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Produktion der Sam Spiegel Film & TV School bei der
12. Februar 2007
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Michale, eine junge Frau in den Dreißigern, ist verheiratet und hat einen Sohn.
Sie arbeitet als Buchhalterin im Büro ihres Vaters in Tel Aviv. Die Kunden sind
in erster Linie orthodoxe Institutionen, deren Rechenmethoden nicht immer
astrein sind. Der Alltag gehört der Familie, der Arbeit und dem Geliebten.
Michale scheint ihr Leben perfekt im Griff zu haben, doch als ihr Geliebter ums
Leben kommt, bricht für sie eine Welt zusammen.
http://www.berlin-judentum.de/kultur/berlinale/2004/avanim.htm
AVANTI POPOLO
Rafi Bucaee, IL 1986
39. Festival International du Film, Locarno 1986, Oeil du Léopard d'Or.
Juni 1967. Die UNO hat den Waffenstillstand zwischen Israel und Ägypten
ausgerufen. Während der letzten Stunden des Sechs-Tage-Krieges ziehen sich vier
ägyptische Soldaten aus der Schlacht zurück. Einer ist verwundet und stirbt
unterwegs. Ein anderer will sich mit dem Ende der Kampfhandlungen nicht abfinden
und seinen eigenen Krieg gegen Israel fortsetzen; er wird in einer
Auseinandersetzung von seinem Waffengefährten Hassan erschlagen. Dieser und
Khalid, ein Profischauspieler, versuchen nun, sich aus der Sinai-Wüste zum
Suezkanal durchzuschlagen. Dabei haben die beiden eine Reihe absurder, surrealer
und tragischer Erlebnisse.
Kultur in Israel > Araber in Israel
Abteilung für jüdisch zionistische Erziehung
Pädagogik Zentrum
Direktor: Dr. Motti Friedman
Web Site Manager: Esther Carciente
Deutsche Seiten: Dr. Chani Hinker
Die Araber sind die "anderen" im jüdischen Israel. Das ist nicht, was sich die
frühen Zionisten vorstellten. Sie pflegten diesen Teil der Bevölkerung zu
ignorieren, gaben ihnen einen bunten, aber unbedeutenden Platz im Hintergrund
der israelischen Landschaft, in der sich ausserordentliche Dinge abspielten.
Jene, die wie Theodor Herzl in den frühen Tagen der Bewegung an die Araber
dachten, waren überzeugt, dass die Vorteile, die der Zionismus dieser
rückständigen Region - wie sie von vielen Juden bereits betrachtet wurde - bot,
von der lokalen Bevölkerung dankbar angenommen werden würde. Die Araber würden
dann glücklich in die Zukunft marschieren, gemeinsam mit den Juden, einem
zionistischen Sonnenuntergang entgegen.
Einige hatten sicherlich eine andere Vision. Achad Ha'am erkannte die
Schwierigkeiten und kritisierte seine Gegner in der zionistischen Welt, aber er
konnte als permanenter Pessimist abgetan werden. Auch Ze'ev Jabotinsky, der
Vertreter der Generation nach Achad Ha'am, lehnte es ab, sich der
vorherrschenden Vision vom Happy End zu beugen. Auch er wurde von vielen wegen
seiner militaristischen Einstellung und seiner Bewunderung für gewisse Aspekte
des italienischen Faschismus abgetan. Die Zionisten dachten weiterhin
optimistisch und vertrauten darauf, dass sie mit der Zeit die Opposition
überwinden und dass die beiden kämpfenden Seiten druch Frieden vereint würden.
Es gibt eine interessante, für diese Diskussion relevante Szene im Film "Es
waren zehn" (1960). Der Film behandelt das Schicksal von einer Pioniersgruppe im
späten 19. Jahrhundert und den Problemen der neuen Siedler mit den lokalen
Arabern. Mit dem Kauf des Landes erwerben sie auch das Recht, dass Wasser aus
einer Quelle zu nutzen, die sich im nahen Araberdorf befindet. Die Araber wollen
die Siedler dort nicht und machen es unmöglich, zum Wasser zu gelangen. Die
Juden müssen das Wasser in der Nacht holen. Nach einer Konfrontation mit Hirten,
die ihre Schafe absichtlich über die frisch gepflügten Felder der Siedler
treiben, kommt es zu einem Streit unter den Juden, welche Politik sie verfolgen
sollen. Einige glauben an Beschwichtigung und sind damit zufrieden, das Wasser
weiterhin in der Nacht zu schöpfen. Andere argumentieren, die einzige Antwort
sei Gewalt: "Sie verstehen nur Gewalt". Der Disput führt zu einer Diskussion
über die Notwendigkeit, in Eretz Israel einen neue Art Juden zu schaffen: einen,
der keine Angst hat vor seinem eigenen Schatten und der bereit ist, sich zu
verteidigen, nicht weil er gerne kämpft, sondern weil er sich nicht fürchtet,
seine Rechte durchzusetzen.
