Ein Thema, zwei Meinungen
Die "Linke" und ihr Verhältnis zu Israel:
"Eine empörende Feindseligkeit"
Dieter
Graumann
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http://zentralratdjuden.de
Herr Graumann, woran macht sich Ihre
fundamentale Kritik an der neu gegründeten «Linkspartei» fest?
Ich habe gar keine fundamentale Kritik an der
neuen Partei geübt, ich habe ja auch nicht die gesamte neue Partei
zu bewerten. Es geht auch überhaupt nicht nur um die neue Partei,
sondern es geht darum, dass die «Linkspartei PDS», jetzt die
«Linke», in der Parteiführung eine betont israelfeindliche Politik
betreibt, bisher jedenfalls, besonders in der Person von Oskar
Lafontaine. Ich habe das an verschiedenen Beispielen gezeigt. Immer
wieder stellt Lafontaine etwa eine Gleichheit zwischen einem
demokratischen Staat und einer berüchtigten Terrororganisation her.
Das hat er beispielsweise im letzten Libanonkrieg mit Israel und der
Hisbollah gemacht. Und auf der anderen Seite vollzieht er eine
moralische Gleichsetzung zwischen Israel und dem Iran, einem Staat,
der die Judenfeindschaft zur Staatsräson gemacht hat. Das macht er,
indem er immer wieder betont, der Iran könne doch auch Atomwaffen
haben, wenn Israel welche habe. Diese Gleichsetzung ist moralisch
schändlich und regt mich sehr auf. Auf der anderen Seite habe ich -
das darf man aber dann nicht alleine auf Lafontaine zuspitzen -
darauf verwiesen, dass die Linkspartei im letzten Herbst einen
Minister der Hamas zu einer Konferenz eingeladen hat. Dieser durfte
dann nur nicht kommen, weil die Bundesregierung ein Einreiseverbot
erlassen hatte. Das wurde in der Partei dann auch da und dort
kritisiert, aber die Linkspartei hat die Einladung dennoch nicht
zurückgenommen. Man sieht ja momentan, was die Hamas für eine Partei
ist. Das ist die gleiche Partei, die derzeit im Gazastreifen
«Hamastan» begründet, die nicht davor zurückschreckt, Blutbäder
unter den eigenen Menschen anzurichten und die einen
fundamentalistischen, islamistischen Staat begründen will. Sollten
das etwa die Gesinnungsgenossen der Linkspartei sein? Ich finde,
eine neue Parteigründung wäre eine wunderbare Gelegenheit, mit
dieser Linie einmal ganz offiziell zu brechen. Bis jetzt sehe ich
das aber leider nicht. Entweder fehlt hier die Einsicht oder die
Courage.
Was hat Ihnen denn Ihr neuer «Brieffreund»
Oskar Lafontaine geschrieben?
Ich hatte ja bereits am letzten 9. November bei
meiner Rede in der Paulskirche die Linkspartei kritisiert. Darauf
hat Lafontaine mir einen Brief geschrieben und bestritten,
antisemitisch zu sein. Das habe ich übrigens auch nie behauptet. Ich
sehe hier vielmehr eine empörende Feindseligkeit gegenüber dem
jüdischen Staat, die ich für moralisch verwerflich halte. Das ist
aber noch lange kein Antisemitismus. Insofern kann man das auch
nicht mit der NPD vergleichen, die ja zurzeit auf geradezu rührende
und lächerliche Weise versucht, die Linkspartei in die Armen zu
schließen. Man darf das daher auch nicht in einen Topf werfen.
Lafontaine und ich haben uns dann brieflich ausgetauscht. Am Schluss
bleibt, dass wir in vielen Punkten eben nicht übereinstimmen. Was
etwa die Bewertung der Politik Israels und des Iran angeht, stimmen
wir eben gar nicht überein. Und das scheint auch so zu bleiben. Die
Linkspartei ist in meinen Augen bestimmt nicht antisemitisch, aber
sie ist eben doch extrem Israel feindlich eingestellt, und meiner
Meinung nach ist das schließlich doch oft noch das eklige Erbe der
alten SED, was hier immer wieder aufblitzt. Die SED war nicht nur
israelfeindlich, sie hat aktiv versucht, die Existenz Israels zu
zerstören, indem sie die Todfeinde Israels unterstützt hat, nicht
nur propagandistisch, sondern auch militärisch. Sie ist quasi
radikal und existentiell gegen den jüdischen Staat vorgegangen, hat
die schlimmsten Terrorgruppen, zum Beispiel den «Schwarzen
September», mit allen Möglichkeiten gefördert und gepäppelt. Mein
Eindruck ist, dass dieses alte, giftige Erbe der SED bis heute da
und dort in der Linkspartei reflexartig immer wieder aufblitzt. Ich
würde die Partei jetzt dazu ermutigen, die Chance der Neugründung zu
ergreifen und mit dieser fatalen Linie zu brechen. Das wäre schön,
aber bis jetzt kann ich das nicht erkennen. Also: Mehr Mut!
