Aufgewühlte Beziehungen im Rückblick:
Stellen Sie sich Israel als Mitglied des
UNO-Sicherheitsrates vor
Von Gershon Kedar, The Jerusalem Post, 10.5.2006
Der Jahrestag der Aufnahme Israels in die Vereinten
Nationen am 11. Mai 1949 ist eine passende Gelegenheit, um auf das
zurückzublicken, was zweifellos eine aufgewühlte Beziehung genannt werden
kann. Allerdings ist es vielleicht sinnvoller, nach vorne zu schauen, als
die Vergangenheit zu untersuchen.
Ob man will oder nicht, die UNO ist das führende Organ der internationalen
Gemeinschaft. Wie David Ben-Gurion in einer Rede vor der Knesset im Juni
1950 sagte: "Als ein Volk, das sich gleicher Rechte erfreut, teilen wir die
Verantwortung für Menschlichkeit und internationalen Frieden." Israel hat
sowohl das Recht wie die Pflicht, ein volles Mitglied der UNO zu sein, ohne
Diskriminierungen und ohne Hindernisse.
Die Normalisierung der Position Israels bei der UNO ist nicht nur eine
Herausforderung für die israelische Diplomatie – wobei hier in der Tat auf
vielen Gebieten große Fortschritte gemacht wurden -, sondern sie ist auch
sehr wichtig für die UNO selbst. Während die UNO einen Reformprozess
konsolidiert, dessen Weg im letzten Herbst beim Millenniumsgipfel begann,
wird der internationalen Gemeinschaft immer mehr bewusst, dass jede Reform,
die nicht ein- für allemal die anti-israelische Politik und Architektur der
UNO behandelt, von Natur aus Fehler aufweisen wird.
Die gemeinsame Herausforderung für Israel und die UNO ist, sicherzustellen,
dass die geopolitischen Änderungen, die sich infolge des Endes des Kalten
Krieges ergaben, in der multinationalen Arena widergespiegelt werden. Seit
den frühen 1990er Jahren haben sich Israels bilaterale Beziehungen
beträchtlich verbessert. Diese Veränderung hatte bisher jedoch leider keine
großen Auswirkungen auf Israels Position innerhalb der UNO. Dies muss sich
ändern, nun, da die UNO darum kämpft, sich zu reformieren, um für die
Herausforderungen des neuen Jahrtausends gewappnet zu sein. Um es kurz zu
fassen: Die Beziehung zwischen Israel und der UNO leidet an einer
Zeitverschiebung, die unverzüglich korrigiert werden muss.
Jüngste Entwicklungen zeigen, dass eine solche Änderung zwar keineswegs
einfach ist, jedoch nicht außerhalb der Reichweite liegt. Der vielleicht
bedeutendste Durchbruch geschah vor etwa sechs Jahren als Israel ein
temporäres Mitglied der WEOG wurde (WEOG = Western European and Others
Group: Wahlgruppe der westeuropäischen und anderen, sich der abendländischen
Welt zuordnenden Staaten innerhalb der UNO). Da die UNO auf der Basis
regionaler Gruppen arbeitet, ist die Mitgliedschaft in einer Gruppe für alle
Mitgliedstaaten äußerst wichtig. Doch eine solche Mitgliedschaft wurde einem
einzigen Staat über Jahrzehnte hinweg verweigert. Und dieser Staat ist
Israel. Die temporäre Mitgliedschaft für Wahlzwecke bei der WEOG in New York
war der erste Schritt, um die von Anfang an betriebene Diskriminierung
Israels zu beenden. Seitdem hat Israel erfolgreich Kandidaten für
verschiedene UNO-Positionen präsentiert. Das bisherige Highlight ist Israels
Vizepräsidentschaft in der gegenwärtigen Generalversammlung.
