Ein Bild für Hannah oder Ahava heißt Liebe:
"Die Freundinnen Hanne, Sanne, Anne und das Moortje"
Anne Franks Freundin Hannah Goslar
erhält mein Aquarell
Ein Erlebnisbericht aus dem Jahre 1999
Von Heide Kramer, Hannover
"Die Freundinnen Hanne, Sanne, Anne und das
Moortje". Aquarell von ©Heide Kramer. April 1999.
Aus Anne Franks Brief, den sie
kurz nach Ostern 1942 nach Basel schickte:
"Sanne (SUSANNE LEDERMANN) ist so wie ich verrückt nach Moortje. So
heißt unsere Katze, die wir seit einem halben Jahr haben. Sie ist
ein Weibchen und ich hoffe bald auf Kinder, da sie im Augenblick
viele Männer trifft."
Es war mein langgehegter Plan, für
die beste Freundin Anne Franks aus der Amsterdamer Emigration eine
künstlerische Impression zu erarbeiten. Hannah Pick, geborene
Goslar, von Anne in ihrem Tagebuch "Hanne", Hanneli" oder auch "Lies
Goosens" genannt, wurde am 12. November 1928 in Berlin geboren und
lebt seit 1947 in Jerusalem. Der Wunsch, ihr mein Aquarell aber auch
persönlich auszuhändigen, sollte sich realisieren.
"Wer uns zusammen sah, sagte
immer: "Da laufen Anne, Hanne und Sanne"
Dieses Zitat aus Anne Franks
Tagebuch vom 14. Juni 1942 brachte mich auf die Idee, meinen
künstlerischen Experimentiergeist herauszufordern. Doch bevor ich
das praktizierte, stellte ich mir selbstkritisch die Frage, ob meine
eigenen Möglichkeiten ausreichen würden, den Satz Anne Franks
bildnerisch so aussagekräftig zu gestalten, um die Menschen dafür
einzunehmen bzw. ihr Interesse zu gewinnen.
Ich stellte mir vor, wie sich das
Zusammensein dieser Kinder abgespielt haben könnte: Drei junge
Mädchen erfreuen sich ihres Lebens, was an und für sich nichts
Außergewöhnliches ist. Doch hier lief es anders: Diesen Mädchen
stand die Lebensfreude nicht zu. Ihr Leben war nicht gefragt, es
hing am seidenen Faden, vielmehr wurde danach getrachtet, es
auszulöschen.
Ernste Gedanken machten sich in der
Amsterdamer Emigration die Mädchen Hannah Goslar, Susanne Ledermann
(1) und Anne Frank vorläufig nicht. Ihren
im Jahre 1933 vor den Nationalsozialisten aus Deutschland geflohenen
Eltern war es bislang gelungen, den Kindern ein sorgloses Leben zu
bieten und die politischen Ereignisse von ihnen fernzuhalten. Diese
Mädchen gingen ganz normal zur Schule, sie pflegten Freundschaften,
Kontakte, Interessen.
Als jedoch am 10. Mai 1940 die
Deutsche Wehrmacht die Niederlande überfiel, blieb auch den
herangewachsenen Freundinnen nicht mehr alles verborgen. Sie wussten
inzwischen sehr gut, was der gelbe Stern bedeutete, der ihnen und
unzähligen anderen Menschen angeheftet worden war.
Mein Bild sollte aber
ausschließlich der fröhlichen Notiz Anne Franks entsprechen und auch
so verstanden werden. Die genannten Aspekte führten endlich zu dem
Aquarell "Die Freundinnen Hanne, Sanne, Anne und das Moortje".
Welche Rolle spielt "Moortje"?
"Moortje" war Annes Lebensinhalt
und bestimmte ihre Tagesabläufe. Anne Frank dokumentierte ihre "Moortje"
intensiv, sodass ich entschied: Die Katze darf auf meinem Bild nicht
fehlen. So belegen auch Autorinnen und Autoren die Existenz der "Moortje",
wie zum Beispiel Ernst Schnabel in "Anne Frank - Spur eines Kindes",
Alison Leslie Gold in "Erinnerungen an Anne Frank" oder Miep Gies in
"Meine Zeit mit Anne Frank". Die kleine schwarze Katze "Moortje"
gehörte zu Anne, wurde heiß geliebt und im Versteck in der
Prinsengracht bitter vermisst. Anne schrieb am 12. Juli 1942: "Moortje
ist mein weicher und schwacher Punkt. Ich vermisse sie jede Minute,
und niemand weiß, wie oft ich an sie denke". Die Notwendigkeit
gebot, die Katze zurückzulassen. (Wie wir heute wissen, gelang es, "Moortje"
bei Annes Freundin Toosje (in der Nachbarschaft) sicher
unterzubringen.)
