Nachhaltige Zerstörung auf der israelischen Seite:
Verbrannte Erde und verstörte Haustiere
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 24. Juli 2006
"Die nachhaltige Zerstörung auf der israelischen Seite ist
weit schlimmer als auf der libanesischen Seite. Israel leidet wirtschaftlich
viel stärker: Wo die Raketen einschlagen, konzentriert sich Israels
Wirtschaft, dort lebt die Bevölkerungsmehrheit, dorthin kommen die
Touristen."
Dieses Zitat klingt wie israelische Propaganda, doch es sagte Hisbollah
Scheich Al Malli im Gespräche mit der Süddeutschen Zeitung. Er könnte recht
haben. Im Libanon redet man von einem Sachschaden in Höhe von einer
Milliarde Dollar. Deshalb wurde ein mitgebrachter Scheck der amerikanischen
Außenministerin in Höhe von nur 30 Millionen Dollar als beleidigende
Ohrfeige empfunden. Condoleezza Rice sagte kurzfristig eine Pressekonferenz
ab, weil auch andere amerikanische Vorschläge auf Widerspruch stießen.
In dem inzwischen fast menschenleeren Norden Israels leidet auch die Natur.
Über eine Million Bäume sind bei riesigen Waldbränden vernichtet worden.
Wildtiere sterben im Feuer. Niemand löscht die Brände, weil auch die
Feuerwehr die Katjuscharaketen aus Libanon fürchtet. Sie löscht nur dort, wo
die Brände Wohngebiete gefährden. Die meisten der rund 2500 Raketen der
Hisbollah sind schlecht gezielt. Anstatt Wohnhäuser und Menschen in den
Städten Naharija, Haifa oder Nazareth zu treffen, wo zwei muslimische Kinder
ums Leben kamen, explodieren die meisten Raketen im "offenen Gelände".
Gemeint ist die Landschaft mit natürlichen Wäldern oder Gestrüpp, das wegen
der Sommerhitze vertrocknet ist und leicht Feuer fängt. Wegen neuer
verschärfter Zensurbestimmungen darf nicht berichtet werden, wo genau die
Raketen aus Libanon treffen, selbst wenn sie ins Meer stürzen und
bestenfalls Fische gefährden.
Galiläa, einst grün wie die Toskana, ist schwarz und verbrannt. "Brandgeruch
liegt in der Luft", sagt ein Reporter nach einer Tour durch den Norden.
"Jetzt weiß ich, was mit "verbrannter Erde" gemeint ist", sagt er mit Bezug
auf deutsche Geschichte.
Nicht nur in der Natur leiden die Tiere unter dem Krieg. Verschreckt durch
pausenlose Explosionen von Hisbollah-Raketen und israelische Artillerie beim
Beschuss des Libanon, lassen Rehe ihre Kitzen im Stich. "Meine Hühner legen
nur noch unfertige, mit Blut gefüllte Eier", klagt ein Bauer, nachdem eine
Rakete in seinem Kuhstall Tod und Verwüstung gesät hat.
Nachdem ein Viertel aller Familien aus dem Norden Israel geflüchtet war,
sorgte sich Ahava (Tiere retten in Israel und im Nahen Osten) um die
zurückgelassenen Hunde und Katzen. Vor einigen Tagen schon berichtete Ahava
per Email an die Presse, 138 verwaiste Hunde und Katzen eingesammelt zu
haben. Volontäre der tierfreundlichen Organisation hätten anderthalb Tonnen
Trockenfutter und hunderte Wassertöpfe in den Städten im Norden Israels
verteilt. "Ohne Hilfe des Menschen verdursten die Tiere in der Sommerhitze
des Nahen Ostens", heißt es in dem ersten Brief. Die Organisation bittet um
Spenden, "denn sonst sterben die Tiere, ehe der Krieg vorüber ist."
Veterinäre aus aller Welt sollen nach Israel kommen und die Tiere pflegen.
Ahava erzählt über sich selbst, "Hunde, Katzen, Esel, Pferde und Vögel in
Israel und in den Palästinensergebieten" gerettet zu haben. Jetzt bietet sie
sich an, den Soldaten bei der Offensive im Südlibanon zu folgen, um "kranke
und verwundete Tiere des Libanon" aufzunehmen.
Zwei Tage später folgte eine weitere dramatische Email. Ahava habe Rufe von
Libanesen erhalten, die fliehen wollten, aber ihre Haustiere zurück lassen
müssten. "Aber die Kontakte brachen ab". Ahava wandte sich an "zahlreiche
Botschaften". Doch die diplomatischen Vertretungen "antworteten nicht",
obgleich die Organisation weiß, dass viele Libanesen sich wegen ihrer
Lieblinge auch an die Botschaften wandten
Ahava macht allen Regierungen, die jetzt ihre Staatsangehörigen per Schiff
nach Zypern evakuieren, ein Angebot, das brennende humanitäre oder besser
formuliert, dieses animalische Problem zu lösen. Die Flüchtlinge sollten die
Genehmigung erhalten, ihre Tiere mit auf die Schiffe zu nehmen, die sie von
Tyros oder Beirut nach Zypern evakuieren. In internationalen Gewässern wolle
Ahava mit eigenen Schiffen kommen und alle mitgenommenen Haustiere
übernehmen. |