Das ist eine aufschlussreiche Szene, denn sie spricht in einem Mikrokosmos ein
bereits seit Jahrzehnten existierendes Argument an. Heute, mehr als 40 Jahre
nach der Veröffentlichung, ist die Szene ein faszinierender Einstieg in die
Diskussion, die wahrscheinlich das Hauptthema der heutigen israelischen
Gesellschaft ist: was tun mit den Arabern? Israel ist heute viel weniger
optimistisch als 1960, es ist auch viel weniger naiv als zu der Zeit, in der der
Film spielt. Den Film heute zu sehen ist eine ausserordentliche Erfahrung, denn
er konzentriert sich auf die Interaktion zwischen den drei verschiedenen
Zeitabschnitten, jede mit ihrem eigenen Blickwinkel und jede ein bisschen
weniger optimistisch als die vorhergehende.
Die israelischen Araber verschwinden nicht in den Hintergrund und sind eine
immer präsente Realität im modernen Israel. Es ist wichtig zu betonen, dass die
Araber ungefähr 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen.
Die Araber sind die "anderen" in Israel, nicht nur demographisch gesehen. Sie
sind auch ein bedeutender Faktor in der immer aktuellen fixen Idee des Landes,
gleichzeitig eine Quelle der Furcht und der Faszination. Einer der ersten, die
dies bemerkten und in ihren Werken behandelten, war der junge Amos Oz. In seinem
ersten Buch, dem 1960 erschienen "Wo die Schakale heulen", nehmen Araber einen
zentralen Platz in den Phantasien seiner israelischen Protagonisten ein. Die
Geschichte "Nomade und Viper" zum Beispiel, beschreibt, dass Araber als
gefährlich, bedrohend und auf verführerische Weise attraktiv gesehen werden.
Sein früher Roman "Mein Michael" untersucht dasselbe Thema: die in einer
mittelmässigen Ehe gefangene Heldin sehnt sich nach Tiefe und Erregung, die ihr
nur die Araber in ihrer Phantasie gewähren können. Eine neuere Geschichte ist
Savyon Liebrechts wunderbare Erzählung "Zimmer auf dem Dach". Sie liefert
diesselbe Botschaft, in einer Sprache, die auf die feinsten Nuancen der
problematischen Interaktion zwischen Juden und Arabern in Israel reagiert.
Die frühen Schriftsteller hatten die Tendenz, die Araber zu romantisieren. Sie
betrachteten sie und vor allem die Beduinen, als exotische Modelle für den neuen
Juden, den der Zionismus anstrebte. Schriftsteller wie Moshe Smilansky und
Yitzhak Shemi schrieben von "Tausend und einer Nacht" beeinflusste moderne
Phantasien über die arabischen Einwohner der Region. Sie beschrieben sie oft als
Menschen von Ehre, zu Hause in der Natur, mit keinem der Fehler der
Stadtmenschen behaftet. Diese auf Hebräisch geschriebenen Geschichten enthalten
oft keinen einzigen jüdischen Charakter. Aber es ist nicht schwierig, zwischen
den Zeilen den Juden zu entdecken, um den sie so besorgt waren.
Um dies zu verstehen, genügt es, Photos der frühen Mitglieder der Shomer
Bewegung zu betrachten, der ersten jüdischen Selbstverteidigungsorganisation im
Land. Zu Pferde oder stehend, ist das wirklich interessante Element dieser
Photos die Kleidung: eine Mischung zwischen Kosaken und Beduinen. Sie sind so
stolz und - rückblickend gesehen - so naiv. Die Exotik der Araber, zu Hause in
der Natur und eins mit ihr, noch nie von der Zivilisation verdorben, war ein
attraktives Bild für alle, die das Konzept des neuen Juden vertraten, das
zentrale Bild in den zionistischen Schriften des frühen 20. Jahrhunderts.
