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Nathan Weinstock:
Das Bekenntnis eines ehemaligen Antizionisten

Von Nathan Weinstock
E
rschienen in: L'Arche n° 579-580 Juli-August 2006
Übersetzt und redigiert von Karl Pfeifer

Alle diejenigen, die sich für die Geschichte der jüdischen Arbeiterbewegung interessieren (Le pain de misère. Histoire du mouvement ouvrier juif en Europe, rééd. La Découverte, 2002) oder für die Geschichte der jiddischen Sprache, kennen den Namen Nathan Weinstock (Le yiddish tel qu’on l’oublie. Regards sur une culture engloutie, Métropolis, 2004).

Aber Nathan Weinstock ist auch der Autor des Buches 'Le sionisme contre Israël' (Maspéro, 1969), eine wirkliche "Bibel" der antizionistischen Propaganda. In einem kürzlich erschienenem Werk [1] erinnert Nathan Weinstock an dieses von ihm geschrieben Buch als "einen großen Pflasterstein, der den linken Antizionisten als Munitionsreserve gedient hat".

Heute ist er sehr fern von dem,  was er als "Sektenmentalität" definiert, die zu "vereinfachenden missbräuchlichen Schlussfolgerungen" geführt hat.

Er erklärt dies so: "Das war nach dem Mai 68. Ich war damals dem Trotzkismus unterworfen, und ich gab mich konsequent als perfekter Doktrinär, der nicht die Fakten analysiert, sondern sie geistig kanalisiert als Ergebnis vorgefasster und reduzierter Schemen."

Die Leser dieser Aussagen, die wir anlässlich des Erscheinen des Buches Histoire de chiens von Nathan Weinstock in L’Arche zitierten, wandten sich an uns, weil sie wissen wollten, wie der Autor seine antizionistische Militanz erlebte und wie er sich davon befreite.

Anfangs waren wir nicht gewillt einen Menschen über ein Engagement zu befragen, das er nicht mehr hat und dem er abgeschworen hat, denn das ist etwas inquisitorisch und gehört nicht zu unseren Gewohnheiten. Mittlerweile kam dieser Wunsch auch von Menschen, die ähnliches erlebten und wir konnten uns nicht mehr weigern diese Fragen zu stellen. Weiter dachten wir an die Jungen – oder weniger jungen – die noch heute in einem Diskurs gefangen sind, der vom Hass gegen Israel dominiert wird, und die auch von solch einer Zeugenaussage profitieren können. Wir haben uns also an Nathan Weinstock gewandt, der sehr gerne geantwortet hat. Hier finden sie den Text eines früheren antizionistischen Militanten über sein Engagement in der Vergangenheit mit einem Blick auf die gegenwärtige Lage.

Marschrute von Brüssel nach Jerusalem

Die Frage, die mir gestellt wurde bezüglich meines Werdegangs: Wie konnte ich früher solch feindliche Reden gegen Israel halten und wann und warum und wieso ich dazu kam meine Haltung zu ändern. Obwohl ich so etwas im allgemeinen nicht mag, denke ich, dass ich mich dieser Untersuchung meines Gewissens nicht entziehen kann.

Ich gehöre einer Generation an, die zwanzig Jahre alt war als Fidel Castro an der Spitze seiner barbudos in Havanna einmarschierte. Ich vibrierte angesichts des Gleichklangs der Revolutionen, die so glaubte ich, sich nacheinander in Algerien, Kuba und in Vietnam durchsetzten.

Ich nehme an, wenn ich mich eher von der maoistischen Fata Morgana als von der trotzkistischen Schimäre angezogen gefühlt hätte, dann wäre ich in Extase geraten über die Wunder der "Kulturrevolution" und ihrem großen Führer oder über das politische Genie des albanischen Adlers Enver Hoxha.