Im letzten Jahr widmete die UNO der Erinnerung an die Shoah endlich die
längst überfällige Aufmerksamkeit: Im UNO-Hauptquartier wurde eine
Ausstellung über Auschwitz gezeigt, die Generalversammlung hielt eine
Sondersitzung ab, um des 60. Jahrestages der Befreiung der
Konzentrationslager zu gedenken, und im November wurde einer Resolution
zugestimmt, die den 27. Januar als jährlichen Internationalen
Shoah-Gedenktag festlegte, um die Bildung hinsichtlich der Shoah zu fördern
und die Leugnung der Shoah zu verurteilen. Die Resolution war von Israel
eingebracht und von mehr als 100 Ländern unterstützt worden. Bei all diesen
Initiativen spielte UNO-Generalsekretär Kofi Annan eine hilfreiche und
aktive Rolle.
Israels diplomatische Agenda bezüglich der UNO möchte auf diese
Errungenschaften bauen und die Sonderbehandlung Israels vor allem auf drei
Gebieten beenden:
1. Israel strebt die volle Beteiligung in allen westlichen Beratungsgruppen
innerhalb der UNO an. Die Mitgliedschaft in der WEOG für reine Wahlzwecke
ist wichtig, jedoch nicht ausreichend. Es ist inakzeptabel, dass Israel an
regionalen Besprechungen nicht teilnehmen kann und es ist besonders absurd,
dass ein Israeli, der von der WEOG gewählt wurde, von Besprechungen
ausgeschlossen wird, wenn er dabei seine eigene Gruppe repräsentiert. Annan
hat wiederholt zu voller israelischer Beteiligung in solchen
Beratungsgruppen aufgerufen, sowohl während seines Besuchs letztes Jahr in
Israel anlässlich der Eröffnung des neuen Museums in Yad Vashem, wie auch
kürzlich, als er der Hoffnung Ausdruck verlieh, dass "Israel zweifellos von
der gesamten Völkergemeinschaft als Mitglied akzeptiert werden wird".
2. Israel wird energisch für seine Kandidatur einer temporären
Mitgliedschaft im UNO-Sicherheitsrat während der Jahre 2019 bis 2020 werben.
Der UNO-Botschafter der Vereinigten Staaten, John Bolton, sagte, dass es
zwar fünf permanente Mitglieder im Sicherheitsrat gäbe, jedoch leider auch
ein permanentes Nicht-Mitglied, nämlich Israel. Dass Israel niemals Mitglied
im Sicherheitsrat war, ist ein Makel in der Geschichte der UNO. Wir werden
alles tun, was wir können und wir erwarten die Unterstützung befreundeter
Staaten, um sicherzustellen, dass Israel keine noch so hohen Positionen
verschlossen bleiben.
3. Das Ritual, mit dem die UNO-Generalversammlung jedes Jahr ein Übermaß von
anti-israelischen Resolutionen diskutiert und akzeptiert, muss beendet
werden. Kann irgendjemand aufrichtig sagen, dass Israel "verdiente", das
Ziel von 18 der 71 Resolutionen der Generalversammlung zu sein, die letztes
Jahr in Abstimmungsverfahren verabschiedet wurden? Und ist es insbesondere
richtig, anständig und sinnvoll, dass diese Resolutionen die fortdauernde
Tätigkeit offizieller UNO-Organe ermöglichen, deren einzige
Daseinsberechtigung darin besteht, sich in pro-palästinensischer Propaganda
inklusive der Delegitimierung Israels zu engagieren?
Doch die Notwendigkeit, dieser Farce ein Ende zu bereiten, geht über Israels
Auslandspolitik hinaus. Wenn die UNO relevant sein möchte, muss sie
sicherstellen, dass ihre Agenda und ihre Institutionen alle relevanten
Themen fair und objektiv behandeln, ohne einen Konflikt oder Staat
herauszugreifen. Dies trifft auch für den neu gegründeten Rat für
Menschenrechte zu, der die anti-israelische Politik seines Vorläufers
aufgeben muss, wenn er ernst genommen werden will.
Israel erwartet, dass diese Änderungen untrennbar mit der Reform der UNO
verbunden sind, nicht allein zu Gunsten Israels, sondern zum Wohle der UNO
und allem, wofür sie steht.
Der Autor ist Berater des israelischen
Außenministeriums, Abteilung für politische Angelegenheiten bei den
Vereinten Nationen.
Quelle: www.israel.de
hagalil.com 17-05-2006 |