnissystems abhängig wurde vom Verlauf des Krieges zwischen den Großmächten, der nach dem deutschen Überfall auf Polen begann. Insofern war der Verlauf 'des bisherigen Zweiten Weltkriegs' auch beeinflusst von der Dynamik des italienischen Kolonialkrieges in Afrika, der nur einen Teil der italienischen Kriegspolitik nach dem Kriegsbeginn in Europa bildete. In Afrika standen sich, nachdem Groß Britannien Äthiopien zu Hilfe kam, "Soldaten aus drei Kontinenten und aus 17 verschiedenen Ländern gegenüber" (S. 14); mit ihrem Widerstand trug die äthiopische Bevölkerung zur Kapitulation Italiens bei. Der Krieg Japans und seiner Verbündeten in Asien schließlich, getragen von einer rassistischen Herrenmenschenideologie, lässt sich gar nicht mehr als Reaktion auf die nationalsozialistische Expansion verstehen. Insofern bleibt die Frage nach Besonderheiten offen und es ist ein Verdienst des Rheinischen JournalistInnebüros, mit ihren Publikationen eine Grundlage für die Debatte über Spezifika der deutschen Kriegsführung jenseits von Fachkontroversen gelegt zu haben. Besondere Sorgfalt ist dabei im Unterricht nötig, da didaktische Reduktionen schnell Gefahr laufen, durch Verkürzungen falsch zu werden.

Die Singularität des Holocaust wiederum wird durch die Einbettung in das globale Kriegsgeschehen sehr deutlich. So ermöglichte etwa das Desinteresse Japans an der Ermordung der ins besetzte Shanghai geflüchteten jüdischen Bevölkerung trotz der von deutschen Diplomaten dafür vorgelegten Pläne den Menschen das Überleben. Dem Holocaust, antijüdischen Gesetzgebungen sowie ideologischem Antisemitismus wird generell sehr viel Raum gegeben und anhand der politischen Programme oder Motivationen der Verbündeten Deutschlands thematisiert. Es wird deutlich, dass die mit Deutschland kollaborierenden regionalen Machthaber in den Kolonialgebieten sich darin unterschieden, ob der Antikolonialismus oder die Affinität der politischen Ordnungsvorstellungen und die antisemitische Zielsetzung im Zentrum standen. Dabei verdeutlichen die AutorInnen, dass nicht die Nationalität oder eine objektive Stellung als Kolonisierte ausschlaggebend war, sondern die politischen Interessen der jeweiligen Protagonisten: In Bezug auf Indien wird sowohl die Ablehnung einer Zusammenarbeit mit den Achsenmächten durch Ghandi und Nehru thematisiert als auch die Kollaboration des im deutschen Exil aktiven Subhas Chandra Boses, der eine Indische Legion rekrutierte, die in die Wehrmacht eingegliedert und in Frankreich eingesetzt wurde.

Am intensivsten wird die Kollaboration von arabischen Politikern thematisiert, die weniger unter der Kategorie Krieg als vielmehr unter der Überschrift "Arabische Täter und arabische Retter" behandelt wird. Im Gegensatz zu den Kapiteln über andere Erdeteile steht hier der Antisemitismus in Nordafrika und vor allem im Nahen Osten zur Zeit des Kriegs und in seiner Kontinuität bis heute im Vordergrund, zu der auch die Leugnung des Holocausts und die Ablehnung einer selbstkritischen historischen Reflexion in arabischen Staaten gezählt werden. Eine ähnliche Schwerpunktsetzung hatte erwartungsgemäß schon im Sachbuch zu negativen Reaktionen geführt. In der Zeitschrift inamo (Informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten e.V.) vom Herbst 2005 erschien eine sehr ausführliche Kritik, die zwar einige bedenkenswerte Punkte nennen und in Details auch zutreffend sein mag, die sich aber durch nicht nur antizionistische, sondern auch antisemitische Auslassungen diskreditiert.[3] Für das Schulbuch zieht das Rheinische AutorInnenkollektiv vor allem Arbeiten Satloffs, Mallmann/Cüppers, Gensinkes und Morris’ heran und empfiehlt für die Recherche den Internet-Dienst MEMRI. Damit positioniert es sich transparent in einer laufenden Kontroverse auf Seiten einer durchaus heterogenen sowohl Forschungs- als auch politischen Perspektive, deren einzelne Interpretationen zwar auch hinterfragbar sind, die aber richtig darin liegt, die Rolle des Antisemitismus im arabisch/muslimisch-israelischen Konflikt in Gegenwart und Vergangenheit herauszustellen.

Das Kapitel über die Kollaboration in arabischen Ländern am Holocaust thematisiert zwar auch die strategischen Interessen Deutschlands in diesem Raum (im Osten bis zum Iran) und geht damit über eine verbreitete Auffassung hinaus, die den Krieg in Nordafrika zum einen nur als Abenteuer des "Wüstenfuchs Rommel" gegen die Engländer und zum anderen als Bündnisverpflichtung gegenüber Italien kennt. Im Zentrum steht aber die kaum bekannte Verfolgung der jüdischen Bevölkerung in Nordafrika und die erst in jüngster Zeit thematisierte Zielsetzung der Vernichtung der jüdischen Gemeinde vor allem in Palästina. Es wird hier also ein Teil deutscher Geschichte aufbereitet. Über die deutsche Politik vor Ort wird die Kollaboration der lokalen Bevölkerung bzw. der politischen Instanzen in den Blick genommen und dabei insbesondere die Rolle des Großmuftis Hadj Amin el-Husseinis betrachtet. Die Quellen-Materialien für die SchülerInnen nehmen, ebenfalls explizit und transparent, in den aktuellen Problemen und Gefahren, die in der Leugnung des Holocaust durch arabische Staaten, aber auch durch den Iran liegen, ihren Ausgangspunkt und verfolgen antisemitische und nationalsozialismusfreundliche Politiken zurück in die Zeit des Weltkrieges. Hervorgehoben wird am Beispiel des durch Satloff bekannt gewordenen Khaled Abdelwahhab jedoch auch ein Retter von Jüdinnen und Juden, um eine Ethnisierung zu vermeiden.

"El Alamein" und die Kapitulation der "Heeresgruppe Afrika" sind Stichworte, die Erfolge der Alliierten markieren, die schließlich den Sieg über zumindest die beiden europäischen kriegstreibenden Mächte und die deutsche Vernichtungspolitik mit einleiteten. Dank der Materialien zur Dritten Welt im Zweiten Weltkrieg kann man wissen, wie viele Hunderttausende und Millionen Menschen aus allen Kontinenten und kolonisierten Gebieten zu den alliierten Streitkräften gehörten – darunter auch Araber und Muslime.

Rheinisches JournalistInnenbüro/Recherche International e.V. (Hg.): Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg. Unterrichtsmaterialien zu einem vergessenen Kapitel der Geschichte, Köln 2008. 224 S. inkl. CD mit allen Materialien sowie Audio-Interviews, 15 Euro. www.rjb-koeln.de

Anmerkungen:
[1] Der Verlag hat eine große Anzahl Rezensionen online gesammelt: http://www.assoziation-a.de/rezension/%BBUnsere_Opfer_z%E4hlen_nicht%AB.htm#top.

[2] http://www.qantara.de/webcom/show_article.php/_c-468/_nr-338/i.html.

[3] Online nachzulesen unter: http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Kriegsgeschichte/opfer.html.

hagalil.com 31-07-2008

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