Gerechtfertigt, klug und gelungen:
Israels Kriegsführung
Auszüge aus einem Kommentar von Yossi Melman,
Ha'aretz, 04.08.2006
Übersetzung Daniela Marcus
Dies ist nicht nur ein gerechter Krieg, sondern
auch ein kluger und gelungener. Es ist nicht nötig, lang und breit
über seine Gerechtigkeit zu diskutieren, doch es besteht eine
Debatte über seinen Erfolg und darüber, ob er klug geführt wird. Die
meisten politischen und militärischen Kommentatoren haben wenig
Gutes über diese beiden Aspekte zu sagen. (…)
Doch sie ignorieren einen zentralen Faktor: Als Israel in diesen
Krieg zog, legte es sich selbst militärische und politische
Einschränkungen auf. Und das ist richtig so. Gemäß den Direktiven
der Regierung hätte die israelische Verteidigungsarmee (IDF) den
größten Teil des Libanon innerhalb weniger Tage einnehmen können, so
wie dies 1982 geschah. Doch dieses Mal ist das Ziel ein anderes.
Israel möchte seine eigenen Verluste in Grenzen halten, und deshalb
operiert die IDF vorsichtig – etwas, das fälschlicherweise als
Zögern angesehen wird. Die Regierung wollte keine Reservisten
einberufen, um dem Land einen weiteren wirtschaftlichen Schaden zu
ersparen.
Während der ersten Woche im Krieg von 1982 wurden zwischen 6.000 und
10.000 Libanesen und Palästinenser getötet. Jetzt wurden während
etwa drei Wochen ca. 700 libanesische Zivilisten und mehr als 300
Hisbollah-Männer getötet. 1982 provozierte Israel Syrien und zog es
beinahe mit in den Krieg hinein. Dieses Mal versucht Israel, Syrien
aus dem Krieg herauszuhalten.
1982 wollte die Regierung von Menachem Begin und Ariel Sharon eine
Kettenreaktion auslösen mit dem Ziel, dadurch eine neue regionale
Ordnung zu schaffen. Die Absicht war, den Christen im Libanon unter
Leitung von Bashir Gemayel zur Führung des Landes zu verhelfen,
damit sie die Palästinenser nach Syrien ausweisen könnten, in der
Hoffnung, dass die Palästinenser dann nach Jordanien gehen und dort
einen palästinensischen Staat gründen würden. Dieses Mal möchte
Israel die pro-westliche Regierung von Fuad Siniora intakt lassen
und die Hisbollah unterminieren ohne der zerbrechlichen
religiös-ethnisch-politischen Konstruktion des Libanon zu viel
Schaden zuzufügen.
Die Einschränkungen basieren auf dem Interesse Israels und auf dem
ausdrücklichen Wunsch Amerikas. Sie sind nicht nur Grund für die
amerikanische Unterstützung, sondern auch für das Verständnis der
meisten Länder der Erde inklusive dem stillschweigenden
Einverständnis der meisten arabischen Staaten. Auch die Mehrheit der
Libanesen sowohl im Libanon wie im Ausland möchte eine Niederlage
der Hisbollah sehen.
Der Grund für Israels Kriegsführung ist nicht Schwäche sondern
politische Klugheit, die auf dem Verständnis basiert, dass
militärische Stärke ihre Grenzen hat. Von diesem Gesichtspunkt aus
betrachtet können wir eigentlich nur großen Respekt für die
bisherigen Leistungen des Krieges haben. Es ist wahr, dass es auch
Versagen und Fehler gab. So überschätzte der Generalstabschef, der
von der Luftwaffe kommt, anscheinend die Möglichkeit, die Hisbollah
allein durch die Luftwaffe zu besiegen. Die Reservisten hätten
früher mobilisiert werden sollen. Hier und da ist bei den Offizieren
fixiertes Denken zu beobachten, und auch die Marine machte einen
Fehler. Zur Negativseite kann auch die durch den Krieg zum Vorschein
gebrachte sozioökonomische Kluft zwischen denjenigen, die den Norden
Israels verlassen können und denjenigen, die es nicht können,
gezählt werden.
Doch all dies wird durch die Erfolge in den Schatten gestellt.
Basierend auf präzisen Geheimdienstinformationen konnte die
Luftwaffe während der ersten beiden Kriegstage die Mehrheit der
Langstreckenraketen und deren Abschussrampen exakt treffen. Dank
Geheimdienstinformationen konnten Spezialeinheiten tief in
feindliches Gebiet entsandt werden. Hisbollah-Hauptquartiere und
ihre Kommunikations- und Kontrollzentren wurden schwer getroffen.
Die Befestigungsanlagen entlang der Grenze zu Israel wurden
zerstört.
Bei all dem Schmerz über die Opfer des Krieges und über die
Zerstörung, die er mit sich bringt, ist dies auch ein
psychologischer Krieg und ein Kampf um das Gewissen des Volkes. Und
in diesem Kampf gewinnt Israel mit Sicherheit. Die reguläre Armee
und die Reservisten zeigen eine Entschlossenheit, die auf dem
Glauben basiert, dass diese Sache eine gerechte ist. Die israelische
Gesellschaft schüttelt Hassan Nasrallahs Spinnennetz-Metapher von
sich ab. Die Hisbollah und der Iran haben nichts gewonnen. Anstatt
dass Israel von der Bedrohung durch die Raketen abgeschreckt wurde,
brennt es ins Bewusstsein von Teheran, Damaskus und vielleicht auch
der Hamas, dass Waffenstärke und Drohungen sie nirgendwo hinbringen.
Diese Einheiten müssen verstehen lernen, dass sie in Verhandlungen
viel mehr Zugeständnisse von Israel erhalten werden als in Kriegen.
hagalil.com 04-08-2006 |