Zeit und Konflikt jedoch würden dieses Bild bald mit unterschiedlicher Bedeutung
überlagern. Das Bild des Arabers als grausamer, skrupelloser Feind entwickelte
sich in den 1920er und 1930er Jahren als die Araber rebellierten. Das Bild des
Arabers als Opfer, das man bemitleiden muss, entwickelte sich aus dem
bahnbrechenden Werk S. Yitzhars, zum Beispiel aus der 1949 entstandenen
Erzählung "Der Gefangene", die aber erst 30 Jahre später von einem breiteren
Publikum angenommen wurde. Die Brillianz vin Savyon Liebrechts Erzählung "Zimmer
auf dem Dach" ist es, dass es ihr gelingt die verschiedenen Ebenen in einer
subtilen Parabel über die komplexe Beziehung zwischen Juden und Arabern zu
vereinen.
Im israelischen Kino herrscht seit den 1980er Jahren das Bild des Arabers als
Opfer vor. "Chamsin" (1982) zeigt die Spannungen zwischen Juden und Arabern in
Galiläa, als sich die Armee zur Requirierung arabischen Landes entschliesst.
"Nadia" (1986) porträtiert den Kampf eines arabischen Mädchens aus Galiläa, das
versucht, eine bessere Erziehung zu erhalten und daher ein israelisches Internat
besucht. Einige der israelischen Figuren im Film werden als hart geschildert,
auch die besseren unter ihnen sind unempfänglich für die Misere der Araber in
Israel. "Hinter den Mauern" (1986) ist ein preisgekrönter politischer Film, der
Israelis und Araber als Opfer eines manipulativen Establishments zeigt, das es
vorzieht, die schwierige Situation durch eine Politik des "Teile und Herrsche"
in die Länge zu ziehen. "Das Lächeln des Lammes" (1986), eine Adaption von David
Grossmans Roman, lässt grosse Sympathie für die Palästinenser erkennen und
stellt die Idee der israelischen Herrschaft in den besetzten Gebieten in Frage.
"Fingierte Heirat" (1988) ist ein ziemlich unplausibler Film über einen
israelischen Geschäftsmann, der aus seinem bisherigen Leben aussteigen will und
durch eine Reihe von Zufällen eine neue Identität als taubstummer
palästinensischer Bauarbeiter annimmt. Der Film schildert Araber als Opfer
israelischer Verdächtigungen und Stereotypen. Ein weiterer interessanter,
preisgekrönter Film ist "Avanti Popolo" (1986) verwendet dieses Bild sehr klug.
Als Shylocks berühmte Rede "Ich bin ein Jude: Haben Juden keine Augen ..." in
den Mund eines ägyptischen Soldaten gelegt wird, der in seinem bürgerlichen
Beruf Schauspieler in Shakespearstücken ist, wird der Fim zur Parabel: der
Araber hat nun den Juden als Opfer ersetzt.
Als Resultat der von palästinensischen Fundamentalisten verübten Terroranschläge
und der Last der beiden Intifadas, hat sich der israelische Film von den
arabisch-israelischen Spannungen und der Politik im allgemeinen distanziert.
Ein weiteres Element, dass nicht übersehen werden darf, ist der bedeutende
Beitrag arabischer Künstler zum israelischen Kulturleben. Dieser Beitrag wird in
drei Sphären geleistet. Eine Reihe israelischer Araber haben innerhalb des
israelisch-jüdischen Kontexts der breiteren Kulturszene einen individuellen
Beitrag geleistet. Als Beispiel seien Theater- und Filmschauspieler wie Salim
Dau, Mukammed Bakri, Salma Nakara und Makram Khouri angeführt, die in der
israelischen Öffentlichkeit wohlbekannt sind. Es ist interessant, dass sie nicht
nur arabische Rollen verkörpern. So spielt zum Beispiel Makram Khouri in "Das
Lächeln des Lammes" einen israelischen Militärgouverneur spielt, während Hannah
Azoulai-Hasfari in "Nadia" die Titelrolle verkörpert.
Arabische Schauspieler haben es innerhalb der israelischen Film- und
Theaterszene schwer. Ein arabischer Schauspieler, der Abend für Abend vor einem
vorherrschend jüdischen Publikum auftritt, kann in Widersprüche bezüglich der
problematischen Beziehungen zwischen der arabischen Bevölkerungsgruppe und der
grösseren Einheit des zionistischen Staates geraten. Dau hat vor kurzem bekannt,
dass seine Arbeit für ihn während der zweiten Intifida immer schwieriger wurde.