Sich heute an diese scharfen Jugendträume zu erinnern bedeutet daran zu denken, bis zu welchem Punkt das Fehlen jeglicher revolutionären Perspektive im Westen uns angespornt hat, unsere enttäuschten Hoffnungen auf eine weitgehend imaginäre Dritte Welt zu projizieren.  Um so in unserer Bitterkeit Franz Fanon (und seinem begeisterten Vorwortschreiber Jean-Paul Sartre) zu folgen, beweihräucherten wir die schlimmsten Gräuel die dort stattfanden als Vorboten einer strahlenden Zukunft. Wie die Römer im Gedicht von Constantin Cavafis fanden wir wartend auf die Barbaren "diese Leute dort, die bieten doch eine Lösung".

Jeder weiß was aus diesen erbärmlichen Illusionen wurde. Kaum kam die algerische Revolution zur Macht, sah man wie sie von Militärs vereinnahmt wurde, welche die unseren (die Roten) mit ebensolchem Einsatz folterten wie zur Zeit des Kolonialismus. Sprechen wir nicht von Fidel Castro, der zum Doyen der senilen Despoten wurde. Was die Führer der "vietnamesischen Revolution" betrifft – die wir Trotzkisten glorifizierten bis zu dem Punkt, dass wir absichtlich mit Schweigen über die Tatsache hinweggingen, dass sie unsere vietnamesischen Genossen ermordeten (Es gibt Geständnisse, die moralisch einem Todesurteil gleichen) – man sagt sich, dass das Drama der boat people und der Massenmord an der eigenen Bevölkerung der Roten Khmers sogar den Blinden einleuchten sollte.

Trotzdem ist es notwendig, sich daran zu erinnern, weil keinerlei Lehren daraus gezogen wurden. Man suche in den Publikationen der radikalen Linken, der "Altermondialisten" und  anderer Anhänger des Prinzips der antiinstitutionellen Gewalt. Sie werden dort kein minimales Bedauern, ja nicht einmal die Bemühung einer Analyse dieses monströsen Schleuderns finden, von dem man doch wissen sollte, wenn man sich für das revolutionäre Projekt wie es ist,  begeistert. Und heute ist das auch nicht anders.

Diejenigen, die vor Empörung zittern, wenn sie sich an den Sturz von Saddam Hussein erinnern, finden kein einziges Wort, um die Umdrehung der Hölle von Dante in den nordkoreanischen Konzentrationslagern oder die regierenden Tyranneien in der Staaten der Dritten Welt, welche "antiimperialistische" Erklärungen gurgeln, zu verurteilen. Kein Zeichen der Missbilligung, wenn im Namen des sunnitischen "Widerstandes" ein Schulbus oder die Gläubigen einer schiitischen Moschee in die Luft gesprengt werden. In dem sie sich selbst belügen, verurteilen sie sich selbst ihren Irrtum zu wiederholen.

Angesichts meiner damaligen Überzeugungen, musste mich die palästinensische Sache gewaltig ansprechen. Und das war in gewisser Weise ein Bewahren der Treue zu meiner Erziehung im Haschomer Hazair während meiner Pubertät. Denn es war die israelische Tageszeitung der linken Zionisten Al Hamischmar, die sich ab 1948 gegen Exzesse der israelischen Armee wandte. Es war die zionistisch-sozialistische Mapam, die die Abschaffung einiger diskriminierender Maßnahmen gegen die arabischen Bürger Israels forderte. Und schlussendlich war es die Zeitschrift New Outlook, die von der israelischen Linken ermöglicht wurde, die eine Annäherung an die arabische Welt predigte.

Ich füge hinzu, dass damals Israel sich zufrieden gab mit einer sich selbst rechtfertigenden Version seiner eigenen Geschichte. Man musste also warten, dass eine neue Generation der Forscher heranwächst , (die man oft fälschlich in einem Block unter dem Begriff "neue Historiker" zusammenfasst, obwohl es zwischen ihnen fundamentale Unterschiede gibt und obwohl nicht alle die gleiche Beurteilung verdienen) damit peinliche Wahrheiten gesagt werden.  Wie in jedem Staat, so musste es auch in Israel Zonen des Schattens geben, die seine Vergangenheit verunzierten. Aber diese Arbeit ist getan.

