Präsident der
Islamischen Glaubensgemeinschaft:
Anas Schakfeh und die Fakten eines Konflikts
Von Karl Pfeifer
Die Muslime in Österreich haben keine Dachorganisation, wie
die Israelitische Kultusgemeinde, deren Führung demokratisch gewählt wird.
Eine islamische Organisation unter mehreren ist die "Islamische
Glaubensgemeinschaft" deren Präsident Anas Schakfeh, dem Falter (Nr. 31, vom
2.8.06) ein Interview gegeben hat.
Herr
Schakfeh wird von vielen als "gemäßigt" beurteilt. Tatsächlich will er den
Nahostkonflikt nicht nach Österreich tragen. Das ist lobenswert. Andere
seiner Erklärungen werfen Fragen auf.
Schakfeh:
Gaza ist ein Straflager ähnlich einem
Konzentrationslager. [...] Das ist ein schmaler Streifen Erde, eingezäunt.
Dort leben eingepfercht eineinhalb Millionen Menschen, sie können sich kaum
bewegen. Wie nennt man denn so etwas.
Das
Bevölkerungswachstum im Gazastreifen ist einer der höchsten der Welt. Diese
Tatsache kann Israel nicht zum Vorwurf gemacht werden, ebenso wenig, dass
die Gesundheitsvorsorge während der Besatzungszeit dazu beigetragen hat,
dass die Kindersterblichkeit merklich gesunken ist.
Die
Grenzen des Gazastreifens sind die gleichen, wie während der ägyptischen
Besatzung (1948-67), doch nun gibt es auch zwei Grenzübergänge zu Israel,
einen für Personen und einen für Waren.
Solange es keinen Terror gab, konnten Zehntausende Einwohner in Israel
arbeiten und ihr Brot verdienen. In den letzten Jahren gab es
Hungerdemonstrationen in Gaza und Palästinenser, die früher in Israel
gearbeitet haben, erinnerten sich mit Wehmut an diese Zeit. Der zielbewusst
eingesetzte Terror der zweiten Intifada hat dazu geführt, dass heute ein
hoher Prozentsatz arbeitslos ist. Dafür sind aber diejenigen verantwortlich,
die diesen Terror organisierten und anführten. Leider müssen dann die
Grenzübergänge oft genug gesperrt werden. Seit dem die Israelis im August
2005 den Gazastreifen geräumt haben, wurden mehr als 700 Raketen auf
israelische Ortschaften abgefeuert, die Tote und Verletzte sowie Sachschäden
zur Folge hatten. Kann irgendein Palästinenser glauben, dass das wirklich
zur Verbesserung der Lebensbedingungen im Gazastreifen beiträgt?
Schakfeh:
Wir sind prinzipiell gegen jede Gewaltmaßnahme
gegen Zivilisten, auf beiden Seiten. Aber die Militäraktionen der Hisbollah
richteten sich nicht gegen zivile Einrichtungen.
Falter:
Wie bitte? Ihre Raketen treffen israelische Städte.
Schakfeh:
Moment, die Raketen kamen erst später. Zur
Erinnerung: Zuerst hat die Hisbollah eine Militärstellung der Israelis
angegriffen und dabei zwei Soldaten gefangen genommen. Das war eine reine
Militäraktion.
Falter:
Die Hisbollah schießt doch seit Jahr und Tag ihre Katjuschas in
Siedlungsgebiete.
Schakfeh:
Das stimmt nicht. Zwischen Israel und Hisbollah gab
es vorher eine Vereinbarung, wonach beide Seiten versicherten, keine zivilen
Einrichtungen anzugreifen.
Man
reibt sich die Augen. Seit Jahren beschießt die Hisbollah den Norden Israels
mit Raketen. Israel hat sich zigmal deswegen beschwert. Während der letzten
drei Jahre wurden von der Hizb Allah sieben israelische Soldaten und ein
Offizier der UNO (9.1.05) getötet.
Und
auch der letzten Aktion von Hisbollah ging ein Raketenbeschuss von
israelischem Gebiet vor. Im Standard, konnte man am 13.7.06 lesen: "Die
Eskalation begann Mittwoch früh, als die Hisbollah Katjuscha-Raketen und
Artilleriegranaten auf einen israelischen Grenzort und auf Armeestellungen
abfeuerte, wobei elf Zivilisten und Soldaten verletzt wurden. Doch was wie
einer der üblichen kleinen Angriffe aussah, diente offenbar nur der
Ablenkung..."
Falter:
Die Führer der Hisbollah haben immerhin die Auslöschung von Israel als Ziel.
Darf man das Existenzrecht Israels überhaupt anzweifeln?
Schakfeh:
Dieses ist doch international anerkannt. Kein
Mensch, der vernünftig denkt, hat aber Angst um die Existenz Israels,
zumindest nicht in den nächsten Jahrzehnten...
Wenn das Grundproblem die Schaffung eines palästinensischen
Staates ist, und alle hoffen, das dieser bald kommt, wieso sollte man nach
ein paar Jahrzehnten Angst um die Existenz Israels haben müssen? Soll die
Schaffung eines palästinensischen Staates, so wie das Arafat erträumte, nur
die erste Phase bei der geplanten Auslöschung Israels sein? |