Sonderbares Israel:
Ein Rechtsfaschist hilft israelischen Arabern
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Der notorische Kritiker israelischer Politik, Uri Avneri, vergleicht
Ministerpräsident Ehud Olmert mit Franz von Papen, der Adolf Hitler als
deutschen Kanzler vorgeschlagen hatte. Und das, weil Olmert den als
Hardliner, Scharfmacher, Rechtsfaschisten und Rassisten eingestuften Russen
Avigdor Lieberman in sein Kabinett aufgenommen hat. Die arabischen Medien
entdecken in Israel schon einen Rechtsruck, während in Europa die
israelische Regierung Anlass für Vergleiche mit Nazi-Deutschland liefert.
Die Realität ist nüchterner. Niemand hat in Israel heute ein Interesse an
Neuwahlen, schon gar nicht die Abgeordneten. Olmert muss sich also mit einer
unsäglichen Zusammensetzung der Knesset abfinden, um seinen Haushalt
durchzubringen. Einige Abgeordnete der Arbeitspartei empfinden sich eher wie
Oppositionskämpfer und stimmten gegen Regierungsbeschlüsse, obgleich die
Sozialisten wichtige Ressorts wie Verteidigung und Erziehung kontrollieren.
Wie das nun einmal in einer Koalition in jeglicher Demokratie ist, musste
sich Olmert wegen der unzuverlässigen linken Partner zusätzliche Verbündete
suchen, um nicht zu stürzen. In der Knesset hat er die Wahl zwischen
ultraorthodoxen Parteien, die nur an Pfründen der Regierung interessiert
sind, arabischen Parteien, die ideologisch eine Vernichtung Israels
betreiben, der oppositionellen Likudpartei oder aber eben der Partei "Israel
unser Haus" des wenig salonfähigen Avigdor Lieberman. Der verlangte
lediglich einen Ministerposten, was dem Premier delikate personelle
Konflikte mit den anderen Koalitionspartnern ersparte. Liebermann will als
Minister die "Bedrohung Irans" beackern. Offenbar vergessen ist die
Tatsache, dass dieser Mann schon mal Infrastrukturminister war und mit
Riesenbudgets dem Verkehrsministerium vorstand. Mit jenen Aufgaben konnte er
mehr Unheil anrichten als heute. Doch die Welt ist nicht untergegangen.
Lieberman befürwortet eine Ausbürgerung von israelischen Arabern, lebt in
der Siedlung Nokdim und ist kein Freund eines Friedensdialogs. Jene linken
Kritiker Olmerts, die moralische Bedenken wegen der Regierungs-Beteiligung
Liebermans anmelden, setzen sich energisch für eine Koalition der
Fatah-Partei des Mahmoud Abbas mit der islamistischen Hamas ein, die nicht
nur die Zerstörung Israels propagiert, sondern aktiv massenhaften Judenmord
mit Selbstmordattentätern betrieben hat und gemäß europäischen Maßstäben
wesentlich rechtskonservativer, kriegstreibender und gewalttätiger ist als
Liebermans Partei.
Die PDS lädt ohne Bedenken den Hamas-Sprecher
in den Reichstag nach Berlin ein und bedauert, dass ihm kein Visum
erteilt wird, weil die EU die Hamas als Terrororganisation betrachtet. Es
stört offenbar die "Die Linke" von Oskar Lafontaine und Wolfgang Gehrcke
nicht, dass Teile der Nazi-Ideologie wörtlich in der Hamas-Charta vorkommen.
Die gleiche PDS dürfte kaum auf die Idee kommen, Lieberman nach Berlin zum
"Dialog" einzuladen, um Olmert zu "flankieren", dem Staat Israel eine
stabile Regierung zu gönnen.
Im Kabinett Israels saßen schon manche Politiker, die in Europa Abscheu
auslösten, weil sie eine feindselige Haltung gegenüber den Palästinensern
pflegten. Doch Politiker anderer Länder mit weitaus feindseliger Haltung
gegen Juden, Zionisten oder Israel lösen keine vergleichbare Empörung aus.
Die Erklärung, dass an Israel "andere Maßstäbe" angesetzt würden, sollte
dann aber auch eine nüchterne Sicht der politischen Realitäten in Israel
ermöglichen.
Israelische Regierungen mussten seit jeher mit Koalitionen auskommen. Das
bedeutet Kompromissfähigkeit aller Beteiligten. Zudem werden nur
mehrheitsfähige Beschlüsse akzeptiert und umgesetzt. Liebermann hat trotz
elf Abgeordneten nur eine einzige Stimme im Kabinett. Viel hängt also gerade
von der Arbeitspartei ab, sich intern einig zu werden und als
verantwortungsvoller Koalitionspartner Olmert zu stützen, um Liebermans
Einfluss einzudämmen. Um weiterhin in der Koalition zu bleiben, als "Preis"
für den Vertrag mit Lieberman, fordert die Arbeitspartei jetzt von Olmert
"Vergünstigungen für den arabischen Sektor". Das ist gewiss sehr ehrenwert.
Die israelischen Araber werden sträflich benachteiligt. Doch wieso besannen
sich die linken Sozialisten erst nach der Liebermann-Schocktherapie auf das
Wohl der Araber? Es besteht der Verdacht, dass die Arbeitspartei keineswegs
nur plötzliche Solidarität mit einer sozial schwachen Schicht entdeckt,
sondern ganz zynisch an die nächsten Wahlen denkt. Die überraschende
Fürsorge für die Araber soll die befremdliche Kohabitation mit dem
araber-feindlichen Lieberman kompensieren, um nicht aus weltanschaulichen
Gründen die schönen Posten in der Regierung vorzeitig aufgeben zu müssen. So
werden sich Israels Araber künftig bei Lieberman bedanken, dass die
Arbeitspartei aufwachte und sich jetzt mehr um sie kümmern will. |