Dieses damals nicht Gesagte, hat in meinen Augen schwer gewogen. Angesichts der von allen verlassenen Palästinensern, deren Unglück offensichtlich war, hat Israel sich mit seinem guten Gewissen begnügt. Es war etwas verletzendes in dieser Gleichgültigkeit (sogar wenn es wahr ist, dass die Verantwortung für das palästinensische Drama nur zum Teil bei den Israelis liegt) das sicher dazu beigetragen hat meine pro-palästinensischen Sympathien zu kristallisieren. Soweit, dass ich glauben wollte, gegen und trotz allem, dass die mörderischen Aktionen und die Stellungnahmen der bewaffneten palästinensischen Gruppen, die mich schockierten, nur eine Übergangsphase einer Entwicklung waren, die sie nicht hindern würde die nationalen Rechte der Israelis anzuerkennen.

Auf alle Fälle war das die Konsequenz, die ich zog. Denn ich wollte derartig daran glauben, dass die Wege der Israelis und der Palästinenser zusammenführen würden, dass der Konflikt vor allem auf einem schrecklichen Missverständnis gründen würde...

Ein kleines Erlebnis, dessen Bedeutung ich damals unfähig war zu begreifen. Meine antizionistischen Schriften haben dazu geführt, dass ich 1967 einige Tage vor dem Sechstagekrieg in Paris auf die Tribüne des GUPS (General Union of Palestinian Students) eingeladen wurde. Ich beschloss die Gelegenheit einer Worterteilung dazu zu benützen, um der Versammlung feierlich eine offizielle Botschaft des antizionistischen linksextremen israelischen Grüppchen Matzpen vorzulesen. Es war das erste Mal, Éric Rouleau der Nahostspezialist von Le Monde hat sogar über mein Erscheinen dort berichtet. Ich hoffte eine Bresche zu schlagen in die Mauer des gegenseitigen Nichtverstehens... Und in meiner unergründlichen Naivität, stellte ich mir vor, dass man mich mit Fragen über die israelischen Militanten bestürmen würde, deren Grüße ich überbrachte, dass man sich freuen würde, dass die Forderungen der Palästinenser ein Echo auf der anderen Seite der Grenze ausgelöst hätten...

Denken Sie ! Niemand – ich betone: keiner der Organisatoren oder der Zuhörer interessierte sich für die Botschaft oder für Matzpen. Sie machten sich gar nichts daraus, denn sie hatten besseres zu tun. Sie waren in einem Zustand der unglaublichen Aufregung, ihr Ohr klebte an ihren Transistorradios, sie zitterten alle beim Hören von Radio Kairo, genießend die Mitteilung, dass die heldenmütigen arabischen Armeen vor dem Sieg standen. Auf den Punkt gebracht, ich war weit davon entfernt ein Gesprächspartner zu sein, ich wurde auf den einzigen Platz gestellt, der für jüdische Gegner Israels reserviert ist: des "nützlichen Idioten".

Und "nützlich" war ich in der Tat. Es regnete Einladungen. Alle wollten mich hören, das unsägliche Israel zu denunzieren. Jedes mal wiederholte sich die Pariser Szene. Unbedingte Zustimmung der Zuhörer zu den schlimmsten Verirrungen der Fedayin (vor allem der schlimmsten: sind nicht die extremsten Ausschreitungen der Beweis für einen unerschütterlichen revolutionären Glauben?).  Unbegrenzter Hass gegen die Israeli, wer immer sie auch waren.

Immer mehr wurde es mir unmöglich einen heimtückischen und allgegenwärtigen Antisemitismus zu ignorieren, der durch alle feurigen Unterstützungserklärungen und blinden Verurteilungen durchsickerte.

Man spie vor allem auf die "Zionisten", um dann die "Macht der Zionisten" über die Medien zu demaskieren und um bald die "Weltherrschaft der Zionisten" zu erwähnen. Wenn man mich zitierte, dann strich man schon vorher die (sehr seltenen) Absätze, die kritisch waren gegenüber Palästinensern oder arabischen Führungen. Denn offensichtlich waren es nicht meine Schriften, die sie interessierten, sondern einzig und allein die Möglichkeit meinen Namen zu benützen, um ihren Judenhass zu tarnen.

