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Interview mit Lokman Slim:
"Hisbollah nimmt die Libanesen als Geisel"

Die Opfer der kriegerischen Handlungen sind für die Hisbollah nichts weiter als politisches Kapital, sagt der libanesische Publizist Slim im Interview mit der Netzeitung. Er setzt auf die Diplomatie der USA - und Druck aus Syrien.

Mit Lokman Slim sprach Igal Avidan
Netzeitung v. 14. Juli 2006


Lokman Slim
© Foto: Igal Avidan

Lokman Slim ist Verleger und Intellektueller, der 2005 mit dem Dokumentarfilm "Massaker" ein Tabu gebrochen hat. Zum ersten Mal ließ er sechs Täter sprechen, die 1982 an dem Massenmord in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila teilgenommen hatten.

Lokman Slim wurde 1962 in Beirut geboren. Sein Vater ist Schiit und seine Mutter Christin. Während seines Philosophie-Studiums in Paris von 1982 bis 1988 war er in verschiedenen kulturellen Foren tätig, vor allem engagierte er sich für "Arabie sur Seine". 1990 gründete er in Beirut den arabischsprachigen Verlag "Dar al Jadid". Er veröffentlichte viele Beiträge für die libanesische Presse und andere arabischsprachige Publikationen.

Netzeitung: Das Kulturzentrum Umam, das Sie 2004 mitgegründet haben, befindet sich im südlichen, dem schiitischen Teil von Beirut - in dem die Hisbollah die überwiegende Kontrolle ausübt. Wie ist die Stimmung dort?

Lokman Slim: Den ganzen Morgen feierten die Bewohner des Stadtteils auf den Straßen und verteilten Süßigkeiten für die gelungene Entführung der israelischen Soldaten. Am Donnerstagmorgen übertrug der Hisbollah-Sender Al Manar eine militärische Parade.

Später wurde ein Gebäude des Senders getroffen, der einen Kilometer von Umam entfernt residiert. Ich hoffe, dass die israelischen Piloten professionell genug sind, um beide Institutionen nicht miteinander zu verwechseln.

Netzeitung: Die jüngste Eskalation begann, als die Hisbollah am Mittwoch zwei israelische Soldaten entführte und acht weitere tötete. Wie bewerten Sie diese Verletzung des israelischen Territoriums, gerade nachdem Israel sich aus dem Libanon vollständig zurückgezogen hat?

Slim: Hisbollah betrat die politische Bühne (in den 1980er Jahren, die Red.) mit "terroristischen" Aktionen wie Geiselnahmen und hat seitdem diese Aktionen zu einer politischen Strategie gemacht.

Dabei hat die Hisbollah nicht nur zwei israelische Soldaten, sondern die ganze libanesische Bevölkerung als Geisel genommen. Und die schiitischen Libanesen leiden unter einer Art des "Stockholm Syndroms" (eines psychologischen Phänomens, bei dem Opfer von Geiselnahmen ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Entführern aufbauen; die Red.).

Netzeitung: Dabei sind Sie selbst Schiit.

Slim: Soziologisch gesehen ja. Aber unabhängige Schiiten wie ich müssen sich der Hisbollah widersetzen. Unsere Organisation vertritt gegenteilige Positionen der Offenheit und Toleranz. Mit Krieg und Terror kann man nichts voranbringen. Die Libanesen, die vor einem Jahr die Unabhängigkeit von Syrien durchgesetzt haben, können nicht mehr im Namen der «nationalen Einheit» eine Organisation tolerieren, die die Existenz Libanons nicht respektiert.

Netzeitung: Die USA, Frankreich und die Uno haben versucht, durch die UN-Resolution 1559 die Hisbollah-Miliz zu entwaffnen. Ist diese Frage noch relevant?

Slim: Nicht nach Beginn dieser neuen Runde der Gewalt, denn nun ist dies kein libanesisches, sondern ein regionales Thema geworden, von Iran und Syrien abhängig.

Netzeitung: Israel fordert den Libanon dazu auf, seine Souveränität zu demonstrieren und die Hisbollah in ihre Schranken zu weisen.

Slim: Die libanesische Regierung hat doch die Hisbollah mit ins Kabinett geholt. Von dieser Regierung können wir Libanesen gar nichts erwarten. Die Hisbollah muss noch beweisen, dass sie die libanesischen Interessen verfolgt - und nicht nur mit Iran und Syrien paktiert. Im Dienste dieser zwei Herren setzt diese Miliz die Zukunft Libanons aufs Spiel. Denn bisher hat nicht nur Israel, sondern auch die Hisbollah die Souveränität Libanons verletzt. Das hätte sie ohne die Genehmigung Irans und Syriens nicht getan. Die Frage ist zu stellen: Hat allein diese Organisation das Monopol über die Fragen des Krieges und Friedens im Libanon?

Netzeitung: Bei den israelischen Militäraktionen im Libanon sind über 50 Menschen ums Leben gekommen. Inwieweit spielt dieser Blutzoll in die Hände der Hisbollah?

Slim: Ihre Ideologie war es immer, aus Opfern von Gewaltakten politisches Kapital zu schlagen. In diesem Sinne fördert die Hisbollah den Märtyrerkult. Das ist wiederum das Dilemma der israelischen Regierung. Die Bombardierungen dienen lediglich der Beruhigung der Israelis und wird nicht helfen, die Geiseln frei zu bekommen. Die Wurzel des Problems liegt doch in Damaskus und Teheran, nicht in Beirut.

Netzeitung: Vertieft Israel durch die Angriffe auf Beirut die Kluft innerhalb der libanesischen Gesellschaft?

Slim: Absolut. Leider gibt es kaum libanesische Schiiten, die sagen, dass die Schiiten nur ein Teil des Libanons sind. Die libanesische Armee könnte gespalten werden, wenn sie versuchen würde, die Hisbollah zu entwaffnen.

Netzeitung: Wie wird sich die Krise weiter entwickeln?

Slim: Man muss auf die amerikanische Diplomatie setzen. Israel muss seine Militäroperationen herunterschrauben, und Syrien muss Druck auf die Hisbollah ausüben, damit sie die Eskalation beenden. Israel hat übrigens kein Interesse, die Lage noch mehr eskalieren zu lassen, und es wäre ein großer Fehler, wieder in den Libanon einzumarschieren. In nächster Zeit wird Israel die entführten Geiseln nicht zurückbekommen, solange kein massiver Druck auf Damaskus und Teheran ausgeübt wird. Die Druckmittel fehlen jedoch, und daher werden indirekte Verhandlungen eingesetzt.

Netzeitung: Welche Folgen hat der Konflikt für den Libanon?

Slim: Ich befürchte die Zerstörung der mühsam aufgebauten Infrastruktur. Der Tourismus ist mitten in der Saison zusammengebrochen. Wir erwarteten über eine Million Touristen. Das kann man nun vergessen.

hagalil.com 15-07-2006

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