Die Übergabe
Der 3. Juli 1999 steht nun für die
persönliche Übergabe meines Bildes an Hannah Pick. Sie ist derzeit
Gast der Regionalen Arbeitsstelle für Ausländerfragen (RAA) in
Strausberg, und so kann unser Zusammentreffen günstig eingerichtet
werden.
Der 3. Juli fällt auf einen
Sonnabend, ein Grund für die strenggläubige Hannah Pick, anlässlich
der Schabbath-Feierlichkeiten vorübergehend nach Berlin
überzusiedeln. Aber sie nimmt sich Zeit für mich, und wir verabreden
17.00 Uhr für das Treffen in ihrem Berliner Hotel, das sich nahe der
Synagoge befindet.
Ich sitze im Gartenlokal des Hotels
"Savoy" einer lebensnahen, klugen, aber auch humorvoll-charmanten
Dame gegenüber. Hannah Pick ist seit längerem in mein Vorhaben
eingeweiht, doch als sie mein Freundinnen-Aquarell entgegennimmt,
werden Emotionen spürbar. Ich kenne ihre Biografie seit Jahrzehnten
nicht allein aus Annes Tagebuch, sondern von Funk, Fernsehen,
aufgezeichneten Gesprächen, ihr Gesicht ist mir von vielen Fotos
vertraut. Hannah Pick nun aber wirklich gegenüberzusitzen, ist mir
zunächst etwas unbegreiflich. Doch dieses Gefühl ist schnell
überwunden. Sie ist sehr aufgeschlossen, aber wiederum distanziert
und gefestigt. War diese letztgenannte Eigenschaft gar in jenen
grauenvollen Zeiten eine schützende Hülle für die schutzlose Hannah?
Ich erfahre, dass ihre im Jahre 1940 in Amsterdam geborene Schwester
Gabi sich früher geschworen hat, niemals deutschen Boden zu
betreten.
Das Schicksal
Hannah und Gabi Goslar litten mit
zahllosen anderen Häftlingen im Konzentrationslager Bergen-Belsen.
Anfang April 1945 entstand hier das Gerücht, das gesamte Lager würde
nach Theresienstadt evakuiert werden. Es war jedoch kein Gerücht:
Die Nazis beabsichtigten, die Häftlinge loszuwerden, um die
Verbrechen auf diese Weise zu vertuschen. Allein und auf sich
gestellt, nachdem Eltern und Großeltern gestorben waren, traten die
sechzehnjährige Hannah und ihre vierjährige Schwester Gabi gemeinsam
mit unzähligen Häftlingen die Fahrt in Viehwaggons an. Noch kurz
vorher konnte Hannah in Bergen-Belsen für ihre hier zufällig
wiedergefundene Freundin Anne Frank sorgen, für deren Schwester
Margot war es bereits zu spät.
Bergen-Belsen: Die Schwestern Hannah (rechts) und
Gabi (Rachel) am Gedenkstein für Margot und Anne Frank.
Foto: ©Heide Kramer, 12. November 2002.
Hannover-Besuch am 11. November 2002 als Gäste bei
Heide Kramer
Die Schwestern Hannah Pick-Goslar (links) und Gabi (Rachel)
Moses-Goslar im Wohnzimmer meiner Mutter
Foto: ©Heide Kramer
Nach zahlreichen qualvollen, immer
wieder durch Tiefflieger unterbrochenen Reisetagen im Viehwaggon,
Angst und Tod als ständige Begleiter, befanden sich die am Leben
gebliebenen Häftlinge unter den unmenschlichsten Bedingungen endlich
in der kleinen brandenburgischen Gemeinde Tröbitz (Niederlausitz). Hier vollzog sich
auf den Bahngleisen (2) für sie am 22.
April 1945 die "Befreiung" durch die Rote Armee.
Mit von den Soldaten der Roten
Armee versehenen Lebensmittelmarken landeten Hannah und Gabi Goslar
im verlassenen Haus des Bürgermeisters der benachbarten Gemeinde
Schilda. Dieses Haus bot den beiden Mädchen zwar zunächst eine
Unterkunft, aber weder Schutz noch Obdach. Als Hannah sich zutiefst
erschöpft in ein Bett legen wollte, entdeckte sie an den Wänden des
Zimmers eine hellgrüne mit Hakenkreuzen gemusterte Tapete.
