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Nach dem Krieg ist vor dem Krieg:
So, und jetzt?
Editorial von Yves Kugelmann, tachles, 18.08.2006
Quintessenz. Wenn's nur nicht so traurig, tödlich und immer
wiederkehrend wäre. Millionen Flüchtlinge auf allen Seiten, Tausende
unnötige Tote, Verletzte, Heimatlose. Das Versagen der internationalen
Gemeinschaft und ihre Absenz beim Verhindern der Eskalation. Die Abwehr der
iranisch-syrischen Hizbollah-Raketen durch Israel ließ am 12. Juli wenige
Optionen offen: Selbstverteidigung oder das Anrufen der Uno aufgrund der
Resolution 1559. Israel vertraute verständlicherweise auf seine Stärke und
nicht auf die voraussehbaren Versäumnisse des Westens. Vielleicht ein
Fehler, denn wieder einmal steht Israel im Fokus – statt das Problem, die
Ursachen, die Fundamentalisten, die Anti-Demokraten, die
Völkerrechtsbrecher, die antiwestlichen Mörder und Selbstmörder. Was bleibt,
ist nicht der Sieg Israels, nicht die Vernichtung der Hizbollah, sondern die
Bedrohung, der Langzeitkonflikt sowie ein enormer phyischer und psychischer
Kollateralschaden.
Nahostlogik. Nach dem Krieg ist vor dem Krieg. Der vermeintliche Spuk
ist vorüber, und in Israel tobt ein heftiger Streit über Sinn, Unsinn,
Erfolg, Misserfolg, Notwendigkeit und Wirksamkeit der Offensive. Das
vierwöchige Intermezzo der nationalen Einheit ist mit dem Waffenstillstand
von Montag endgültig zu Ende, bereits dreht sich wie so oft in Jerusalem das
Personenkarussell, und die sich innenpolitisch erbittert Streitenden blicken
auf die nächsten Wahlen anstatt auf die realen Gefahren, Bedrohungen,
Szenarien in Nahost. Der größte Feind Israels ist derzeit die eigene
Blindheit, der Unwille zur Analyse, lähmende Lethargie und die
Unmöglichkeit, die Sicherheitslage politisch anzugehen. Israel hat den Krieg
gegen die Hizbollah nicht gewonnen. Der Sieges-Mythos jedoch verdeckt den
Blick auf die reale Situation, was fatal enden kann. Denn der
ausschließliche Verlass auf die militärische Option wird zur größten inneren
Gefahr für Israel, derweil weitere Konflikte und Kriege drohen.
Westlogik. Nach dem Terror ist vor dem Terror. Der vereitelte
Terroranschlag von London wird noch ein wenig nachhallen, und dann wird die
Tagesordnung so lange andauern, bis der nächste verhinderte oder geglückte
Anschlag folgt. Die Ohnmacht des Westens ist die Stärke der
Fundamentalisten, Gotteskrieger, Terroristen. Der Westen kapituliert, indem
er zur Geisel der potentiellen Gefahren wird, nichts entgegenzusetzen hat
oder vermag und erkenntnislos voranwurstelt, bis das Ritual der
Wirkungslosigkeit wieder losgeht. Indessen basteln die Terroristen am
nächsten Inferno.
Quintessenz. Wenn's nur nicht so traurig, tödlich und immer
wiederkehrend wäre. Solange die absolut reale Terrorgefahr als politischer
Fetisch herhalten muss, rhetorik-, legitimations-, aber nicht
erkenntnisbestimmend ist, wird keine allgemeinverbindliche Maxime der
Vernunft dazu führen, die Dis-kussionsstereotypen zu durchbrechen und
wirksame Allianzen gegen Fundamentalisten, Mörder und Anti-Demokraten zu
schmieden. Es nützt nichts, die Konfrontation zu zelebrieren, zu
unfreiwilligen Handlangern der Ideologen zu mutieren und sich vorzugaukeln,
etwas getan zu haben. Gefragt ist kein
Gutmenschnaivselbstgerechtohnmacht-Programm, sondern ein Willensakt, der die
Freiheit moderner Gesellschaften nicht zum fatalen
Selbstzerstörungsmechanismus verkommen lässt. Friede ist nicht die
Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln, sondern Freiheit per se.
Politik und offene Gesellschaften sind herausgefordert. Solange aber die
Diskussion über die Frage nach Lösungen nicht faktenbezogen geführt und
umgesetzt wird, wird der Teufelskreis von Krieg und Terror noch lange nicht
enden.
http://www.tachles.ch
Legitime Kritik:
Israelbashing
Die Kritik an Israel ist nicht weniger legitim als der Hinweis darauf, dass
Israel für vieles herhalten muss, mit dem Israel und der Konflikt wenig bis
gar nichts zu tun haben...
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hagalil.com 19-08-2006 |
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