Bakri hat dasselbe zu verstehen gegeben.
Viele arabische Künstler haben an einem kulturellen Dialog mit israelischen
Künstlern teilgenommen. Ein Beispiel ist die kürzliche Renovierung des Wadi
Nisnas Viertels in Haifa. Gemälde und Wandgestaltungen mit mediterranen Szenen
und Skulpturen aus Stein und Metall wurden durch die Kooperation von 100
jüdischen und arabischen Künstlern gestaltet.
Einige israelische Araber haben eine arabische Perspektive in ihr Werk
eingeführt. Sie arbeiten individuell innerhalb des Rahmens der israelischen
Kultur und drücken ihren Standpunkt aus. Bedeutend sind vor allem die
Schriftsteller Anton Shammas und Emil Habibi. Ihre in hebräischer Sprache
verfassten Werke drücken die Erfahrungen der Araber in Israel aus und werden von
israelischen Lesern gut angenommen. Diese Schrifsteller verwenden Instrumente
der israelischen Kultur und besitzen ihre eigene künstlerische Ausdruckskraft.
Ihr Beitrag unterscheidet sich somit von dem arabischer Schauspieler, die an von
Juden geschaffenen Projekten mitarbeiten. Es gibt aber auch einige
ausserordentliche arabische Schauspieler, die in Einpersonenstücken auftreten
und so ihre individuelle Sichtweise präsentieren.
In der israelischen Musik hat sich in den letzten Jahrzehnten ein interessantes
Phänomen entwickelt. Durch die internen ethnischen Anpassungen zwischen
aschkenasischen und sephardischen Juden, haben lokale Musiker aufgehört, sich
ausschliesslich auf westliche Modelle zu verlassen. Das Ergebnis sind
nahöstliche, arabische Motive, die in der lokalen Popmusik dominieren. Diese
musikalischen Einflüsse durchdrangen die israelische Musikszene zuerst durch die
frühen orientalisch-jüdischen Sänger. Um vom israelischen Durchschnittspublikum
akzeptiert zu werden, sangen sie auf Hebräisch und verwoben populäre westliche
und mediterrane Stilformen.
In den frühen 1990er jahren begannen einige Musiker in arabische Musikstile zu
wechseln, da die arabische Sprache immer mehr akzeptiert wurde. Einige
israelische Musiker arbeiteten mit der klassischen arabischen Tradition, ein
Beispiel ist Zehava Ben. Nach dem erheblichen Erfolg ihrer türkisch inspirierten
hebräischen Musik, präsentierte sie eine Reihe von Konzerten in arabischer
Sprache, in denen sie die Lieder des grossen ägyptischen Sängers Um Kulthoum
sang. Die Konzerte wurden auch von der arabischen Bevölkerung angenommen. In
einem parallelen Trend veröffentlichten orientalisch-jüdische Sänger CDs mit
arabischer Tanzmusik.
Ein völlig unterschiedlicher musikalischer Trend begann seine Entwicklung
ebenfalls in der Mitte der 1990er Jahre. Angeregt durch die neue optimistische
Atmosphäre der Koexistenz in den Jahren unmittelbar nach den Osloer Verträgen,
bildeten sich etliche Gruppen, die aus jüdischen und arabischen Musikern
bestanden. Sie spielten eine neue Art israelischer Musik, eine Verbindung
zwischen westlichen und arabischen musikalischen Einflüssen. Als der Optimismus
zu schwinden begann, lösten sich die meisten Gruppen auf. Eine Gruppe jedoch
überlebte und wird in Israel wie in Europa gleichermassen gefeiert. "Bustan
Avraham" (Abrahams Garten) produzierte faszinierende Instrumentalmusik, mit
deren Hilfe das israelische Publikum in das Potential arabischer Musik
eingeführt wurde.
Die problematische israelische Beziehung zu den Arabern im allgemeinen und den
israelischen Arabern im besonderen wird auch in Zukunft weitergehen. Ob das
arabische Thema an der Spitze der israelischen Kultur erscheint, wird davon
abhängen, wie optimistisch oder wie pessimistisch die israelische Gesellschaft
ist. Die Richtung, die die kreative Ausdruckskraft einschlagen wird, hängt stark
von der Richtung der allgemeinen Beziehung ab.
