Zipi Livni:
Israels Gesicht nach Außen Von
Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Wenn
die beiden wichtigsten Außenministerinnen nebeneinander stehen, Condolleezza
Rice und ihre israelische Amtskollegin Zipi Livni, fallen kleine
Unterschiede auf. Rice sieht aus, als gehe sie vor jedem öffentlichen
Auftritt zu ihrem Haarstyler. Livni widmet ihrem blonden Haar etwa so viel
Aufmerksamkeit, wie es Angela Merkel vor ihrer Wahl zur Bundeskanzlerin tat.
Livni, Mutter von zwei Kindern, ist immer dezent gekleidet, ohne auffällige
Farben, modisch fast langweilig. Ihr Gesicht wirkt ungeschminkt. Umso
stärker fallen die stechenden Augen der gelernten Rechtsanwältin und
Likud-Politikerin auf.
"Ich habe eine glückliche Kindheit verbracht. Am ersten Mai klauten wir die
roten Flaggen der Kommunisten und hängten stattdessen blauweiße Fahnen der
Betarbewegung auf", erzählt sie lachend über ihre Kindersünden. Ihr Vater,
Eitan Livni, stand Menachem Begin in der rechtsgerichteten
Untergrundbewegung Etzel bei. Aus diesem Umfeld stammen auch andere
"Prinzen" des rechtskonservativen Lagers, darunter Premierminister Ehud
Olmert und Benjamin Netanjahu.
Die 48-jährige brachte es zur Offizierin in der Armee und ließ sich dann vom
Mossad rekrutieren. Nach dem Jura-Studium an der frommen nationalreligiös
ausgerichteten Bar Ilan Universität, an der auch Rabin-Mörder Jigal Amir
studiert hatte, spezialisierte sie sich als Anwältin auf Grundstücksfragen,
Wirtschafts- und Staatsrecht. 1999 ging sie in die Politik, wurde in die
Knesset gewählt und schon bald vom Likudchef und späteren Premierminister
Ariel Scharon als zielstrebige, nicht korrupte und fähige Politikerin
"entdeckt". Sie war schon Justizministerin und verwaltete das
Häuserbau-Ressort, von wo die Siedlungen in den besetzten Gebieten betreut
werden, bis sie schließlich ins Außenministerium wechselte. Aufatmen unter
den Berufsdiplomaten nach Jahren des Missbrauchs durch Benjamin Netanjahu
und Silvan Schalom. Die versetzten ihre Günstlinge und sogar einen Chauffeur
auf nette Auslandsposten. Livnis erster Amtakt: keine politische Ernennungen
mehr.
Ideologisch stark geprägt, ist Livni dennoch keine Ideologin. Trotz ihrer
anerzogenen "Liebe zu Land Israel", stand sie voll hinter Ariel Scharon, als
der den Rückzug aus dem Gazastreifen und den biblischen Gefilden in
Samarien, dem ganzen Norden des Westjordanlandes beschloss. Sie wechselte
mit dem halben Likudblock zur neu gegründeten Kadima-Partei. Und als Scharon
durch Krankheit ausgefallen war, gehörte sie zum engsten Vertrautenkreis um
Ehud Olmert. Livni strebt an die Macht und wurde schon als "zweite Golda
Meir" auf dem Stuhl des Ministerpräsidenten gehandelt. Doch folgte sie
durchaus den Spuren der großen Dame israelischer Politik, indem "Zipi" wie
"Golda" erst einmal ins Außenministerium zog.
Solange Krieg herrscht, fallen die taktischen Entscheidungen über
Bodenoffensiven und Vormärsche woanders: bei Olmert, bei den Militärs und im
Verteidigungsministerium. Doch Livni nimmt an allen wichtigen Sitzungen des
Sicherheitskabinetts teil und vertritt dort die mahnende Stimme er großen
Welt. Mit Condoleezza Rice verhandelte sie über die Notwendigkeit, die
Hisbollah im Libanon so kräftig zu schlagen, dass da eine neue Ordnung
entstehen könne. Frank-Walter Steinmeyer erteilte sie vermutlich das Mandat,
sich um stillschweigende Kontakte mit Iran, Syrien und die Hisbollah zu
kümmern, um die verschleppten Soldaten zu befreien.
Livni hat die schwere Aufgabe übernommen, einen Mittelweg zwischen den
widerstreitenden Großmächten der Welt zu finden. Zwischen einem "sofortigen
Waffenstillstand" und einer "beständigen Waffenruhe" oder gar "Schritten zum
Erreichen eines Waffenstillstandsabkommen" liegt die internationale Duldung,
Israel noch Tage oder gar Wochen gegen die Hisbollah ankämpfen zu lassen.
Aber humanitäre Katastrophen wie der Luftangriff auf Kana, wo unter einem
Haus nach Angaben des Internationalen Roten Kreuzes 28 Menschen ums Leben
kamen, können den israelischen Militärs schnell einen Strich durch die
Schlachtpläne machen.
Livni hat die Aufgabe, die unschlüssige Haltung der Politiker in aller Welt
ins Hebräische zu übersetzen. Sie muss den Kriegsstrategen mitteilen, wie
viel Zeit ihnen noch bleibt, mit Sonderkommandos und Bodenoffensiven eine
militärische Entscheidung herbeizuführen. "Die politischen Bemühungen um
eine Lösung des Konflikts und das militärische Vorgehen schließen einander
nicht aus, sondern ergänzen sich" sagte Livni bei einer Pressekonferenz mit
ihrer amerikanischen Amtskollegin in Jerusalem.
Doch nur Livni weiß, dass diese "Ergänzung" ein täglicher Balanceakt ist
zwischen widerstrebenden Interessen. Auch die Militärs haben gelernt, dass
moderne Kriege nicht nur auf dem Schlachtfeld geführt werden, sondern auf
dem Fernsehschirm und auf einem Minenfeld , das sich "öffentliche Meinung"
nennt. Zu Beginn des Krieges kommandierte Livni alle angehenden
Jungdiplomaten in die delikate Propagandaschlacht ab, wo Scheich Nasrallah,
der Fernsehsender Al Manar und israelische Sprecher um internationale Gunst
buhlen. |