Anne Franks Vater Otto hatte nach
seiner eigenen Befreiung aus Auschwitz vom Überleben der Schwestern
Goslar erfahren. Er beschloss, sich ihrer anzunehmen. Doch bevor
dieses für ihn praktizierbar sein konnte, führte der Weg der beiden
schwerkranken Mädchen durch Unterstützung des Roten Kreuzes zunächst
in ein Lazarett nach Leipzig und anschließend in ein Krankenhaus
nach Maastricht. Durch Otto Franks Einsatz gelang es später, die
Mädchen zu Verwandten in die Schweiz einreisen zu lassen.
Impressionen
Etwas später setzt sich Hannah
Picks fünfzehnjähriger Enkel "Raffi" (Rafael) zu uns in das
Gartenlokal. Von ihren zehn Enkelkindern begleitet dieses Mal er
seine Großmutter auf ihrer Reise. "Raffi" spricht mit Hannah Pick
ausschließlich Hebräisch. "Er lernt jetzt auch gerade Englisch",
erklärt sie mir, und ich habe den Eindruck, dass "Raffi" zunächst
etwas skeptisch die "Lage" prüft. Sein Vater und Hannah Picks
Schwiegersohn Shmuel Meir war stellvertretender Bürgermeister von
Jerusalem, bevor er am 3. Dezember 1996 durch einen Autounfall
tödlich verunglückte. Ich habe das Buch "Erinnerungen an Anne Frank"
mitgenommen. Hannah hat es ihren Kindern und Enkeln, ihrem auf jene
tragische Weise gestorbenen Schwiegersohn und Miep Gies, die Margot
und Anne Frank beschützt hat, gewidmet.
Ich lenke bewusst das Thema nicht
schwerpunktmäßig auf Anne Frank, denn es ist kein Zufall, dass mein
Aquarell "die Freundin Hanne" zuerst benennt. Diese Arbeit soll eine
Hommage an drei Kinder sein. Doch zwei der Mädchen in meinem Bild
hatten den unausweichlichen Todesweg zu gehen: Sanne wurde 1944 in
den Gaskammern von Auschwitz ermordet, Anne verhungerte im März 1945
in Bergen-Belsen. Nur die im Bild dargestellte Hanne kam gerade
soeben davon. Sie ist gezielt die Empfängerin meines Bildes.
Das Leben nach der Shoa
Hannah Goslar entschloss sich nach
dem Krieg, in Israel Kinderkrankenschwester zu werden. Sie arbeitete
in den darauffolgenden Jahren auch als Schul- und Sozialschwester an
einer Beratungsstelle für Frauen, Mütter und Kinder. Aus dem eigenen
Leid heraus ist ihr Bestreben gewachsen, auf der Seite der
Schwächeren zu stehen und ihnen zu helfen. Sie heiratete und
verwitwete. Gegenwärtig lebt sie allein ohne jedoch allein zu sein,
denn sie praktiziert nach wie vor den Dienst an Menschen. Außerdem
hat sie eine große Familie.
Mit ihrer großen Familie: Hannah Pick (4. von links, obere Reihe,
mit schwarzem
Hut und Halskette, daneben im weißen Kleid und mit schwarzem Hut:
Hannahs
Tochter Ruthi Meir. Neben Ruthi (rechts): Das Brautpaar Rafael ("Raffi")
und Yaela
Meir (Januar 2008). Mit freundlicher Genehmigung von ©Frau Hannah
Pick,
Jerusalem/Israel. 2008.
Eine andere wichtige Aufgabe sieht
sie unverändert darin, Nachrichten an die Nachgeborenen zu senden.
Dieses bleibt ihr ein ernstes Anliegen. Sie reist in die Welt, um
mit Menschen zu reden, Vorträge zu halten und im Sinne des eigenen
Erlebten ihre Botschaft mitzuteilen, auch im Sinne Margot und Anne
Franks sowie aller Namenlosen, denen zu äußern es nicht vergönnt
ist: Nie wieder Auschwitz !
Ausklang eines bedeutungsvollen
Tages
Stunden voll intensiver Gespräche,
Offenheit mit- und untereinander schaffen eine entsprechende
Atmosphäre. Trotz schmerzender Knie möchte Hannah dennoch mit mir
einen Spaziergang unternehmen. So gehen wir durch die abendlichen,
sehr heißen belebten Straßen Berlins und haben eine Menge Themen,
auch der an vielen Dingen äußerst interessierte "Raffi" ist dabei.
