Untersuchung zum Tod von Strandbesuchern im Gazastreifen:
Nicht IDF-Granate sondern Hamas-Bombe ist Verursacher
Auszüge aus einem Artikel von Amos Harel,
Ha’aretz, 13.06.2006
Übersetzung Daniela Marcus
Ein Komitee der Israelischen Verteidigungsarmee
(IDF), das den Tod von sieben Palästinensern vergangenen Freitag am
Strand von Gaza untersucht, ist nahe daran zu schließen, dass die
IDF nicht für diesen Vorfall verantwortlich ist.
Die Ergebnisse des von Generalmajor Me’ir Kalifi geleiteten
Untersuchungskomitees sollen dem Verteidigungsminister und dem
Generalstabschef am Dienstagabend vorgelegt werden. Die vorläufige
Schlussfolgerung lautet dahingehend, dass der Tod der Strandbesucher
von einer Bombe verursacht wurde, die die Hamas am Strand platziert
hatte, um israelische Taucherkommandos, die im Norden des
Gazastreifens Operationen ausführen, aus dem Hinterhalt angreifen zu
können.
Kurz nachdem sich der Vorfall ereignet hatte, tendierte die
israelische Armee dazu, die Vermutung anzunehmen, das Unglück sei
von einer verirrten israelischen Granate verursacht worden. Während
das ursprüngliche Statement des IDF-Sprechers formal keine
Verantwortung übernahm, drückte es dennoch tiefes Bedauern für den
Tod der Strandbesucher aus und kündigte an, das Artilleriefeuer auf
den Gazastreifen bis zum Ende der Untersuchung des Vorfalls
einzustellen.
Ausländische Medien gaben unmissverständlich Israel die Schuld für
den Tod der Strandbesucher. Und israelische Medien (inklusive
Ha’aretz) tendierten in die gleiche Richtung. Doch nachdem einige
Zeit vergangen war, in der mehr Informationen zusammengetragen und
ausgewertet werden konnten, änderte sich die Einschätzung der IDF:
Einige Informationen schließen anscheinend die Möglichkeit, dass
eine israelische Granate verantwortlich war, aus, während andere
Daten die Theorie, dass eine palästinensische Mine Schuld an dem
Unglück ist, stützen. Die große Frage wird nun sein, wie
unmissverständlich Kalifis Schlussfolgerung am heutigen Abend sein
wird.
Die Wichtigkeit der Untersuchungsergebnisse wird offensichtlich
durch die Tatsache herabgesetzt, dass die IDF von einer eigenen
IDF-Untersuchung freigesprochen wird. Denn es ist keine
internationale Ermittlung und auch keine externe zivile
Untersuchung. Nichtsdestotrotz hofft die Armee, dass die Ergebnisse
sie freisprechen werden. (…) In der israelischen Öffentlichkeit ist
dieser Kampf schon zum Großteil gewonnen, denn selbst
Menschenrechtsorganisationen äußerten am Montag Zweifel an den
palästinensischen Darstellungen.
Kalifis Komitee untersuchte eine große Menge an Material, inklusive
Filmmaterial, das von arabischen Fernsehsendern vor Ort aufgenommen
worden war. Über ein paar der Untersuchungsergebnisse wurde bereits
berichtet: z. B. dass fünf der Granaten definitiv etwa 250 Meter
entfernt vom Ort des eigentlichen Geschehens auf dem Strand landeten
und dass sich die Explosion mindestens 8 Minuten nach Vermissen der
sechsten Granate ereignete. Diese Beweise werden nun durch drei
weitere Untersuchungsergebnisse gestützt:
- Die Splitter. Drei der bei der Explosion
Verwundeten befinden sich in Krankenhäusern in Israel.
Anscheinend wurden Splitter aus ihren Körpern entfernt. Diese
unterstützen eher die Schlussfolgerung, dass die Explosion durch
eine Bombe und nicht durch eine Granate verursacht wurde.
- Der Krater. Basierend auf Bildern wurde der
Krater, der nach der Explosion zu sehen war, von einer Explosion
von unten (Mine) und nicht von einer Explosion von oben
(Granate) verursacht.
- Geheimdienstinformationen. Israel hat
beträchtliche Informationen, die darauf hinweisen, dass die
Hamas in den vergangenen Wochen –seit ein israelisches Kommando
in den Gazastreifen eingedrungen war und Mitglieder einer Zelle,
die Raketen abgeschossen hatte, getötet hatte- systematisch
Minen am nördlichen Strand des Gazastreifens vergraben hatte, um
israelische Kommandos davon abzuhalten, dort noch einmal zu
landen.
Die größte Schwachstelle in der Beweisführung der
israelischen Armee liegt in der vermissten sechsten Granate. Diese
vermisste Granate war als erste abgeschossen worden, der Ort ihres
Einschlags wurde jedoch bisher nicht gefunden. Nach einer
Untersuchung des Geschützes ist die Armee überzeugt, dass die
Granate nicht fast einen halben Kilometer entfernt vom geplanten
Ziel auf den Strand hätte niedergehen können. Doch es gibt keinen
exakten Beweis dafür sondern nur eine fundierte Einschätzung.
Darüber hinaus werden die Palästinenser ihre eigenen Experten
einsetzen, um die Splitter, die den Verletzten entnommen wurden, zu
analysieren. Und zweifellos werden sie Schlussfolgerungen
präsentieren, die im Gegensatz zu denjenigen israelischer Experten
stehen. (…)
Die IDF wird versuchen, sich auch an die öffentliche Meinung der
Palästinenser zu wenden. (…) Dies tat sie bereits im September
letzten Jahres nachdem bei einer Demonstration in Jabalya Waffen der
Hamas explodiert waren und 20 Zuschauer getötet hatten. Damals hatte
die Hamas Israel beschuldigt und einen Raketenhagel auf Israel
gestartet. Doch die palästinensische Öffentlichkeit hatte der
Darstellung der Hamas nicht geglaubt. Palästinensische Zweifel
hatten gemeinsam mit der harten Erwiderung der IDF dazu geführt,
dass die Hamas zwei Tage später ihren Raketenbeschuss einstellte.
hagalil.com 13-06-2006 |