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diese Absicht: "Dieser Mann hat niemals Bedauern über seiner Verbrechen
geäußert
oder sich entschuldigt. Er hat es nicht verdient, mit einem Orden
begraben zu
werden."
* MAA (S. 7 b, Miri Paz) bringt einen Kommentar zu dem Thema:
Der letzte Kollaborateur
Am Wochenende starb der französische Kriegsverbrecher Maurice Papon, der
für die Deportation von 1560 Juden in die Todeslager verantwortlich war. In
den Jahren 1942-44 fungierte Papon als Generalsekretär der Präfektur von
Bordeaux. Er war, in
Absprache mit den Nazis, für die ethnischen Säuberungen verantwortlich.
Die Juden
wurden in erster Linie nach Auschwitz deportiert, die meisten sind dort
ums Leben gekommen.
Fast sein ganzes Leben lang erfreute sich Papon der Immunität. Seine
Verbrechen wurden erst im Jahre 1981 enthüllt, aber es dauerte weitere 16
Jahre, bis er vor Gericht gestellt wurde. 1997 wurde er wegen Verbrechen
gegen die Menschlichkeit zu
10 Jahren Haft verurteilt, davon verbüßte Papon jedoch nur drei. Zunächst
entzog er
sich seiner Strafe, indem er aus dem Gefängnis floh, danach nahm er ein
neues
französisches Gesetz zur Hilfe, das Verbrecher aus Alters- oder
Gesundheitsgründen
begnadigt. Papon erfreute sich ausgezeichneter Gesundheit und starb im
hohen Alter
von 97 Jahren.
Mit seinem Tod verschwand das letzte lebende Symbol für die standhafte
Weigerung
Frankreichs, mit seiner Vergangenheit abzurechnen. Aber Papon
symbolisierte auch
noch etwas anderes: Die Tatsache, dass Böses, wenn es nicht bestraft
wird, erneut
zuschlägt. Die Deportation derjuden im 2. Weltkrieg war nämlich nicht die
einzige
ethnische Säuberung, die unter seinem Kommando stattfand. Im Oktober 1961
führte
Papon, damals Leiter der Pariser Polizei, das Kommando über die Ermordung
von 200 Pariser Bürgern algerischer Herkunft. Die Pariser Polizei nahm
damals jeden fest, der ihr "verdächtig" erschien. Nach einigen Tagen wurden
die Leichen in Gruben und Wäldern außerhalb von Paris gefunden. Niemand
wurde dafür zur Rechenschaft gezogen.
1997, als Papon vor Gericht gestellt wurde, gab es viele, die meinten,
die Franzosen hätten nun endlich die Gelegenheit, sich mit ihrer
Vergangenheit auseinanderzusetzen. Viele hofften auch, dass bei dem Prozess
auch die zweite ethnische Säuberung, die von 1961, zur Sprache gebracht
wird. Aber das Gegenteil
passierte. Justiz und Regierung verhinderten gemeinsam eine Konfrontation
mit der Vergangenheit und brachten jede öffentliche Diskussion zum
Schweigen.
Nicht zufällig war dies der längste Prozess, der jemals in Frankreich
stattgefunden hat.
Nicht zufällig musste Papon nicht seine volle Strafe verbüßen. Zu viele
Leute im politischen Apparat hatten Angst, dass auch ihre Schandtaten aus
jenen düsteren Zeiten enthüllt werden könnten. Frankreich hat niemals mit
seiner Vergangenheit
abgerechnet. Es prahlte lieber mit den Helden der Resistance und zog
einen dicken Strich unter die Kollaborateure mit den Nazis.
Papon hätte unmittelbar nach dem Krieg vor Gericht gestellt werden
müssen.
Stattdessen wurde er befördert und sogar mit einem Orden ausgezeichnet.
Papon, der ultimative Opportunist, hing sein Fähnchen immer nach dem Wind.
Ende 1944, als er begriff, dass Deutschland vor der Niederlage steht, bot er
der Resistance eilig seineDienste an. Es kann sein, dass auch das ihm dabei
geholfen hat, seiner Strafe zu entgehen.
Jeder Franzose, der es wissen wollte, wusste über die Verbrechen Papons
bescheid, wobei die Mehrheit jedoch nichts wissen wollte. Aber anders als
die Politiker, die Gerichte und die Presse hat die Erinnerung ein eigenes
Gesetz: Sie verfolgt vor allem diejenigen, die ihr entkommen wollen.