Entsetzt über die Attentate der Palästinenser, die von ihren "Freunden" angewidert waren, erlebte ich bis zu den Abkommen von Oslo eine Lage des tiefen Unbehagens. Aber, sagte ich mir, wie kann man den Palästinensern verweigern für ihre Rechte zu kämpfen? Nach dem Abschluss der Abkommen schien die Zukunft sofort zu beginnen. Jede der beiden Parteien anerkannte die Legitimität der anderen.

Doch die Windstille war von kurzer Dauer. Das Blut floss weiter, denn die abtrünnigen oder von Arafat tolerierten (wenn nicht ermutigten) bewaffneten Gruppen vermehrten die Massaker in Israel, und haben bei gleicher Gelegenheit den israelischen Befürwortern eines Einvernehmens mit den Palästinensern einen tödlichen Schlag versetzt. Es war unmöglich nicht zu sehen, dass der palästinensische Führer ein doppeltes Spiel spielte, in dem er sich weigerte die terroristischen Milizen zu entwaffnen und gleichzeitig Frieden auf englisch predigte, während er auf arabisch zum Djihad aufrief.

Was mich betrifft, glaube ich wohl, dass die Nichtvereinbarung in Camp David auf mich den Eindruck einer Enthüllung machte. Es war unmöglich nicht zu sehen, dass wieder einmal – hier wiederholt sich die Geschichte – die palästinensischen Führer vor ihrer Verantwortung flohen, zu feige, um ihrem Volk zu erklären, dass man den Kampf beenden muss, wenn man das wesentliche errungen hat. So wie sie es immer taten, verweigerten sie sich ihrer Geschichte zu begegnen und für die Vergangenheit die Verantwortung zu übernehmen.

Denn wo bitte sind die palästinensischen "neuen Historiker", die ihr Volk aufklären über folgende Fragen:

-          den Verkauf ihres Landes an die zionistischen Organisationen durch ihre eigenen Führer

-           über das heimliche Einverständnis des Mufti mit den Briten bevor er der Verbündete Hitlers wurde

-           über die phänomenale Korruption der palästinensischen Politiker, die ihren Ministerpräsidenten dazu gebracht haben den Israelis Zement zu liefern für die trennenden Zäune, die er gleichzeitig verurteilte

-          über die ekelerregende antisemitische Propaganda, die auf den Protokollen [der Weisen von Zion] gründet und die alle palästinensischen Stellungsnahmen seit der Balfour-Deklaration durchdringt und in den Schulbüchern der palästinensischen Autorität einen Ehrenplatz einnimmt

-          über die Verachtung der Juden, denen man nicht verzeiht dass sie sich von der Lage der Unterwerfung emanzipiert haben wie es üblich war unter der Herrschaft des Halbmonds im Heiligen Land

Erinnernd an den von den palästinensischen Arabern bevorzugten Schlachtruf der zwanziger Jahre – "die Juden sind unsere Hunde" – habe ich das Essay Histoire de chiens über dieses Thema verfasst. Nun gut! Die jüdisch-arabischen Konflikte lesen sich wie eine ewig wiederholte "Geschichte der Hunde".

Man kann Israel wegen begangenen Unrecht tadeln, das ist selbstverständlich.  Eine Behauptung die relativiert werden kann: gibt es einen Staat auf Erden, dessen Geschichte über jede Kritik erhaben ist?  Doch, um aus dem Schlamassel zu kommen, wäre es notwendig, dass die Palästinenser den Mut hätten endgültig für eine Zukunft der Koexistenz mit den Israelis zu optieren und dafür konsequent einzutreten. Eine Aufgabe, die niemand anderer an ihrer statt vollbringen kann.

[1] Nathan Weinstock, Histoire de chiens. La dhimmitude dans le conflit israélo-palestinien, Fayard / Mille et une Nuits, 2004.

Quelle : http://www.col.fr/arche/article.php3?id_article=583
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hagalil.com 24-09-2006

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