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Holocaust-Überlebende in Israel:
Die Angst, die nie vergeht

Raketen auf Haifa, Sirenen und Luftschutzkeller. Für Überlebende der Shoa kehren bei den Angriffen der Hizbollah auf Israel Traumata zurück.

Von Bernd Keuerleber
Jungle World 32 v. 09.08.2006

Für die etwa 200.000 Überlebenden der Shoah, die in Israel leben, ist der militärische Ausnahmezustand besonders schwer zu ertragen. Viele von ihnen sind seit ihrer Verfolgung traumatisiert und leiden noch heute unter den physischen und psychischen Spätfolgen: Ängste, Depressionen und andere Symptome treten auf, die für eine posttraumatische Belastungsstörung oder das so genannte Überlebendensyndrom kennzeichnend sind. Vor allem im Alter kommen die oftmals verdrängten und unverarbeiteten Erinnerungen wieder ins Bewusstsein.

Der Kriegszustand, Luftschutzsirenen, Selbstmordattentate, die offen ausgesprochenen Vernichtungsdrohungen gegen Israel und "die Juden" sind für viele Überlebende der Shoah "Trigger" – Auslöser massiver Angstzustände und Affektstörungen. Dr. Natan Kellermann ist Mitarbeiter von Amcha, dem israelischen Zentrum für psychosoziale Unterstützung von Überlebenden des Holocaust und deren Angehörigen. Vergangene Woche besuchte er die Zweigstelle von Amcha in Haifa, während wieder einmal Luftschutzalarm ausgerufen wurde: "Für die Überlebenden des Holocaust erinnern die Luftschutzsirenen an die Luftangriffe während des Zweiten Weltkriegs, und sie lösen eine unvorstellbare Angst in ihnen aus. Als sie die Luftschutzsirenen, die anfliegenden Raketen, die auf Haifa niederfallenden Bomben hörte, geriet eine ältere Überlebende in Panik. Ihr ganzer Körper zitterte, als sie sich schlagartig an ihre Kindheit in Europa während des Zweiten Weltkriegs erinnert sah. ›Jetzt ist der Krieg wieder da!‹, schrie sie."

Im vergangenen Jahr suchten mehr als 8 500 Menschen Hilfe bei Amcha. Die Organisation, die im Jahr 1987 von Überlebenden der Shoah als Selbsthilfeorganisation gegründet wurde und Therapien, Sozialclubs, Hausbesuche und andere unterstützende Dienste anbietet, unterhält mittlerweile Zweigstellen in elf Städten Israels. In Zeiten der militärischen Krise würden viele Klienten eine Intensivierung der Angebote benötigen, stattdessen gestaltet sich in den Zweigstellen der Gebiete, die unter Beschuss der Hizbollah stehen, selbst die Erfüllung der alltäglichen Aufgaben als äußerst schwierig. Die Amcha-Außenstelle in Kiriat Motzkin musste mittlerweile geschlossen werden, weil sie über keinen Bombenschutzraum verfügt. Außerdem ist es für die Überlebenden der Shoah inzwischen sehr schwierig oder gar nicht mehr möglich, zu der Geschäftsstelle in Haifa zu gelangen: Die öffentlichen Verkehrsmittel fahren nicht mehr, und die Menschen haben Angst, von einer Rakete getroffen zu werden, wenn sie sich fortbewegen.

Zur Unterstützung der Überlebenden hat Amcha eine Notfalltelefonhotline eingerichtet, deren Nummer über Zeitungen und Fernsehen publik gemacht wird. Bisher gingen dort Hunderte verzweifelte Anrufe aus dem Norden Israels ein. Seit vier Wochen beschießt die Hizbollah dort Städte und Siedlungen unaufhörlich mit Katjuscha-Raketen. Wegen des flächendeckenden Bombardements flüchten die meisten Bewohner mehrmals täglich in die unterirdischen Luftschutzräume. Die Versorgungslage in vielen Orten des Nordens ist inzwischen sehr schlecht. Viele der Anrufer bei Amcha klagen über Angst, Einsamkeit und Verzweiflung. Manche der alten Menschen haben keine Nahrung, Wasser und Medikamente mehr, denn viele Geschäfte bleiben wegen der Furcht vor den Raketenangriffen oder weil die Betreiber in den Süden geflohen sind, geschlossen. Wie bedrohlich und erschütternd die Situation für viele Überlebende ist, schildert Kellermann: "Eine ältere Dame rief bei der Amcha-Hotline an und schluchzte: ›Ich bin die Letzte in diesem gesamten Apartmentkomplex, ich verteidige den Block.‹ – anspielend auf den ›Block‹ im Konzentrationslager. Mit angespannter Stimme sagte sie, dass sie verrückt werde davon, niemanden zum Reden zu haben. Alle anderen haben die Gegend verlassen, und sie ist als Einzige zurückgeblieben."

Die Sozialarbeiter der Organisation versuchen, so gut es geht, mit Lebensmittelpaketen und Hausbesuchen die Versorgung und den Kontakt mit den Menschen aufrecht zu erhalten. Die Beschäftigten von Amcha, auch aus den anderen Zweigstellen in Israel, wechseln sich ab, um die Hotline besetzt zu halten. Sie versuchen, die Anrufer zu beruhigen, ihnen zu helfen, mit der Situation besser umgehen zu können, und ihren Durchhaltewillen zu stärken.

Aber es gibt auch Überlebende, die mit der Krise besser umgehen können, nicht völlig verängstigt sind, und betonen, dass sie bereits weitaus Schlimmeres erlebt hätten. Manche von ihnen arbeiten als freiwillige Helfer bei Amcha. Sie machen etwa Hausbesuche bei anderen Menschen, denen es nicht gut geht oder die noch älter sind. "Diese Hilfe ist sehr bedeutend, weil die Mitarbeiter von Amcha überarbeitet und müde sind. Alle helfen – Sekretärinnen, Freiwillige und die regulär Beschäftigten – um die Zweigstelle geöffnet zu halten und die Menschen spüren zu lassen, dass es einen Ort gibt, an dem sie immer Unterstützung erhalten können", berichtet Kellermann über die Situation in Haifa.

Doch die Helfer geraten immer wieder an ihre Grenzen. Die Telefone und Handys sind überlastet, und das gesamte Telefonsystem der Hotline müsste überholt und ausgebaut werden. Dem Anspruch, ihre Klienten zumindest einmal zu Hause zu besuchen, steht die Tatsache gegenüber, dass solche Hausbesuche sehr teuer und zeitaufwändig sind. Dennoch zeigt sich Kellermann entschlossen, einen Umgang mit der schwierigen Situation zu finden: "Wenn der Ausnahmezustand sich verlängert, wird die Hotline der primäre Kontakt zu Amcha sein, und die Tausenden Überlebenden im Norden Israels werden diesen Beistand benötigen. Diese ›Rettungsleine‹ darf nicht gekappt werden."

hagalil.com 11-08-2006

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