Veranstaltungshinweis:
"Wien modern" und zwei alte jüdische Herren
Von Erika Wantoch
Wer
zeitgenössische Musik vom Feinsten kennenlernen will, hat derzeit in Wien
dazu Gelegenheit: Das internationale Festival "WIEN MODERN", veranstaltet
von der Kulturabteilung der Stadt Wien mit der Wiener
Konzerthausgesellschaft und der Gesellschaft der Musikfreunde, bietet bis
25. November 140 Werke von 60 Künstlern und Komponisten, davon 12
Uraufführungen, sowie Lesungen, Installationen und Performances, 11
Musiktheaterprojekte für Erwachsene und Kinder und 37 Filmvorführungen und
Gesprächsveranstaltungen.
Das ganze Spektrum umfaßt Konzerte mit akustischen
Instrumenten, experimentelle elektronische Events, Literatur, audiovisuelle
Projekte, Filme, Klanginstallationen, Philosophie und ein wissenschaftliches
Symposion ("Neue Musik im Spannungsfeld der Künste"). Interpreten wie
Maurizio Pollini, Pierre-Laurent Aimard und Peter Eötvös, Ensembles wie das
Ensemble intercontemporain, das Ensemble Recherche oder das Arditti
Quartett, sowie Elektronik- und Medienkünstler wie Carsten Nicolai und Pan
Sonic sind die Protagonisten von WIEN MODERN, zu dessen Besonderheiten die
Ausbreitung über die ganze Stadt gehört: Außer dem Wiener Konzerthaus und
dem Musikverein gibt es weitere zwölf Spielstätten, beispielsweise das
Planetarium im Prater, das Schömer-Haus in Klosterneuburg, das
Österreichische Filmmuseum und das Museumsquartier.
Die Porträt-Schwerpunkte gelten den Komponisten György Kurtág, der im
Februar 80 Jahre alt wurde, und dem Österreicher Bernhard Lang. Sie stehen
für die Kraftfelder, in denen sich WIEN MODERN heuer bewegt - den aktuellen
musikalischen Entwicklungen auf der einen Seite, den großen Komponisten der
klassischen Avantgarde auf der anderen: Von Luciano Berio, Karlheinz
Stockhausen und György Ligeti, etwa, stehen fast nur "Klassiker" auf dem
Programm.
György
Ligeti war nicht nur einer der bedeutendsten, sondern auch einer der
bekanntesten jüdischen Komponisten der Gegenwart. Er ist heuer im Juni, kurz
nach seinem 83. Geburtstag, in Wien gestorben. Sein enger Freund György
Kurtág (Bild rechts), drei Jahre jünger als Ligeti, ebenfalls Jude,
ebenfalls in Rumänien geboren und in Budapest musikalisch zur Reife gelangt,
gilt mittlerweile als ebenso bedeutend. Der Träger des Österreichischen
Staatspreises (1994) wird heute weltweit gefeiert, wenngleich er sich
internationaler Betriebsamkeit konsequent entzieht. Er ist ein Einzelgänger.
In einer, im ausgezeichneten "WIEN MODERN"-Katalog nachgedruckten Festrede
aus dem Jahr 2000, "Ein Held unserer Zeit - Herr K.", vergleicht Wolf
Lepenies ihn mit Franz Kafka: "Die Welt geht verkehrt, die Erde strotzt von
Fußfallen, Kafkas Wesen hat einen Namen: Angst. (...) Kurtág hat tiefer in
Kafka hineingehört als alle Leser vor ihm." Seine Musik ist ein feinsinniger
Epilog auf die menschliche Existenz, ihre Vergänglichkeit, Unvollendetheit,
Leichtigkeit und Schwere. "Zeichen", "Spiele", "Botschaften" sind zentrale
Begriffe in seinem musikalischen Mikrokosmos. Er ist ein Meister der kleinen
Form, des vollendeten Fragments, des Ausgearbeitet-Vorläufigen.
Neben zentralen Werken wie dem Streichquartett op.1 oder "… quasi una
fantasia …" stehen neue Arbeiten der letzten fünf Jahre im Zentrum - zu
hören noch am 12., 17., 18., 19. 23. und am 24. November. Zu den
bekanntesten Interpreten zählen Pierre-Laurent Aimard, Peter Eötvös, Ernst
Kovacic, das Arditti String Quartet, das RSO Wien sowie György Kurtág selbst
und seine Ehefrau Márta.
Einzelkarten sind an der Konzerthauskassa, an den Abendkassen des jeweiligen
Veranstaltungsortes sowie über
www.wienmodern.at erhältlich. Der Generalpass zum Preis von € 75,-
(ermäßigt € 48,-) erlaubt freien Eintritt zu den meisten Veranstaltungen,
und die restlichen sind ermäßigt.
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