JED (S. 4 b, Leitartikel, Sever Plotzker):
Es geht nicht um Ritualmord, es geht um Hass
Weil wir Jesus getötet haben. Weil wir nicht an Jesus glauben. Weil wir
Geld verliehen und Zinsen kassiert haben. Weil wir Bündnisse mit Hexen und
Teufeln geschlossen haben. Weil wir Tiere koscher geschlachtet haben. Weil
wir davon geträumt haben, ins Heilige Land und nach Jerusalem
zurückzukehren. Weil wir absichtlich Krankheiten unter den Christen und
Moslems verbreitet haben. Weil wir an Pessach Matzen essen.
Weil wir an Pessach Matzen essen, die mit dem Blut christlicher Kinder
gebacken wurden. Weil wir der Menschheit den Kommunismus beschert haben.
Weil wir den Kapitalismus erfunden haben. Weil wir in den Ländern, in denen
wir lebten, Verrat begangen haben: in Frankreich, Russland im Irak. Weil wir
die fünfte Kolonne waren, eine isolierte und hartnäckige Minderheit, und
auch, weil wir versucht haben, uns zu assimilieren. Weil wir schmutzig und
weil wir sauber waren. Weil es uns gab. Weil wir Juden sind.
Der Antisemitismus braucht keine Beweise, keine Gründe oder Argumente,
und er ist auch nicht das Ergebnis von Charaktereigenschaften, die das
jüdische Volk aufweist oder auch nicht. Wie es schon der französische
Philosoph Jean Paul Sartre sagte: "Der Antisemitismus ist die
Geisteskrankheit der Antisemiten... Auch wenn es die Juden nicht geben
würde, würden die Antisemiten sie erfinden."
Die Bemühungen, den Antisemitismus zu beseitigen, indem man seine
Argumente widerlegt, sind also völlig umsonst. Sie sind auch erniedrigend:
Sollen wir denn von einem Antisemiten zum nächsten ziehen, und ihnen
beweisen, das wir keine Hörner haben und keine christlichen Kinder
schlachten, und dass wir das auch vor 530 Jahren nicht getan haben?
Prof. Ariel Toaff von der Bar-Ilan Universität hat ein problematisches
Buch geschrieben, in dem er die Annahme äußert, in einem Ritualmordfall, im
Jahr 1475 in Italien, könnte ein Körnchen Wahrheit stecken. Prof. Toaff
versucht, seine Annahme zu stärken, indem er die Protokolle einer Vernehmung
unter Folter benützt.
In den Jahren 1936-1938 wurden in der UdSSR 700.000 politische Häftlinge
getötet.
Nach schweren Foltern gestanden diese Häftlinge jede fantastische
Anschuldigung, die ihnen unterstellt wurde. Und wenn sie nicht gestanden
haben, wurden die Protokolle gefälscht. Keinem Historiker würde in den Sinn
kommen, diese Protokolle als historische Beweismittel zu verwenden. Aber das
macht Prof. Toaff mit Protokollen aus der Zeit der Inquisition.
Das Buch von Prof. Toaff und akademische Freiheit haben also überhaupt
nichts gemeinsam. Der Mann präsentierte eine Behauptung, die bereits am Tag
nach ihrer Veröffentlichung von namhaften Historikern in aller Welt
widerlegt wurde.
Die Hysterie, die um diese dumme Veröffentlichung entstanden ist, ist
also nicht gerechtfertigt. Sollen wir uns darum scheren, was Prof. Toaff
schrieb? Absolut nicht.
Sein Buch beschämt die Forschung jüdischer Geschichte, jedoch nicht die
Juden. DieAntisemiten brauchen ihn nicht als Autorität oder als Grundlage
für ihren Hass. Der Hass gegen die Juden liegt im Inneren der Hasser, nicht
im Äußerlichen der Juden. Das jüdische Volk gründete einen Staat, um dort
sein nationales Recht zu verwirklichen und allen Juden der Welt eine sichere
Heimstätte zu geben. Wenn unsere Feinde und Hasser erneut versuchen werden,
uns anzugreifen, werden wir es ihnen doppelt und dreifach heimzahlen. Alles
andere, auch die verschiedenen Geschichten, die man uns im Verlauf der
Jahrhunderte anhängen wollte, sind heute das Problem der Völker, in denen
der Antisemitismus blüht, sowohl der alte als auch der neue.
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hagalil.com 14-02-2007 |
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