Aber es gibt auch Stimmen bei der «Linken», die
eine andere Position einnehmen.
Selbstverständlich! Die Einladung an den
Hamas-Politiker hat immerhin ein bisschen Widerspruch hervorgebracht
- aber die Partei- und Fraktionsführung stand stramm zu diesem Kurs.
Mich betrübt, dass auch Gregor Gysi, der sich ja sonst zu jeder
Frage zu Wort meldet, hier vollkommen stumm bleibt. Man hört nichts
von ihm zum Thema Israel. Es wäre schön, wenn er hier einmal eine
eigene Meinung äußern würde. Noch schöner wäre es, wenn er hier
Herrn Lafontaine einmal zu widersprechen wagte. Aber bis jetzt merkt
man davon nichts.
Wie würden Sie sich denn eine Linie der
«Linken» und auch anderer deutscher Parteien wünschen?
Das hat doch nichts damit zu tun, was man immer
wieder hört, dass man Israel nicht kritisieren solle oder dürfe:
Jeder darf Israel kritisieren. Die aktuelle israelische Politik wird
überall kritisiert und nirgendwo wird sie heftiger und
leidenschaftlicher kritisiert als in Israel selbst. Dass Israel eine
lebendige Demokratie mit intensiver Streitkultur ist, wird im Westen
viel zu wenig gewürdigt. Dass es hier ein großes Stück
Werte-gemeinschaft mit Israel gibt, müsste man sehr viel stärker
anerkennen. Es hat also gar nichts damit zu tun, dass man aktuelle
israelische Politik vielleicht nicht gut heißt. Das zu sagen ist
legitim. Aber hier geht es darum, dass der Eindruck erweckt wird,
dass man grundsätzlich die Existenz nicht zu akzeptieren bereit ist
und dass man sich denen, die Israel auslöschen wollen, nicht
energisch genug widersetzt. Denken Sie an den Iran. Oskar Lafontaine
hat mehrfach angekündigt, er wolle in den Iran reisen - zu einem
Regime, das offiziell erklärt: Wir wollen Israel vernichten. Da habe
ich zu wenig Widerspruch in der Partei gehört. Wo sind die
Demonstrationen gegen den Iran? Gegen einen faschistischen
Präsidenten, der einen eliminatorischen Antisemitismus predigt. Aber
die fehlende Unterstützung in dieser Frage betrifft nicht nur die
«Linke».
Dem Selbstverständnis der «Linken» nach ist
einer der Eckpfeiler ihrer Parteiarbeit der Kampf gegen Rassismus
und Rechtsextremismus. Geht dem Zentralrat durch Ihre Kritik hier
kein Partner verloren?
Man muss das trennen und wirklich würdigen, dass
die «Linke» tatsächlich gegen Rechtsextremismus und Rassismus aktiv
ist. Die Partei fordert, wie auch ich, ein neues Verbotsverfahren
gegen die NPD. Das ist ein Punkt, in dem wir vollkommen
übereinstimmen. Viele andere Politiker aus SPD oder CDU bekommen ja
bei dem Gedanken an ein erneutes Verfahren flatternde Herzen und
Angstschweiß und weigern sich, die Sache überhaupt anzupacken. Ich
halte das für ein fatales Signal an die NPD und fast schon für eine
Bestandsgarantie für die rechtsradikale Hetze in diesem Land.
Die
"Linke" und ihr Verhältnis zu Israel:
"So erzeugt man Feindbilder"
meint Bodo Ramelow,
bodo-ramelow.de
Die Gespräche führte Moritz Reininghaus für die
"Jüdische Zeitung" im 07-2007
Dr. Dieter Graumann:
Der
"neue Antisemitismus"
Zu einer aktuellen Debatte:
Wie anti-israelisch
ist die "neue" Linkspartei? |