Wachsender Druck:
Der Krieg schlägt auf den Magen
Wegen der hohen Verluste der israelischen
Armee wächst die Kritik. Eine Alternative zum Militäreinsatz im Libanon
sehen die meisten Israelis jedoch nicht.
Von Andrea Livnat, Tel Aviv
Jungle World
31 v. 02.08.2006
Kaugummi kauend, mit Sonnenbrille und einem Macho-Grinsen
lümmelt Israels Generalstabschef Dan Halutz in seinem Sessel und stellt die
neue Wunderwaffe gegen die Hizbollah vor: die Sängerin Margalit Zanaani, die
vor allem mit ordinären Sprüchen glänzt. Natürlich ist das eine Parodie,
nämlich in Israels beliebtester Satiresendung "Eretz Nehederet" (Wunderbares
Land), die am Freitag eine Spezialfolge zum Libanonkrieg brachte. In
Wirklichkeit befand sich Dan Halutz an diesem Freitagabend an einem ganz
anderen Ort, im Ichilov-Krankenhaus in Tel Aviv, wegen starker
Magenschmerzen. Er wurde mit der Empfehlung entlassen, sich auszuruhen und
gut zu essen.
Offenbar kann er dem wachsenden Druck nicht standhalten. Sein
gesundheitlicher Zusammenbruch kam nur zwei Tage nach dem verheerenden
Einsatz von Bodentruppen im südlibanesischen Bint Jbeil, bei dem acht
Soldaten starben, nachdem sie in einen Hinterhalt geraten waren. "Wir waren
Kanonenfutter dort", sagte einer der verwundeten Soldaten im Krankenhaus.
Spätestens seit diesem Debakel wächst die Kritik. Noch immer halten 95
Prozent der Israelis den militärischen Einsatz im Libanon für
gerechtfertigt, viele zweifeln jedoch an der Kompetenz der Regierung und der
Armeeführung. Dass mit Halutz erstmals ein Luftwaffenoffizier, der wenig
Erfahrung mit Bodeneinsätzen hat, den Generalstab leitet, wird dabei ebenso
thematisiert wie die Tatsache, dass ausgerechnet jetzt ein
Gewerkschaftsfunktionär Verteidigungsminister ist. Medienberichten zufolge
berät sich Ministerpräsident Ehud Olmert vermehrt mit Peretz' Vorgänger
Shaul Mofaz. Er hat ein kleines Kriegskabinett, das "Forum der Sieben",
einberufen, dem u.a. die Minister Shimon Peres, Avi Dichter und Mofaz
angehören, Politiker mit Jahrzehnte langer Erfahrung im Militär- und
Sicherheitsbereich.
Der Krieg scheint an einem Punkt angelangt zu sein, an dem die Führung sich
entscheiden muss, entweder aufzuhören und einen Waffenstillstand
auszuhandeln oder die Militäraktionen stark auszuweiten. Die erste Option
ist nach wie vor nur für eine kleine Minderheit relevant. 82 Prozent der
Israelis befürworteten am Mittwoch der vergangenen Woche in einer
Meinungsumfrage der Zeitung Maariv, dass die Kämpfe weitergehen, bis die
Hizbollah aus der Grenzregion vertrieben worden ist. Erst dann sollen
Verhandlungen stattfinden.
Die meisten Kommentatoren teilen diese Ansicht. In einem Leitartikel der
Tageszeitung Jedioth Achronoth wird zwar festgestellt, dass Israel "von der
Manie in die Depression" verfallen sei, dennoch wird die Einigkeit
beschworen. Nach der Entführung der beiden Soldaten hätte Israel mit einem
sehr kräftigen punktuellen Gegenschlag reagieren müssen, meint Yoel Marcus,
einer der führenden Kommentatoren von Ha’aretz. Stattdessen habe der
Generalstabschef einen Krieg empfohlen, der "halb Tee, halb Kaffee" sei.
Deutlicher werden Amnon Dankner und Dan Margalit in Maariv. Sie plädieren
dafür, weniger sensibel auf die Kritik des Auslands zu reagieren, die
Luftwaffeneinsätze auszuweiten, um eine verlustreiche Bodenoffensive zu
vermeiden, und zu kämpfen "bis zum Sieg, mit mehr Entschlossenheit und
weniger Feinfühligkeit".
Die israelische Bevölkerung erlebt derzeit einen in der Geschichte des
Landes einmaligen Ausnahmezustand. Seit Mitte Juli sitzt eine Million
Israelis in ihren Bunkern, wird von Angstzuständen geplagt, verliert
Einkommen, Wohnung, Hab und Gut. Je länger die militärischen Aktionen
dauern, desto unruhiger wird die Bevölkerung. Doch eine Alternative sehen
die meisten nicht. So werden weiterhin die Propaganda-Slogans hochgehalten:
"Stark und mutig" und "Wir werden siegen".
Dan Halutz:
Der erste blaue Generalstabschef
Israels
Was empfindet ein Pilot, wenn er eine tonnenschwere Bombe auf ein
dichtbewohntes Viertel abwirft, um einen langgesuchten Terroristen gezielt
zu töten? "Ich fühle da nur ein leichtes Zucken am Flügel meines
Flugzeugs"...
Erez nehedereth:
Dan Chaluz und die Geheimwaffe --
Alles wird gut - mit David Brosa im Bunker --
Live! Schekh Nasrallah im israelischen TV
hagalil.com 02-08-2006 |