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Im Westen protestieren nur sehr wenige:
Darfur ist das Opfer einer Lücke im Völkerrecht

von Micha Brumlik, Hochschullehrer und politischer Publizist

Hunderttausende von Menschen ermordet, Millionen vertrieben - die Bilanz von vier Jahren Bürgerkrieg in der westsudanesischen Provinz ist deprimierend. Hoffnung besteht kaum, denn die Interessen der großen Mächte sind nicht stark genug, um einzuschreiten.

Im Fall des Völkermords von Darfur ist nur wenig klar – nicht einmal die genaue Anzahl der Opfer. Menschenrechtsorganisationen gehen gleichwohl von bisher etwa vierhunderttausend vertriebenen, vergewaltigten und schließlich getöteten Menschen aus.

Im Westen protestieren nur sehr wenige auf den Straßen, während westliche Regierungen gegenüber dem Sudan gerade soviel tun, wie unbedingt nötig ist, um nicht völlig unglaubwürdig zu wirken. Warum erregt Darfur sowenig Anteilnahme? Warum reagieren westliche Öffentlichkeiten, die gerne beschwören, dass „Auschwitz“ sich nicht wiederholen dürfe, die gerne behaupten, aus dem Versagen der UN in Ruanda und Srebrenica etwas gelernt zu haben, achselzuckend bis gleichgültig?

Das dürfte unter anderem daran liegen, dass es sich bei den Verbrechen um Darfur eben nicht um einen klassischen Völkermord handelt und daran, dass dieser untypische Völkermord im Abseits von Weltpolitik und Weltgeschichte exekutiert wird. So sehr die USA und auch die Volksrepublik China beim aufstrebenden Erdölexporteur Sudan massive Interessen wahrnehmen, so sehr betrifft all dies doch nur einen relativ kleineren Anteil ihres Rohstoffimports. Die mehr oder minder namenlosen Opfer eignen sich genauso wenig zu wirkungsvollen Solidaritätserklärungen wie die moderat islamistische Regierung in Khartum und die von ihr geförderten Mordbanden zu erklärter politischer Feindschaft. Noch nicht einmal den verschiedenen darfurischen Rebellengruppen, die sich untereinander durchaus blutig bekämpfen, ist es gelungen, die weltweite Anerkennung als „Befreiungsgruppen“ zu erhalten.

Darfur ist ein erstes Beispiel für einen Genozid nicht nur im Schatten, sondern im weltpolitischen Abseits, einem Abseits, das durch den Mangel an organisierten ökonomischen Interessen, das Fehlen unmittelbarer Sicherheitsprobleme und das völlige Fehlen ideologischer Identifikation hervorsticht. Zudem fällt die allseits erklärte Unzuständigkeit auf – ein Umstand der es auch der internationalen Gemeinschaft erschwert, überhaupt politisch Stellung zu nehmen. Zwar kann man die sudanesischen Regierung indirekt einer Beteiligung zeihen, ihr indes einen Vorsatz im Sinne der UN Völkermordkonvention nachzuweisen, dürfte schwer fallen, weil sich ein politischer Vorsatz, wie er etwa im Genozid in Ruanda 1994, begangen von der Volksgruppe der Hutu an den Tutsi, gut dokumentiert ist, nicht auffinden lässt.

Das verweist auf eine völkerrechtliche Gesetzeslücke sowie auf ein systematisches Problem. Die 1948 verabschiedete und von fast allen Staaten ratifizierte Völkermordkonvention krankte von Anfang an daran, dass auf Betreiben der Sowjetunion die Verfolgung „sozialer“ Gruppen erst gar nicht aufgenommen wurde und an der Folgerung, dass das hohe Gut staatlicher Souveränität erst dann durch eine Intervention - sei es in Form wirtschaftlicher oder militärischer Sanktionen - beeinträchtigt werden darf, wenn die Intention des Völkermords einwandfrei nachgewiesen ist, also dann, wenn es bereits zu spät ist. Kommt dann noch – wie im Fall Darfur – das Fehlen massiver materieller, ideeller oder sicherheitspolitischer Interessen hinzu, steht mörderischen, eher unpolitischen Briganten wie der arabischen Reitermiliz Dschandschawid und einer sudanesischen Regierung, die um nationaler Ziele wegen das Morden billigend in Kauf nimmt, nichts mehr im Wege.

Leider ist absehbar, dass sich die angedeutete Strukturlosigkeit jedenfalls auf dem afrikanischen Kontinent noch verstärken wird – mit dem Resultat von „failing states“, in deren Abseits gerade die wehrlose Zivilbevölkerung zum Opfer von um Macht, Einfluss und Territorien konkurrierenden Kampfverbänden wird. Sie – die politisch nicht organisierte Zivilbevölkerung in nachstaatlichen Territorien des Südens dieser Welt - wird auch künftig die blutige Zeche des Zerfalls staatlicher Strukturen zahlen müssen.

Das internationale, humanitäre Recht orientiert sich nach wie vor – und zur Zeit seiner Entstehung auf keinen Fall zu Unrecht – am totalitären, diktatorischen Staat. Doch hinkt das Recht längst der Wirklichkeit hinterher: Globalisierung hier und Staatsverfall dort lassen Räume für neuartige Massenverbrechen entstehen, für, wenn man so will, nachklassische Genozide, die sich gerade durch das Fehlen ideologisch gefestigter totalitärer Bewegungen auf staatlicher Basis auszeichnen.

So sehr es also zu begrüßen ist, dass der internationale Strafgerichtshof derzeit schon in Sachen Dafur ermittelt, so dringlich bleibt eine Erweiterung der Völkermordkonvention im Hinblick auf andere als ethnische, religiöse oder auch sprachliche Gruppen, sowie eine Änderung der Definition von „Genozid“. Während im innerstaatlichen Strafrecht die Unterscheidung zwischen Mord und Totschlag für die den Rechtsfrieden wahrenden Strafzumessung wesentlich ist, sollte im humanitären Völkerrecht der Schutz- und Präventionsgedanke Vorrang vor der Wahrung des Rechtsfriedens haben. Das aber heißt nichts weniger, als dass Genozide mit allen Rechtsfolgen schon dann festgestellt werden können, wenn es die internationale Gemeinschaft „lediglich“ mit einwandfrei festgestellten massenhaften Verbrechen gegen große Kollektive von Menschen zu tun hat, aber im gegebenen Augenblick nicht in der Lage ist, den Nachweis eines eindeutigen Vorsatzes für diese Handlungen zu erbringen.

Die Bundesrepublik Deutschland, die so gerne die Übernahme internationaler Verantwortung für eines ihrer wesentlichen außenpolitischen Ziele erklärt, sollte sich daher bei ihren Freunden und Verbündeten für eine Neufassung der Völkermordkonvention einsetzen.

Micha BrumlikMicha Brumlik, Jg. 1947, lehrt Allgemeine Erziehungs- wissenschaft an der Johann Wolfgang Goethe Universität in Frankfurt am Main und leitete von 2000 - 2005 das dort angesiedelte Fritz Bauer Institut, Studien- und Dokumentations- zentrum zur Geschichte des Holocaust und seiner Wirkung.
Als Mitherausgeber der "Blätter für Deutsche und internationale Politik" hat er darin einen Beitrag "Zur Theorie des Völkermords" publiziert.
http://www.welt.de

hagalil.com 30-03-2008

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