Hannah Pick zeigt mir ferner, wo sich heute die Synagoge befindet:
Sie ist seit Kriegsende in der ehemaligen Loge in einem Hinterhaus
in der Joachimsthaler Straße beheimatet.
Um fast 21.00 Uhr begleite ich
beide zurück zum Hotel "Savoy". Es ist mein eigener Wunsch, noch
mitzukommen. Hannah Pick ist damit einverstanden, und sie bittet
mich in dem Zusammenhang um einige Handlungen, die strenggläubige
Juden am Schabbath nicht ausführen dürfen. Auch hierin lerne ich
eine Menge dazu. So werde ich in ihre Hotelräumlichkeiten
eingeladen, und ich betrachte das als Ausklang eines für mich
äußerst bedeutungsvollen Tages.
Im Zimmer betrachtet "Raffi" das
"Freundinnen-Bild" intensiv und konstatiert, ihm sei aufgefallen,
dass seine Großmutter Hannah da aussehe, als sei sie viel älter als
ihre Freundinnen Sanne und Anne, sie wirke wie eine Mutter, die sich
um alle sorgt. Anne Frank dagegen komme ihm dagegen klein und
kindlich vor. -- Hannah Pick gibt ihm recht und lächelt wehmütig:
"Das stimmt, ich musste mich ja auch ständig um alle und alles wie
eine Mutter kümmern!!"--- Anne Frank war ein halbes Jahr jünger als
Hanne und Sanne und tatsächlich für ihr Alter klein und zart.
Bald darauf will "Raffi" von mir
wissen, ob ich an Gott glaube, und da kehrt ganz plötzlich das
Entsetzensgefühl zu mir zurück, das mich während meiner Exkursion
nach Auschwitz im Oktober 1997 auf dem Gelände des Stammlagers I und
in Birkenau überfallen hat. Die Antwort, die der ebenfalls
strenggläubige "Raffi" von mir erwartet, kann ich ihm nicht
unbefangen geben. Hannah blickt mich aufmerksam an, sie durchschaut
wohl meine Gedanken und sagt: "Sicher, Gott hat sie alle dorthin
gehen lassen..."---
Heute: Rafael Meir ("Raffi") und seine Verlobte
Yaela Vinograd, Jerusalem 2007. Mit
freundlicher Genehmigung von ©Frau Hannah
Pick, Jerusalem/Israel. 2007.
Mir ist nicht entgangen, dass
Hannah aufmerksam das hiesige Geschehen beobachtet, interessierte
Fragen stellt und über alles sehr gut informiert ist. Außerdem hat
sie ihre ehemalige Muttersprache durchaus nicht vergessen. Sind
einige von Hannahs Wurzeln trotz der Entwurzelung in Deutschland
verblieben?
Fragende Blicke auf ihre
Kopfbedeckung (ein modischer Hut), die trotz kaum auszuhaltender
Hitzegrade unverändert auf ihrem Kopf verbleibt, entgehen ihr nicht.
Sie verrät den Grund: Es ist ein Ritual strenggläubiger jüdischer
Frauen, und später sagt mir Hannah, in ihrem Falle bedeute das auch
Würdigung für ihren zweiten verstorbenen, ebenfalls strenggläubigen
Ehemann.
Für Hannah Pick gibt es eine
verwandtschaftliche Verbindung nach Hannover. Ihr Vater Hans Goslar
war Ministerialrat für Innere Angelegenheiten und Pressechef des
Preußischen Kabinetts in Berlin bis zu seiner Emigration nach
Holland in 1933. Hans Goslar wurde 1889 in Hannover geboren. 1894
zog die Familie nach Berlin. (Mehr
zur Geschichte der Familie Goslar)
Als ich zu fortgeschrittener Stunde
wieder in meiner Unterkunft bin, schaue ich mir in Ruhe Hannah Picks
Geschenk an. Sie hatte mir das kleine Päckchen anfangs im
Gartenrestaurant gegeben, und ich höre jetzt deutlich ihre Stimme:
"Hoffentlich wird sie oft getragen!" Die silberne Anstecknadel ist
die Replik einer Stahlskulptur, die der amerikanische Künstler
Robert Indiana im Jahre 1978 kreierte und die dem Israel Museum in
Jerusalem als Geschenk übereignet wurde. Das Monument demonstriert
außerdem mit dem hebräischen Wort "Ahava" den Wunsch nach Frieden
mit und in der Welt: Ahava heißt Liebe.
