Jüdischer Friedhof "An der Strangriede" in Hannover-Nordstadt:
Inschrift für Jacob Blumenfeld
Von Heide Kramer

Hannover, Jüdischer Friedhof "An der Strangriede:
Inschrift für Jacob Blumenfeld".
Bleistiftzeichnung von ©Heide Kramer, Juli 2004
Der Nationalökonom und Wirtschaftspublizist Hans Goslar
wurde am 4. November 1889 in Hannover geboren. Bevor seine
Eltern 1894 mit ihm nach Berlin übersiedelten, verlebte Hans Goslar seine
ersten fünf Lebensjahre in Hannover. In Berlin vollzogen sich sein
intellektueller Werdegang und das jüdisch-orthodoxe-kulturelle Leben. Mit
der (Weimarer) Koalition der ersten deutschen Republik gelangte Hans Goslar
1919 in das Preußische Innenministerium. Dort entwickelte er als
"preußischer Pressechef" und höchster publizistischer Beamter die
Pressestelle. Der Name Hans Goslar stand im politischen Berliner
Journalismus der Weimarer Zeit als konstanter Begriff.
Die Wurzeln in Hannover
Auf dem zweitältesten hannoverschen jüdischen Friedhof ("An
der Strangriede") existieren zwei gut erhaltene Familiengräber aus der
Familie Hans Goslars. Es handelt sich um die Grabstätte seines Großvaters
Jacob Blumenfeld, der 1878 in Hannover starb. Zum anderen gibt es das
ebenfalls gut erhaltene Kindergrab der im Jahre 1871 einjährig gestorbenen
Elsa Blumenfeld, der Tante des Hans Goslar. Das zeitgemäße hannoversche
Melderegister belegt, dass sein Vater, der Kaufmann Gustav Goslar, seit 1870
in Hannover ansässig war. Gustav Goslar wurde vor seiner Eheschließung unter
11 nachvollziehbaren Adressen beim Einwohnermeldeamt in Hannover
registriert.
Das Schicksal der Familie Goslar
1933 emigrierte Hans Goslar mit seiner Ehefrau Ruth, geborene
Klee, und der am 12. November 1928 in Berlin geborenen Tochter Hannah
Elisabeth in die Niederlande/Amsterdam. Hier begegnete ihnen der Kaufmann
Otto Frank aus Frankfurt am Main, der ebenfalls 1933 mit seiner Ehefrau
Edith und zwei kleinen Töchtern Margot und Anne aus Deutschland vor den
Faschisten geflüchtet war. Hannah Goslar und Anne Frank wurden bald beste
Freundinnen.
Am 25. Oktober 1940 bekam die Familie Goslar in Amsterdam die zweite Tochter
Rachel Gabriele. Ruth Goslar starb am 27. Oktober 1942 während der Geburt
des dritten Kindes. Es blieb nicht am Leben.
Hans Goslar, seine Schwiegereltern Klee und die Töchter Hannah und Rachel
Gabriele erlagen am 20. Juni 1943 einer Großrazzia der Deutschen. Sie
gerieten über das Durchgangslager Westerbork in das deutsche
Konzentrationslager Bergen-Belsen. Goslar starb dort am 25. Februar 1945 an
den Hunger- und Krankheitsfolgen der KZ-Haft. Am 10. April 1945 wurden die
Waisen Hannah und Rachel gemeinsam mit anderen Häftlingen von Bergen-Belsen
in Viehwaggons mit dem Ziel Theresienstadt deportiert. Die Kinder überlebten
die Todesfahrt nach zehntägiger Odyssee. Die Rote Armee befreite die
Menschen am 23. April 1945 bei Tröbitz in Brandenburg. Dieser Zug ist unter
der Bezeichnung "Der verlorene Zug" in die Geschichtsschreibung eingegangen.
Die Mädchen Goslar gelangten nach der Befreiung durch die Hilfe von Anne
Franks Vater Otto (ihn befreite in Auschwitz am 27. Januar 1945 die Rote
Armee) zu Verwandten in die Schweiz. 1947 emigrierte Hannah nach Palästina.
Die kranke Rachel verblieb zunächst in der Schweiz. Erst 1949 folgte sie
ihrer Schwester nach Israel.
Frau Hannah Pick-Goslar lebt heute in Jerusalem, ihre Schwester Rachel
Mozes-Goslar in Petach Tikva, nahe Jerusalem.
11. November 2002: Hannah Pick-Goslar und Rachel Mozes-Goslar auf
Spurensuche in Hannover
Hannah Pick und Rachel Mozes hatten schon mehrfach die Bitte
nach einem Hannover-Besuch geäußert. Das Anne-Frank-Zentrum Berlin konnte
endlich diesen Wunsch realisieren. So reisten sie mit zwei Begleitpersonen
in einem vom Anne-Frank-Zentrum Berlin organisierten Kleinbus nach Hannover.
Die offizielle "Spurensuche" mit Blick auf den Vater Hans Goslar wurde in
Form eines "Hannover-Programms" durchgeführt. Vorrangig eingeplant war die
Begehung des jüdischen Friedhofs „An der Strangriede“, um den Schwestern die
Gräber ihrer Verwandten Jacob und Elsa Blumenfeld zugänglich zu machen.
Einem großen Anliegen konnte auf diese Weise entsprochen werden.
Textbeitrag: ©Heide Kramer, Hannover, Juli 2007.
Bleistiftzeichnung "Inschrift für Jacob Blumenfeld": ©Heide Kramer, Juli
2004.
Quellenangaben:
©Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn.
©Hans-Bredow-Stiftung, Hamburg.
©Stadtarchiv Hannover. Für die Friedhofsbegehung am 11. November 2002 konnte
der Historiker und Experte Dr. Peter Schulze vom Stadtarchiv Hannover
gewonnen werden.
Anne Frank Tagebuch im Unterricht - Auf Spurensuche 2002
Die Schwestern Hannah Pick-Goslar und Rachel Mozes-Goslar in Hannover, der
Anne-Frank-Schule Bergen/Kreis Celle und der Gedenkstätte... |