Am Israel Chai:
Solidarität mit Israel
Von Miriam Magall
Häuser ohne Fassaden. Ein Blick wie in eine
Puppenstube: von der Straße direkt ins Wohnzimmer, ins Schlafzimmer, ins
Bad. Gähnende Fensterrahmen. Klaffende Wunden in Hausdächern und Wänden.
Beirut? Tyros? Nein! Haifa. Kirjat-Schmona. Safed. Afula.
Sirenen. Menschen hasten in die Luftschutzkeller. In
Naharijja und Carmiel ebenso wie im Zentrum für Neueinwanderer in Kirjat-Jam
in Haifa. Zweistöckige Bettenreihen. Tische und Stühle. Furchtsame Blicke
aus großen dunklen Kinderaugen. Schwitzende Menschen in stickigen Kellern.
Stunden, nein tagelang. Bilder, wie man sie so nicht auf deutschen
Fernsehschirmen gesehen hat. Auf 20 Bilder aus Beirut von immer nur der
einen zerstörten Straße kam gerade einmal ein einziges Bild des immer selben
Hauses in Nord-Israel.
Nach diesem Kurzfilm über die Zerstörungen in Nord-Israel tritt Joel Lion
ans Mikrofon. Der Erste Sekretär der Botschaft des Staates Israel in Berlin
und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit, reicht die Daten nach. Seit dem 12.
Juli schlugen über 3500 Rakten im Norden Israels ein. Insgesamt wurden bei
den Angriffen der Hisbollah 158 Menschen, Zivilisten und IDF-Soldaten,
getötet. Über 800 000 Bewohner der Orte in Nord-Israel flüchteten in die
sichere Landesmitte und in den Süden. Mehr als 6000 Häuser wurden zerstört,
rund 750 000 Bäume gingen im Norden Israels in Flammen auf. Die Kosten für
die direkten und indirekten Schäden im Hinterland, nicht die Kosten für die
Auseinandersetzungen, belaufen sich neuesten Schätzungen zufolge auf 6
Milliarden Schekel. Ein gewaltiges Loch im Staatshaushalt.
Hatten die jüdischen Organisationen auf der gesamten Welt noch während der
Auseinandersetzungen zu Spenden aufgerufen, um zumindest den Kindern aus
Nord-Israel raketenfreie Sommerferien in der Landesmitte und im Süden zu
bieten, sind Juden auf aller Welt und Freunde Israels auf der ganzen Welt
nunmehr aufgerufen, die Ränge zu schließen und in die Tasche zu greifen,
damit Israel die zumindest materiellen Schäden so schnell wie möglich
beheben kann, die Schäden an Leib und Seele der Bewohner der Städte und
Dörfer in Nord-Israel, die um ihr Leben laufen mussten, um dann wochenlang
in stickigen Luftschutzkellern auszuharren, diese Schäden brauchen sicher
einige Zeit mehr zum Heilen oder wenigstens zum Vernarben.
Die Welt rief zu einer Geberkonferenz für den Libanon auf, und viele
Millionen Dollar wurden für den Wiederaufbau dieses Landes zugesagt. Für
Israel gibt es keine Geberkonferenz. Die jüdischen Organisationen berufen
ihre eigenen Geberkonferenzen ein, zu denen sie ganz besondere Botschafter
aus Israel bringen.
Ein solches Botschafterteam kam am Mittwoch, 14. September 2006, nach
München. Nach Auftritten in den jüdischen Gemeinden in Berlin, Düsseldorf
und Frankfurt traf das Zahal-Ensemble in Gestalt von Adam, Erez, Naama,
Shira und Doron in der Stadt ein. Im Spiegelzelt, vom Betreiber
freundlicherweise kostenlos zur Verfügung gestellt, spielten sie auf. Doron
mit dem Saxophon, Naama auf der Geige und Adam am Keyboard, Shira mit der
Querflöte und Doron auf der Gitarre. Herzergreifend ihr Lied zum Gedenken an
ihre gefallenen Kameraden, einfühlsam ihre Interpretation altehrwürdiger
Pijutim, liturgischer Gesänge, im neuen Gewand, "Adon Olam" und "Schma
Jisrael", mitreißend ihr "Jeruschalajim schel Sahav", in das die Zuhörer
laut einstimmen und im Takt dazu die Israel-Fähnchen schwenken, die sie auf
den Stühlen vorfanden. Beim Potpourri alter bekannter israelischer Melodien
zuckt es bei so manchem Zuhörer in den Beinen. Nachdem "Ha-Tikva" verklungen
ist, auf der Bühne und in vielstimmiger Begleitung im Saal, hält es viele
nicht mehr an ihrem Platz. Die Stühle werden beiseite geräumt, es bilden
sich Kreise, einer im anderen, und es wird getanzt, zu israelischen
Melodien, und auch laut gesungen. Die Luft schwingt, die Holzdielen
verbiegen sich.
Am Ende bleiben sie lächelnd stehen und klatschen noch einmal begeistert
Beifall. Wer beim Eintreffen die Spendentische am Eingang übersehen hat,
geht, bevor er in die laue Abendluft tritt, zu den Damen von Keren Hayesod
und holt das Versäumte nach. Es bleibt zu hoffen, dass dieser harmonische
Abend mit den rasanten Melodien des Zahal-Ensembles auch Herzen und Taschen
gelockert hat, sodass das Loch im Budget des geschundenen Landes ein
bisschen gestopft werden kann.
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