Nachtrag:
Im Sommer 2000 erfuhr ich von Frau
Hannah Pick, dass sie einige Jahre zuvor im Rahmen einer
Deutschland-Exkursion die Gemeinden Tröbitz und Schilda in
Brandenburg (Niederlausitz) aufgesucht hatte. Sie kontaktierte auch Frau H., die
Tochter des im April 1945 amtierenden Bürgermeisters in Schilda.
Frau Pick gab sich als Überlebende vom Todeszug nach Theresienstadt
und seinerzeit Zufluchtsuchende im Bürgermeisterhaus nach der
Befreiung durch die Rote Armee im April 1945 zu erkennen.
Die in Schilda und in ihrem Elternhaus verbliebene
Bürgermeistertochter Frau H. erzählte Frau Pick, sie sei kurz vor
Kriegsende nach Stendal evakuiert worden, und nachdem sie in ihr
Haus zurückgekehrt sei, habe sie nicht allein dort entsetzliche
Verwüstungen vorgefunden, sondern auch zahlreiche Gegenstände
vermisst. Frau H. richtete in diesem Zusammenhang noch jetzt ihre
Schuldzuweisungen unmittelbar auf Frau Pick und stellte sie als
Diebin dar.
Erst nach dem Krieg ist bekannt geworden, dass nach dem Fortgang der
Schwestern Hannah und Rachel (Gabi) Goslar in dem verlassenen
Bürgermeisterhaus andere Flüchtlinge, befreite Häftlinge, befreite
ukrainische Zwangsarbeiter aus einem nahen Zwangsarbeiterlager und
versprengte Soldaten Obdach suchten und nach einiger Zeit
weiterzogen. Frau Hannah Pick versuchte Frau H. zu erklären, dass
sie und ihre Schwester sich lediglich ein paar Tage in dem Haus
aufgehalten und beim Verlassen nichts an sich genommen hatten. Aber
Frau H. blieb von dieser Aussage unberührt.
Sie hat sich übrigens konstant geweigert, Frau Pick die Hand zu
geben.
Text: ©Heide Kramer, Hannover,
Juli 1999. Aktualisiert: Juni 2008.
Aquarell von ©Heide Kramer. April 1999: "Die Freundinnen Hanne,
Sanne, Anne und das Moortje".
Fotos: ©Archiv. Privatfotos: Mit freundlicher Genehmigung von ©Frau
Hannah Pick, Jerusalem/Israel, 2007 und 2008.
Quelle: ©Melissa Müller: "Das Mädchen Anne Frank. Die Biographie",
1998
Anmerkungen:
(1)
Susanne Ledermann, ©Archivfoto; Geboren am 8. Oktober 1928 als
zweite Tochter des Rechtsanwalts Dr. Franz Ledermann und seiner
Ehefrau Ilse in Berlin/Deutschland. Nach 1933 emigriert die Familie
in die Niederlande/Amsterdam. Susanne ("Sanne") Ledermann, Hannah
Goslar und Anne Frank lernen sich hier kennen und werden
Freundinnen. Sanne Ledermann wird mit ihren Eltern am 20. Juni 1943
bei einer Großrazzia der Deutschen in Amsterdam unmittelbar aus
ihrer Wohnung geholt. Die Menschen gelangen über das
Judendurchgangslager Westerbork nach Auschwitz und werden dort 1944
ermordet. Susannes ältere Schwester Barbara kann nur deshalb
entkommen, weil sie sich zu diesem Zeitpunkt bei ihrem Freund
aufhält. Nach der Deportation der Eltern und der Schwester gelingt
es Barbara, bei christlichen Freunden unterzutauchen. Nach 1945
emigriert Barbara Ledermann in die USA. Sie heiratet den
Wissenschaftler und späteren Nobelpreisträger Martin Rodbell.
Barbara Rodbell-Ledermann lebt inzwischen verwitwet noch heute in
North Carolina/USA.
(2) Der von der Roten Armee am 22. April 1945 bei
Tröbitz in Brandenburg befreite Todeszug ab Bergen-Belsen mit dem
Ziel Theresienstadt ist unter der Bezeichnung "Der verlorene Zug" in
die Geschichtsschreibung eingegangen. |