Richtungswechsel:
Iran, Frankreich und die UNO-Truppe
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Frankreichs plötzlicher Gesinnungswechsel, anstelle von tausenden
Soldaten nur zweihundert in den Libanon zu schicken, könnte die Folge einer
wirtschaftlichen Erpressung Irans sein. Frankreich war an der Ausarbeitung
der UNO-Resolution entscheidend beteiligt und wollte eigentlich sogar das
Kommando der geplanten 15.000 Mann starken Friedenstruppe übernehmen.
Doch von heute auf Morgen änderte Präsident Jacques Chirac
seine Meinung. Plötzlich fordert er von der UNO genaue Anweisungen für die
Soldaten im Libanon, wann und wie sie das Feuer eröffnen dürften, obgleich
Frankreich die Problematik schon kannte, als es gegen den Willen der
Amerikaner eine möglichst lasche Formulierung in der Resolution 1701
durchsetzte. Auch innenpolitische Erwägungen, kurz vor Wahlen in Frankreich,
könnten Chirac zum Richtungswechsel animiert haben. Doch all diese
Erklärungen bieten keine schlüssige Antwort auf die Frage, wieso Frankreich
so schnell und so plötzlich seine Politik wechselte und das Kommando der
Friedenstruppe den Italienern überlassen wird.
Schabtai Schavit, ein ehemaliger Mossadchef, behauptete im israelischen
Fernsehen "mit allen Vorbehalten, weil ich noch keine eindeutige Bestätigung
erhalten habe", dass der Iran den Franzosen mit einem Abbruch der
Geschäftsbeziehungen mit der Autofirma Renault gedroht habe, falls
Frankreich ein großen Kontingent Soldaten zur Friedenstruppe in den Libanon
schicken sollte. Auch Reporter des öffentlich rechtlichen Fernsehens konnten
diese Angabe noch nicht voll bestätigen. Gleichwohl sei klar, so Ajalah
Hasson, politische Redakteurin, dass Iran ein Eigeninteresse verfolge, die
Friedenstruppe möglichst klein und wenig effektiv zu halten. Iran wolle
nicht, dass die Hisbollah, von Iran aufgerüstet und finanziert, entwaffnet
oder gar demontiert werde. Die Hisbollah habe durch ihre Standhaftigkeit
während des Krieges gegen Israel die Position der Teheraner Islamisten in
der arabischen Welt entscheidend gestärkt. Diesen Erfolg wolle sich Teheran
nicht wieder nehmen lassen. Es stellt sich heraus,
dass Iran am 26.7.2006, zwei Wochen nach Ausbruch des Libanon-Krieges und
auf dem Höhepunkt der Verhandlungen zwischen Frankreich und den USA über
eine Waffenstillstandsresolution in der UNO, die Auslieferung von hunderten
schon bezahlter Renault-Fahrzeuge vom Typ Mégane an Teheran storniert habe.
Mohsen Shaterzadeh, Irans Vizeminister im Industrieministerium, zweifelte an
den Fähigkeiten von Renault, Serviceleistungen für die ausgelieferten Wagen
bereitzustellen. Der französische Autobauer plante, den Kleinwagen in Iran
zu produzieren. Wie die BBC schon vor einem Jahr
meldete, plante Renault im Iran die Produktion von 15.000 Mégane pro Jahr,
mit der Erwartung, bis zu 50.000 Autos jährlich im Iran herzustellen.
Zugleich sollten bis zu 300.000 Fahrzeuge des Typs Logon im Iran
zusammengebaut werden. Im Iran wurden im vergangenen
Jahr fast eine Million Fahrzeuge gebaut im geschätzten Wert von 11
Milliarden Dollar, wobei Frankreich nach Angaben des iranischen Ministeriums
für Industrie und Bergbau Marktführer sei. Der in
Paris lebende iranische Wissenschaftler Bernard Hourcade sagte: "Frankreich
will im Iran Fuß fassen. Iran ist der einzige Ort im Nahen Osten, wo man
investieren kann, weil sich alle anderen Länder in einer revolutionären oder
post-revolutionären Lage befinden". Zwar seien Deutschland und die
arabischen Emirate wirtschaftlich noch umfangreicher im Iran vertreten,
"aber Frankreich holt auf". |